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Dichtung und Wahrheit

Anwender benötigen keine Bildverarbeitungsstandards sondern zuverlässige und wirtschaftliche BV-Lösungen
Dichtung und Wahrheit

Der Markt für industrielle Bildverarbeitung boomt. Das freut vor allem alle Entwickler, Hersteller und Anbieter, die in den vergangenen zehn Jahren quasi als Pioniere die sehr anspruchsvolle BV-Technologie durch großes persönlichen Engagement, geballtes Fachwissen und auch mit finanziellem Risiko Schritt für Schritt zu ihrer heutigen Praxisreife entwickelt haben. Doch wo Licht ist, gibt es auch Schatten. Und wo sich rasant ein Multimilliardenmarkt entwickelt, wollen plötzlich viele Neueinsteiger profitieren. Das ist normal. Wettbewerb ist gut für das Geschäft – zumindest, so lange nicht mit irreführenden bis teilweise falschen Versprechungen argumentiert wird.

Volker Jauch, Geschäftsführer Visicontrol, Weingarten

In der aktuellen Phase, in der sich die industrielle Bildverarbeitung gerade erst aus ihrem Nischendasein gelöst hat, und sich nun zu einer extrem vielseitigen und sehr wirtschaftlichen Automatisierungstechnologie entwickelt, wollen offensichtlich (wie zum Beispiel in der PC und IT-Branche erfolgreich vorexerziert) selbsternannte Propheten den Weg weisen. So wird viel über Standardisierung diskutiert. Nun: Standards sind prinzipiell gut. Aber wenn zum Beispiel eine BV-Software recht forsch mit dem Label defacto-Standard vermarktet wird, oder andere sogenannte „Intelligente BV-Kameras“ zur Weisheit ultimativen Schluss erklären, sollten andere Meinungsbildner – und hier schließe ich die Fachpresse ausdrücklich ein – laut die Frage stellen, wem denn diese Art von Standardisierungsbestrebungen dienen – den Endanwendern?
Für die Industrielle Bildverarbeitung gibt es fraglos extrem weit gesteckte Anwendungsmöglichkeiten sowie viele noch unerschlossene Potentiale. Allein aus dem Einsatzspektrum ergeben sich vielfältige unterschiedliche Aufgabenstellungen. Und da sich bei (fast) jeder BV-Applikation immer irgendwo ein Fehlerteufel im Detail versteckt, wird auch künftig die Vielfalt der dominierende Bildverarbeitungsstandard sein. Die eierlegende Wollmilchsau – sprich einen universellen Hardware-Standard, einen für alle Aufgaben gewappneten Software-Standard und den universellen Beleuchtungs-Standard kann es nicht geben.
Warum auch sollten für die Bildverarbeitung andere Gesetzte gelten, als in anderen Technologie-Sparten. Selbst der (historisch gesehen durch glückliche Umstände und weniger wegen technischer Vorzüge gewachsene) Softwarestandard Windows wackelt. Warum gibt es immer noch nicht den einzig wahren Industrie-Bus, die ultimative Maschinensteuerung? Unter anderem, weil im Automationsgeschäft jede Aufgabe anders ist – und das sollte jeder, der in industrielle Bildverarbeitungssysteme investieren will, stets vor Augen haben. Was freilich nicht heißt, dass für jede Aufgabe das Rad neu erfunden werden muss. Wichtig für den Endanwender ist, dass BV-Anbieter – und damit meine ich auch Auto-mations-Dienstleister und OEMs – die vier Säulen der Bildverarbeitung in Puncto Technologie und Applikationswissen beherrscht.
Diese vier Säulen sind:
– Kamera und Auswerteelektronik (sehr schnell und robust wie eine SPS, kurzschlussfeste, potentialfreie Ein-/Ausgänge, Schnittstellen und Anschlussmöglichkeiten für Inkrementalgeber, kein Betriebssystem, kein langatmiges Booten, stromausfallsicher, …);
– Mechanik (Zuführung, Vereinzelung der Prüflinge und Handhabung derer, sowie Trennung von guten und schlechten Teilen, …);
– Beleuchtung (Auflicht, Durchlicht, gerichtet, diffus, über Prismen, über Strahlteiler, unterschiedliche Wellenlängen, programmierbare Lichtquellen, …) sowie
– Software (endanwenderfreundliche Bedienung, Filterfunktionen, Konturverfolgung, Vermessungsalgorithmen, Objekterkennung usw.)
Die langsamste Komponente bestimmt das Tempo der Gesamtlösung, der unzuverlässigste BV-Baustein entscheidet über Effizienz und Wirtschaftlichkeit des ganzen Systems. Wir entwickeln daher ganz bewusst seit vielen Jahren eigene Hard- und Software sowie Beleuchtungen. Visicontrol-Systeme sind daher aus einem Guss. Und das findet weltweit Anerkennung. Unsere Produktphilosophie ist zwar sehr kostspielig, aber das Alles-aus-einer-Hand-Konzept ist aus meiner Sicht ohne Alternative.
PC-Hardware und plattformübergreifende Software sind vielleicht für Office-Anwendungen gut. Für industrielle Bildverarbeitungslösungen ist dieser Ansatz aber eine halbe Sache. Denn dann müssen Treiber und Schnittstellen die Anbindung an die Hardware und andere Prozesse bilden, und das hat immer einen erheblichen Einfluss auf die Effizienz und Geschwindigkeit des Gesamtsystems. Universalität geht in der Regel Hand-in-Hand mit vielen Kompromissen, um möglichst zu allen und allem kompatibel zu sein. Ergo braucht es Standardisierungsgremien, wo man sich dann (wenn überhaupt) zumeist auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt. Kann das ein sinnvolles Ziel sein? Ein weiteres Problem ist die mit jedem neuen Softwarerelease einhergehende Aktualisierung von Treibern und Schnittstellen. Wer zum Beispiel mit Windows-Programmen arbeitet und vielleicht sogar schon mal selber ein Update installiert hat, weiß, wovon ich spreche. Für all jene, die auf Hard- und Software angewiesen sind um ihren Job effizienter zu erledigen, kann die Devise nur lauten: Never change a running System! Gleiches gilt für den häufig in Standardisierungsdebatten über Anwendersoftware geäußerten Willen, einen schnellen und flexiblen Wechsel zwischen verschiedenen Aufgabenstellungen zu ermöglichen. Wozu? Aus unseren gut 1000 Installationen kann ich die Erfahrung weitergeben: es kommt praktisch nie vor, dass ein installiertes und eingespieltes Bildverarbeitungssystem in erheblichem Maße umkonfiguriert werden muss. Und sollten doch einmal Modifikationen nötig sein, geht der Trend auf Seiten des Bildverarbeitungsanwenders klar weg vom Programmieren, hin zum Parametrieren; und dies möglichst grafisch. Fazit: Standardisierung ist prinzipiell ein gutes Ziel. Aber die jüngsten Standardisierungs-Verlautbarungen einiger selbsternannter Propheten für bildverarbeitungsrelevante Hardware und auch Software streut den Endanwendern Sand in die Augen. Es ist zu hinterfragen, wer definiert die Standards, wem nutzen Sie wirklich, wo bleibt letztlich der Kundennutzen?
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