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Drang zur Digitalisierung bei Konformitätsbewertungsstellen

Corona-Pandemie-Auswirkungen auf Konformitätsbewertungsstellen
Drang zur Digitalisierung

Drang zur Digitalisierung
Nur ein geringer Anteil der Prüf- und Kalibrierlaboratorien verzeichnete bis Juni eine Steigerung des Auftragseingangs Bild: Travel mania/stock.adobe.com
Viele Konformitätsbewertungsstellen in Deutschland haben durch die Coronavirus-Pandemie wirtschaftliche Probleme, wie eine Umfrage der QI-Fokus Initiative von BAM und TU Berlin zeigt. Positiv sieht es nur bei den medizinischen Laboratorien aus. Ein Pluspunkt der Pandemie: Sie treibt die Digitalisierung in der Branche voran.

Alle Arten von Konformitätsbewertungsstellen sind nach dem „Corona-Monitor“ der QI-Fokus-Initiative von einem Auftragsrückgang betroffen – und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch auf ihren Absatzmärkten im Ausland. QI-FokuS steht für „Qualitätsinfrastruktur – Forschung für Konformitätsbewertung und Sicherheit“ und wird durchgeführt von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin. Sie erforscht seit Herbst 2019 die Entwicklung und wirtschaftliche Bedeutung von Konformitätsbewertungen in Deutschland auf Basis empirischer Daten.

Im Juni hat sie erstmals Prüflabore, Inspektions-, Zertifizierungs- und andere Konformitätsbewertungsstellen zu den wirtschaftlichen Folgen und den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf ihre Arbeitsfähigkeit befragt. Das Ergebnis: Viele sind nur unter Einschränkungen arbeitsfähig. Zertifizierungsstellen sind hier am stärksten betroffen.

Als Hürden werden der erschwerte Kundenzugang, Reisebeschränkungen und fehlende Mitarbeiter genannt. Auch Investitionen werden bei knapp der Hälfte der Befragten aktuell als Folge der Pandemie zurückgestellt. Die Erwartungen bezüglich der weiteren Entwicklung sind sehr unterschiedlich: Jede dritte Konformitätsbewertungsstelle sieht ihre Existenz bedroht, sollte keine Änderung der Situation in den kommenden sechs Monaten eintreten.

Drei Viertel der medizinischen Laboratorien hat neue Tätigkeiten aufgenommen

Positiv sieht es nur bei den medizinischen Laboratorien aus: Knapp 75 % konnten schnell auf die Pandemie reagieren und neue Tätigkeiten aufnehmen beziehungsweise bestehende verstärken. Ähnlich hoch war auch der Anteil derer, die bereits vor der Corona-Pandemie einen Krisenplan hatten. Bei anderen Konformitätsbewertungsstellen ist dies deutlich seltener der Fall gewesen. Nur ein geringer Anteil der Prüf- und Kalibrierlaboratorien verzeichnete bis Juni eine Steigerung des Auftragseingangs. Mehr als 10 % von ihnen geben an, seit dem Ausbruch von Covid-19 Kunden verloren zu haben. Gut 10 % sind oder waren nur unter größeren Einschränkungen arbeitsfähig. Am härtesten betroffen sind hier jedoch die Zertifizierungsstellen für Personen und für Managementsysteme: Rund 30 % beklagen, Kunden verloren zu haben in dieser Zeit. 40 % beziehungsweise 37 % bezeichnen ihre Arbeitsfähigkeit als deutlich eingeschränkt. 5 % der Zertifizierungsstellen für Personen mussten ihren Betrieb sogar (nahezu) komplett einstellen.

Als die größten Einschränkungen für ihre Arbeit empfinden es die Konformitätsbewertungsstellen laut der Umfrage, dass der Zugang und Reisen zu Kunden nicht wie gewohnt möglich waren. Auch Engpässe bei Verbrauchsmaterial und Corona-Schutzausrüstung stellen wichtige Einschränkungen dar.

Viele Konformitätsbewertungsstellen haben
in der Krise neue Tätigkeiten aufgenommen

Die Coronavirus-Pandemie hat jedoch durchaus auch positive Auswirkungen auf die Branche, wie der QI-Fokus belegt: In vielen Fällen haben die Unternehmen und Organisationen nämlich neue Tätigkeiten aufgenommen und/oder bestehende verstärkt. Insbesondere medizinische Laboratorien stechen hier mit 72 % hervor. Prüf- und Kalibrierlaboratorien waren indes weniger aktiv, wenn es um neue Aktivitäten geht. Zu den neuen oder verstärkten Tätigkeiten der Branche insgesamt gehören vor allem Covid-19-Antikörpertests, Corona-Schutzausrüstung sowie Remote-Inspektion und -Auditierung.

52 % der Zertifizierungs- und Inspektionsstellen bieten nach der Umfrage neu, weitere 21 % verstärkt Remote-Audits oder -Inspektionen an. Knapp ein Viertel tut dies auch in der Pandemie jedoch nicht. „Hauptgründe dafür sind Beschränkungen aufgrund von Inhalten, Gesetzen oder Normanforderungen. Fehlende technische Möglichkeiten, IT-Sicherheit oder Datenschutzbedenken werden allerdings kaum oder gar nicht als Hinderungsgründe genannt“, sagt Dr. Claudia Koch, die bei bei der BAM für den Corona-Monitor zuständig ist. So verwundert es nicht, dass insbesondere Zertifizierungs- und Inspektionsstellen einen erhöhten Digitalisierungsbedarf durch die Corona-Pandemie registrieren. Dabei ist die Kundennachfrage bei Zertifizierungsstellen für Managementsysteme mit Abstand der größte Treiber; mehr als 40 % der befragten Unternehmen aus diesem Bereich artikulieren dies. In den meisten anderen Bereichen wird der Digitalisierungsbedarf vor allem für interne Abläufe gesehen.

Es besteht noch Nachholbedarf
bei der Digitalisierung

So kommt die Mehrzahl der Konformitätsbewertungsstellen zu dem Schluss, dass die Corona-Pandemie die Digitalisierung vorantreibt. Jede fünfte Organisation gibt bei der Umfrage von BAM und TU Berlin an, dass noch größere Anpassungen der IT in der Pandemie nötig seien. Nur knapp 20 % sehen IT und Personal auf den aktuellen Digitalbedarf vollumfänglich ausgerichtet. Am weitesten fortgeschritten ist die Digitalisierung bei der Bereitstellung der Konformitätsbewertungsnachweise, also von Prüfberichten und Zertifikaten, gefolgt vom Kundenmanagement. Das Schlusslicht bilden hier die Verfahren der Konformitätsbewertung, also Prozesse, Verfahren und Geschäftsmodelle. Hier gibt es somit den größten Nachholbedarf.

Wenn die Wirtschaft sich wieder erholen und somit die Nachfrage nach Konformitätsbewertungsnachweise steigen sollte, gehen 61 % der befragten Organisationen davon aus, die Bedarfe bedienen zu können. Über ein Drittel warnt jedoch vor Verzögerungen. Die Gründe dafür liegen vor allem im Auftragsstau, weiterhin fehlenden Mitarbeitern sowie bestehenden Reisebeschränkungen. Einschränkungen und Verzögerungen könnte es demnach insbesondere für die Branchen Maschinen- und Anlagenbau, Elektrotechnik und Fahrzeugbau geben. ■

Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM)
Unter den Eichen 87
12205 Berlin
Tel. +493081040
www.bam.de


Die Autorin

Sabine Koll
Redaktion
Quality Engineering

Zu den neuen oder verstärkten Tätigkeiten der Branche insgesamt gehören Remote-Inspektionen und -Audits Bild: BAM
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