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Der Charme der gemeinsamen Sprache

Six Sigma Konferenz in München
Der Charme der gemeinsamen Sprache

Six Sigma boomt. Im Frühjahr war die erste Konferenz der IQPC zum Thema in Deutschland sofort ausverkauft. Auch die Wiederholung am 26. und 27. Oktober 2000 in München konnte ein volles Haus verbuchen. Projektleiterin Anja Boysen plant bereits eine weitere Konferenz im Februar 2001.

Ostfildern Excellence Moderation BO Consult, Business Birgit Otto, BSc, MA

Auf der vom International Quality & Productivity Centre (IQPC) veranstalteten Konferenz brachten Beratungsexperten und Firmenvertreter den 120 Tagungsteilnehmern die grundsätzliche Bedeutung von Six Sigma für die Organisationsentwicklung und die ständige Verbesserung näher. Die Konferenz diene in erster Linie einer ersten Bestandsaufnahme, so Alois Deubert, Geschäftsführer des Tagungssponsors Cambridge Management Consulting GmbH. „Wir wollen uns darüber austauschen, wo Unternehmen in Deutschland beim Thema Six Sigma stehen.“
6 ist neu für alle
Eine Befragung unter den Teilnehmern zeigte: Über 50 Prozent der Konferenzteilnehmer waren Nichtanwender. Die Mehrzahl der Anwender befinden sich ebenfalls noch in der Anfangsphase der ersten zwei Jahre.
Mehrheitlich schnupperten Qualitätsfachleute und Produktionsverantwortliche der großen und international arbeitenden Unternehmen in die Thematik hinein. Six Sigma schien insbesondere für die Branchen Automobil, Pharma, Elektronik/IT sowie im Maschinen- und Anlagenbau interessant zu sein. Während für Anwender ganz klar die Erhöhung der Kundenzufriedenheit wichtigstes Ziel für Six Sigma Initiativen ist, erhoffen sich Nichtanwender dadurch eine Prozessoptimierung und deutliche Qualitätssteigerung. „Nicht verwunderlich“, kommentierte Alois Deubert bei der Präsentation der Ergebnisse am zweiten Konferenztag, „denn man stößt ja ganz natürlicherweise nach Anstrengungen zur Prozessverbesserung und im Rahmen von KVP-Aktivitäten auf das Thema Six Sigma.“
Kosten eingespart
Bei Fragen nach der Realisierung von Einsparungen sind Nicht-Anwender selbstverständlich noch sehr unsicher. Anwender können ihre Einsparungen beziffern. Die Mehrheit der bisherigen Projekte bringen Einsparungen unter 500.000 DM. Selbst alte Six Sigma Hasen wie GE oder Motorola setzen bis heute den Schwerpunkt auf die Produktionsprozesse. Bei Nichtanwendern ist dieser Fokus noch ausgeprägter.
Design for 6 (DFSS)
Interessant ist das hohe Interesse, Six Sigma bei Forschung & Entwicklung einsetzen zu wollen. Vielleicht erhofft man sich durch den Einsatz von Design for Six Sigma (DFSS) gleich einen „Leap Frog“-Effekt?
Wie schon beim ersten Anlauf unter der TQM-Flagge in den 80er und 90er Jahren gilt der persönliche Einsatz des Top Managements als der wichtigste Erfolgsfaktor für die konsequente Anwendung von 6. Neulinge wie Anwender waren gleichermaßen überzeugt davon, dass Six Sigma als eine TQM-Methode zur Bewältigung von Veränderung die Weichen für den Erfolg im e-Business Zeitalter stellen könne.
Drei Fragen tauchten während der beiden Konferenztage bei Referenten wie Teilnehmern immer wieder auf : Was ist Six Sigma? Welche Vorteile bringt Six Sigma? Wie beginne ich?
Was ist 6s
Für Michel Doppert vom Juran Institute umfasst der Begriff im wesentlichen drei Dinge: „Six Sigma ist eine TQM-Methode, mit deren Hilfe Unternehmen sich zunächst die Frage beantworten können: Sind unsere Prozesse in der Lage, das zu leisten, was der Kunde wirklich will? Six Sigma bietet dann die Werkzeuge, um Prozesse ständig zu verbessern sowie Fehler zu verringern und zwar mit einem sehr engen, ergebnisorientierten Projektmanagement.“
„Six Sigma ist vor allem Verhaltensänderung.“ meinte Willi Kotte vom Augsburger Computerhersteller Fujitsu-Siemens. Er richtete das Augenmerk der Teilnehmer auf die Integration der Six Sigma Idee in ein Integriertes Management System, bei dem auch die regelmäßige Selbstbewertung, zum Beispiel nach dem EFQM-Modell für Excellence eine herausragende Rolle spiele.
Auch für John Selkirk, zur Zeit für die Handyproduktion von Motorola am Standort Flensburg verantwortlich, ist Six Sigma eingebunden in ein „Performance Excellence Model“, das sich auf den amerikanischen Malcolm Baldrige Award mit seinen sieben Kategorien bezieht. „Wir versuchen derzeit, unser Modell mit dem EFQM-Modell zu verbinden. Es ist unser Ziel, in den kommenden Jahren auch in Europa eine Business Excellence Auszeichnung zu erringen, wie uns das 1988 in den USA, 1992 in Malaysia, 1994 in Israel und 1996 in Singapore gelungen ist.“ Der wahre Wert bei einer Teilnahme um einen solchen Preis liege im Feedback. „Wir haben den Report als ein Geschenk betrachtet.“ Der Bericht des Assessorenteams sei sehr genau gelesen und mit den Assessoren diskutiert worden.
Bei Motorola, einem der Erfinder der Six Sigma Methode, seien viele Prozesse schon im 6 Bereich, so John Selkirk auf die Frage eines Tagungsteilnehmers, aber dazu gehöre eben auch die Einbettung in ein Modell, das Performance Excellence Scorecard System und die Anpassung persönlicher Ziele der Mitarbeiter an die Unternehmensziele. Interessant war hier der eindeutig hierarchische Ansatz bei der Ableitung der Ziele: „Individual Goals are aligned to business goals through a Personal Commitment process.“ (Die individuellen Ziele werden den Geschäftszielen angepasst durch einen Prozess, der bei Motorola „Personal Commitment“ – Persönlicher Einsatz – genannt wird.)
Für den Programm-Manager für 6-Sigma Training in Europa bei den Ford-Werken Michael Schorrstedt, ist Six Sigma eine Methode, die die vorhandenen Qualitätswerkzeuge eher ergänzt als ersetzt. „Auslöser für 6 Sigma war eine 1999 veränderte Firmenvision, die die Verlagerung des Schwerpunkts von der technischen Qualität hin zum Verbraucher beschreibt. Deshalb heißt der Prozess bei uns Consumer-driven 6-Sigma. Viele Methoden waren in unserem Hause aber längst vorhanden. Was sich radikal änderte, war der Umgang mit diesen Methoden.“
Man stehe mit dem Prozess noch ganz am Anfang, verfolge aber zwei Ziele mit Six Sigma: zum einen diene 6s als Durchbruchstrategie für die drastische Verbesserung bestehender Prozesse und zum anderen solle durch den Einsatz von DFSS die Entwicklung von Produkten radikal verbessert werden. Derzeit bilde man bei Ford bis zum Jahresende 300 Black Belts europaweit aus. Mittelfristig peile man eine Black Belt Rate von 1 Prozent aller Mitarbeiter an.
Black Belts werden bei Ford aus dem eigenen Haus rekrutiert. Ingenieure werden zu Trainern und Anwendungsberatern ausgebildet, nach dem Prinzip: Kollegen helfen Kollegen. So hofft man, dass die Anwendung der Six Sigma Methode einfach „a way of doing things“ für den Automobilhersteller werden.
Das Phänomen Jack Welch
Was ist das Geheimnis von GE? Wie kommt es, dass 6 dort scheinbar so wunderbar funktioniert? Oliver Tuszik von GE CompuNet Computer schildert das Erfolgsgeheimnis in drastischen Worten: „Jack Welch hat mit einer Brutalität die Einhaltung von Six Sigma gefordert, die seines Gleichen sucht. Er hat Leute gezwungen, unabhängig vom Inhalt einfach Six Sigma-Projekte aufzusetzen. Er hat Bonussysteme verändert und Karrierechancen eindeutig zugunsten von Black Belts definiert. Heute hat jeder bei GE diese Methode als seine Arbeitsweise akzeptiert. Wir reden nicht mehr von Six Sigma. Wir leben es einfach, es ist unsere Art, Projekte anzugehen.“
Bei GE CompuNet Computer stehe man heute vor der beneidenswerten, aber nicht ganz einfachen Entscheidung, so Oliver Tuszik, ob man angesichts der unglaublichen Nachfrage nach Training, Beratungsleistung und gemeinsamen Projekten aus Six Sigma nicht doch ein Kerngeschäft machen solle, obwohl die Vorgabe von GE eindeutig ist: Projekte mit dem Kunden – immer. Projekte für den Kunden dann, wenn dadurch eine erhöhte Kundenbindung entsteht, zum Beispiel wenn bessere Kontakte zu wichtigen Personen entstehen oder das Projekt GE Einblick in die Geschäftsprozesse des Kunden ermöglicht, von denen mittelfristig neue Lösungen für den Kunden (und Umsatz für GE) ersichtlich werden. „Wir nutzen unseren Vorsprung, den wir bei Six Sigma derzeit haben, um knallhart einen Wettbewerbsvorteil vor unseren Mitbewerbern zu erzielen. Aber wir sind nicht im Six Sigma Business.“ Das wolle man lieber den professionellen Beratern und Trainern überlassen. Schließlich sei nicht jeder gute Black Belt auch ein guter Berater, Trainer oder Coach.
Welche Vorteile bringt Six Sigma?
In einer mitreißenden Präsentation betonte Dee White, die bei Volvo für das Programm „Consumer driven 6 Sigma“ zuständig ist, den integrativen Effekt von Six Sigma als der gemeinsamen Sprache zwischen der amerikanischen Muttergesellschaft, Ford, und der völlig anderen Tradition beim schwedischen Automobilhersteller.
Zugleich sagte sie frei heraus: „Wir müssen uns dramatisch verändern. Wir werden in diesem Jahr 400.000 Autos herstellen. Das von Ford für 2004 gesteckte Ziel sind 600.000. Das ist eine Steigerungsrate von 50 Prozent in etwas über drei Jahren. Wir wollen die Nummer Eins in Bezug auf die Kundenzufriedenheit werden und wir wollen innerhalb der Ford-Gruppe die Luxusmarke schlechthin werden.“ Ehrgeizige Ziele bei einer Konkurrenz im eigenen Haus mit klingenden Markennamen wie Jaguar, Lincoln, Land Rover oder Aston Martin.
Bei Volvo habe man sich zunächst viele Gedanken darüber gemacht, ob die in den USA entwickelte Methode überhaupt in die europäische Volvo-Kultur passe. Fast scheint es, als sähe die Programmdirektorin jedoch keinen anderen Weg als Six Sigma, um dem harten Wettbewerb auf Dauer Stand zu halten. Sie ist bereits jetzt vom Erfolg überzeugt: „Wir begannen im März 2000 mit der Planung und unserer Strategie, starteten im Juni diesen Jahres mit der Umsetzung (Black Belt Trainings und erste Projekte). Die Projekte werden nicht vor November beendet sein, aber ich kann Ihnen heute schon versichern: Das sind bereits Erfolgsgeschichten.“
Wie erreicht man Six Sigma in seinen Prozessen? „Es gibt drei Ansatzpunkte“, betonte Sal Puaar von Cambridge Management Consulting „entweder reduzieren Sie die Streuung ihres Prozesses, kümmern sich also um die Varianz. Oder sie erweitern die Toleranzen, indem Sie mit ihrem Kunden über dessen Anforderungen reden. Oder sie verringern die Komplexität ihres Produktes und Prozesses. Im Optimalfall, und das ist der 6-Gedanke tun sie alles drei: Sie reduzieren die Varianz, verringern die Komplexität ihrer Prozesse und stimmen die Anforderungen mit ihrem Kunden genauer ab.“
Alle Referenten waren sich außerdem darüber einig, dass nur eine knallharte Verknüpfung von Six Sigma Projekten mit den individuellen Leistungszielen des Managements den wirklichen Durchbruch garantieren. Eine wichtige Frage, die unmittelbare Auswirkung auf die Motivation hat, blieb offen. Wer streicht im Ernstfall eine Prämie ein: Der Manager, der verantwortlich ist, der Black Belt, dessen Methodenwissen das Einsparpotential offen legt, oder das Team, das die Einsparung im Tagesgeschäft umsetzt?
Wie beginne ich?
Eines machte die zweitägige Konferenz deutlich: Wir stehen hier in Deutschland ganz am Anfang. Aber insbesondere international arbeitende Firmen sind wild entschlossen, ihrem Unternehmen die „Jack-Welch“-Kur zu verpassen.
Ohne ein sauberes Prozessmanagement, ausgerichtet an den Kundenanforderungen und durch Kennzahlen fixiert, warnte Michael-A. von Hirsch, Senior Manager Quality & Process Management bei der Toshiba Europa GmbH, sei Six Sigma nicht erfolgreich.
Als ersten Schritt sind derzeit alle auf der Suche nach Black Belt Trainern. Neben der Six Sigma Academy in Texas, USA, hat sich insbesondere Cambridge Management Consulting auf Six Sigma spezialisiert. „Suchen Sie sich in der Startphase ruhig auch einen einzelnen TQM-beschlagenen Berater“, so Michael-A. von Hirsch. Man könne sich so mit ein, zwei Tageshonoraren einen guten Überblick verschaffen, wie bisherige TQM-Aktivitäten sich mit den Six-Sigma Anforderungen verknüpfen ließen. Für ein großes Roll-Out müsse man sich dann sicherlich größere Trainingsfirmen aussuchen.
Wiederum sind es insbesondere die großen Unternehmen und internationalen Konzerne, die sich mit der neuen Methode einen Wettbewerbsvorteil erwerben wollen. Offen ist: Wie können kleinere und mittlere Unternehmen den Prozess der ständigen Verbesserung bewältigen? Schön, wenn Großunternehmen erfolgreich auf dem Weltmarkt mitmischen. Aber sie werden in Deutschland von einer Fülle von mittelständischen Lieferanten bedient, deren Qualität und Fitness im Markt letztendlich ebenso zählt wie die internationale Ausrichtung der Großen.
Es wird also darauf ankommen, neue Managementmethoden schnell und unbürokratisch deutschlandweit einzuführen. Hier ist die Politik mit gezielter Förderung des Mittelstands ebenso gefragt wie die Bildungseinrichtungen mit attraktiven, modernen Lehrmethoden und Inhalten – und zwar schnell, denn die Geschwindigkeit entscheidet über den Erfolg am Markt ebenso wie über den Erfolg der „Marktplätze“.
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