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Der praktische Fall Produkthaftung hautnah

Alles was Recht ist
Der praktische Fall Produkthaftung hautnah

Produkthaftungsfälle sind in der Realität meist nicht von gerichtlichen Auseinandersetzungen geprägt – was gut so ist – sondern von außergerichtlichem Vorgehen und einer Einigung beider Parteien. Trotzdem ist ein Gerichtsverfahren die aus Unternehmenssicht bedrohlichere Variante. Neben der Ungewissheit des Verfahrensausgangs sind Effekte der Öffentlichkeit, des Imageschadens und der Ressourcenbindung durch das Verfahren die negativen Einflussfaktoren. Ich möchte im Folgenden mal einen praktischen Fall vom Ablauf schildern, um einen Eindruck von der Vorgehensweise zu schildern, natürlich in der Hoffnung, dass es Sie in Ihrem Unternehmen nicht gleichermaßen treffen wird.

In unserem Beispielfall handelt es sich um den klassischen Fall: Die Klägerin begehrt von der Beklagten Erstattung von Aufwendungen, die ihr durch eine im Wesentlichen in den Jahren 2003 und 2004 durchgeführte Umrüstaktion an von ihr produzierten und vertriebenen 3-D-Röntgengeräten entstanden sind. Die Umrüstaktion wurde aus Sicht der Klägerin notwendig, nachdem es im Zusammenhang mit den Röntgengeräten der Klägerin in den Jahren 1992 bis 2003 zu insgesamt vier Zwischenfällen kam, bei denen laut Darstellung der Klägerin in zwei Fällen ein Mensch verletzt wurde. Die Parteien streiten nunmehr über die Kostentragungspflicht der Umrüstaktion. Eine insofern klassische Gestaltung, als der Endhersteller versucht, beim Zulieferer Rückgriff zu nehmen. Die von der Klägerin hergestellten Röntgengeräte beinhalten ein Stativ, an dessen oberen Ende sich der ca. 80 kg schwere Röntgenstrahler des Röntgengerätes befindet. Dieser Röntgenstrahler kann am Stativ hoch und runter gefahren werden. Für diesen Bewegungsmechanismus bedarf es der gelieferten Federzüge. Teil dieser Federzüge ist eine sog. „Federbruchsicherung“, die für den Fall des nie ganz zu vermeidenden Bruches der Feder das Herabfallen des Röntgenkopfes verhindern soll. Diese Funktion fiel mehrfach aus und wurde daraufhin von der Klägerin weltweit durch eine Umrüstaktion sichergestellt. Die Klägerin machte hierfür insgesamt 5,5 Mio Euro geltend. Wie läuft so ein Verfahren praktisch ab? Auch hier und in den meisten Fällen wird zunächst eine außergerichtliche Zahlungsaufforderung erfolgen. Und hier passiert in der Regel der erste Fehler bei dem in Anspruch genommenen Unternehmen: es werden sachliche Einlassungen abgegeben. Das ist insofern falsch, als die Haftpflichtversicherungen – Rückrufkosten oder Produkthaftpflichtversicherungen – das Recht haben, über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Hier bietet sich ein Blick in die Allgemeinen Haftbedingungen (AHB, hier gibt es seit 2007 eine neue Version, die aber nicht automatisch für jedes Unternehmen gilt. Im Folgenden gehen wir von der neuesten Version aus, Sie müssten in Ihren eigenen Policen die gültige Fassung finden) an. Die Versicherung muss also zügig informiert werden. Die Versicherung entscheidet dann über das weitere Vorgehen. Hier in diesem Fall wurde der Anspruch zurückgewiesen. Damit ist das Verfahren dann streitig vor Gericht geführt worden. Herrin dieses Verfahrens ist die Versicherung, diese beauftragt also auch den Rechtsanwalt. Durch diese Konstellation ergeben sich natürlich einige Besonderheiten im Verfahren, die zu beachten sind. Hierzu ist unbedingt mit der Versicherung Rücksprache zu halten, bevor in dem jeweiligen Verfahren Äußerungen oder Aktionen getätigt werden. Die Versicherung kann ansonsten aufgrund einer so genannten Obliegenheitsverletzung die Regulierung des Schadens ablehnen bzw. den Versicherungsvertrag kündigen.
Im beispielhaft beschriebenen Fall hat die Beklagte übrigens gewonnen. Das lag in erster Linie daran, dass die Beklagte bereits 1992 die Klägerin darauf hingewiesen hatte, dass Federbrüche vorkommen können und einen – allerdings kostenpflichtigen – Austausch angeboten hatte. Das hat die Klägerin nicht durchgeführt. Insofern hat das Gericht eine Kostenübernahme der Beklagten abgelehnt.
Der Autor
Philipp Reusch,
teras Rechtsanwälte,
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