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Energisch zu höherer Energieeffizienz

Zertifizierung nach ISO 50001 setzt sich langsam durch
Energisch zu höherer Energieeffizienz

Die ersten Unternehmen im Land verfügen mittlerweile über Erfahrungen mit einem Energiemanagement mit der entsprechenden Zertifizierung nach DIN EN ISO 50001. Dazu gehören Unternehmen, die gesetzliche Ausgleichsregelungen in Anspruch nehmen, aber auch solche, für die Energieeffizienz ein Teil der Unternehmensphilosophie ist.

Sabine Koll

Seit mehr als einem Jahr ist sie schon in Kraft – eine Novelle des EEG, wonach energieintensive Unternehmen unter erweiterten Bedingungen von einer Ausgleichsregelung profitieren können. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) kann die Kosten für die Förderung des Stroms aus erneuerbaren Energien für stromintensive Unternehmen, die mehr als 1 Gigawattstunden im Jahr verbrauchen, danach auf ein bestimmtes Maß begrenzen. Die Unternehmen, die diesen Antrag gegenüber dem BAFA stellen möchten, müssen unter anderem eine Zertifizierung nach EMAS oder ISO 50001 nachweisen. Doch auch für Unternehmen, die nicht dieser Regelung unterliegen, steht das Thema Energieeffizienz weit oben auf der Agenda. Die ISO-Norm hilft ihnen, nachhaltig zu wirtschaften. Denn mit einem unternehmensweiten Energiemanagement können Unternehmen ihren Energieverbrauch detailliert erfassen, Einsparpotenziale identifizieren und entsprechende Energieeffizienzmaßnahmen umsetzen.
Dennoch ist die Umsetzung der ISO 50001 noch nicht sehr verbreitet: Nach einer Umfrage vom November 2012, die die Deutsche Energie-Agentur (Dena) in Auftrag gegeben hat, hatten gerade einmal 14 % der deutschen Unternehmen ein Energiemanagementsystem eingeführt. Der Anteil liegt laut Dena bei größeren Unternehmen höher, bei kleineren darunter. Nach Zahlen des BMU waren im Mai 2012 in Deutschland 280 Organisationen nach ISO 50001 und weitere 462 nach der Vorgänger-Norm EN 16001 zertifiziert. Beim BAFA sind für 2013 Anträge für 2057 Betriebsstätten eingegangen.
Dabei sind Unternehmen, die bereits über andere Managementsysteme – vor allem im Bereich Qualitäts- und Umweltmanagement verfügen – bei der Einführung der ISO 50001 klar im Vorteil. Denn die Norm basiert sie wie die DIN EN ISO 9001 (Qualität) oder die DIN EN ISO 14001 (Umwelt) und EMAS auf dem Plan-Do-Check-Act-Kreislauf (PDCA). Die verschiedenen Managementsysteme lassen sich entsprechend leicht zusammenführen beziehungsweise ein Unternehmen hat die Möglichkeit, sein bestehendes Managementsystem mit dem Ziel anzupassen, ein Energiemanagementsystem in Übereinstimmung mit der ISO 50001 aufzubauen.
Zudem ist es nach Darstellung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) aus Effizienzgründen sinnvoller, die Anforderungen der verschiedenen Managementsysteme zu integrieren, statt sie parallel einzuführen. Die Firmen profitieren in dem Fall von einem reduzierten personellen, zeitlichen und finanziellen Aufwand. Die erfolgreiche Integration des Energiemanagementsystems setze jedoch voraus, dass bei den Unternehmen die Zusammenführung der Verantwortlichkeiten für die Themen Energie, Sicherheit, Qualität und Umweltschutz umgesetzt sei.
Zu den größeren Unternehmen mit ISO-50001-Zertifizierung zählt seit Sommer 2012 der Spritzgießmaschinenbauer Arburg GmbH + Co KG mit Sitz in Loßburg, der rund 2200 Mitarbeiter beschäftigt. Als eines der ersten Unternehmen ist Arburg seitdem dreifach zertifiziert: nach ISO 9001, ISO 14001 sowie eben nach ISO 50001. Der Treiber für die Zertifizierung war keinesfalls das EEG, zumal dessen Bedingungen für Arburg gar nicht zutreffen. Vielmehr zählt Energieeffizienz seit Jahren zur Unternehmensphilosophie. Deshalb haben die vorhandenen Qualitäts- und Umwelt-Zertifizierungen nach Darstellung von Michael Hehl, Gesellschafter und Sprecher der Arburg-Geschäftsleitung, dabei geholfen, die zusätzliche Zertfizierung relativ schnell zu erlangen: „In unserem Umweltmanagement nach ISO 14001 war die Ausrichtung auf die Herstellung energieeffizienter Produkte in einer energieeffizienten Produktion bereits fest verankert“, erklärt Hehl. „Demzufolge spielen Einsparpotenziale hinsichtlich des Energieverbrauchs für uns unternehmensweit eine führende Rolle und sind seit Jahrzehnten sehr wichtige Aspekte bei allen Entwicklungen und Investitionen. Das gilt für unsere Produkte ebenso wie in der Fertigung und bei den Gebäuden. So machen wir bereits seit längerer Zeit verschiedene Energiemessungen im gesamten Unternehmen. In der ISO 50001 verpflichten wir uns nun, detaillierte messbare Energieeffizienz-Maßnahmen umzusetzen und einzuhalten.“ (Lesen Sie mehr dazu in „Nachgefragt“)
Profilstahl Delitzsch: Nur 53 Mitarbeiter, aber energieintensive Prozesse
Zu den kleineren Unternehmen der ersten Stunde gehört die Profilstahl Delitzsch GmbH im sächsischen Delitzsch. Zertifiziert wurde sie im März 2012 im Rahmen des Pilotprojekts „Energiemanagement für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)“ der Sächsischen Energieagentur (Saena). Gerade einmal 53 Mitarbeiter zählt das Unternehmen, doch ist die Produktion sehr energieintensiv: Das Unternehmen hat über 800 Sonderprofile für Werkzeug-, Automobil- sowie Bauindustrie, die mittels Kaltumfomung beziehungsweise Warmwalzung entstehen, in seinem Programm. Dafür existieren verschiedene Fertigungsprozesse, die unterschiedliche energetische Bedeutung haben. Im Allgemeinen durchlaufen alle Produkte während der Fertigung verschiedene Erwärmungs- und Abkühlungsphasen sowie Formungs- und Ziehprozesse.
Einer der ersten Schritte auf dem Weg zur Zertifizierung war eine Bestandsaufnahme der bestehenden Strukturen und Dokumentationsprozesse. Ein Vorteil ergab sich dabei aus der schon im Unternehmen vorhandenen Dokumentation des bestehenden Qualitätsmanagements nach ISO 9001. So existierten bereits entsprechende Management- und Dokumentationsstrukturen über Prozessabläufe, womit sich die Einbindung eines Energiemanagementsystems deutlich vereinfachte. Dennoch musste die Organisationsstruktur des Unternehmens an die neuen Anforderungen angepasst werden. Im nächsten Schritt wurden Energieeinsatz und -anwendung analysiert. Eine erste Ist-Aufnahme erfolgte bereits 2008 im Rahmen der Erstellung des Sächsischen Gewerbeenergiepasses, die jetzt vervollständigt wurde. Dazu mussten die bestehenden Messpunkte und die dazu gehörige Anlagentechnik dargestellt und ein Messplan aufgestellt werden.
Mit stationärer und mobiler Messtechnik wurden die Energieverbräuche und produktspezifische Energieleistungskennzahlen generiert. Gezielte Messungen an Heizungs- und Druckluftanlagen sowie produktspezifische Strommessungen an Ziehmaschinen und Produktionseinrichtungen wurden durchgeführt und ausgewertet.
Die spezifischen Druckluftkennzahlen wurden mittels Leistungsmessungen (Stromzangen) und parallel durchgeführten Luftvolumenstrommessungen (Ultraschall-Durchflussmessung) ermittelt. Mit den ermittelten Energieleistungskennzahlen konnten innerhalb des Projekts erste Optimierungsmaßnahmen an Heizung, Beleuchtung und Druckluftanlage umgesetzt werden. Zudem wurde ein Aktionsplan mit einer Zieldefinition in Abhängigkeit von den Kennzahlen aufgestellt.
Parallel zu den verschiedenen Messungen wurde die Managementsystemdokumentation erstellt. Diese musste unter Einbindung des bestehenden Qualitätsmanagementsystems angepasst werden. Daraus entstand unter anderem das Qualitäts- und Energiemanagementhandbuch.
Parallel wurden verschiedene Verantwortlichkeiten festgelegt. Das Energieteam aus Mitarbeitern verschiedener Abteilungen, wie Produktion, Werkzeugbau und Werkzeugentwicklung, wurden mit diversen Aufgaben betraut. Unter anderem galt es, ein internes Energiecontrolling zur Überwachung der Energiekennzahlen aufzubauen. Durch den eingeführten Schulungsplan werden auch andere Mitarbeiter entsprechend ihrer Fähigkeiten kontinuierlich im Bereich Energieeffizienz weitergebildet. Jeder Mitarbeiter wurde durch ein Mitarbeitergespräch für das Thema Energieeffizienz sensibilisiert.
Erste Unternehmenserfolge wurden schon im Laufe der Einführung des Energiemanagementsystems sichtbar. Dietmar Knobloch, Geschäftsführer der Profilstahl Delitzsch GmbH: „Mit diesen Maßnahmen konnten wir einen Kreisprozess von Energiecontrolling und Optimierung schaffen, um die Energieeffizienz kontinuierlich zu steigern. Wir rechnen mit einer jährlichen Energieeinsparung von 5 bis 10 %. Das Energiemanagementsystem wird sich außerdem auf das Qualitätsmanagement auswirken. Damit hat unser Unternehmen wichtige Werkzeuge in der Hand, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu optimieren.“ ■

Buchtipp

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Die Initiative Energieeffizienz der Deutschen Energie-Agentur (Dena) unterstützt Unternehmen aus Industrie und Gewerbe mit einem Handbuch und einem Webspecial bei der Einführung eines betrieblichen Energiemanagements, das nach DIN EN ISO 50001 zertifiziert werden kann.
Kleine und mittlere Unternehmen, denen häufig die notwendigen Ressourcen für die Einführung eines kompletten Energiemanagements fehlen, können mit Hilfe des „Handbuch für betriebliches Energiemanagement“ einzelne Bestandteile eines Energiemanagements einführen. Es lohnt sich für sie, zunächst über ein Energie-Controlling, Energieverbräuche und -kosten kontinuierlich zu erfassen. Bei der Planung und Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen können sie dann auf die Hilfe eines Energieberaters zurückgreifen. Für eine solche Beratung stellt die KfW Fördermittel im Rahmen ihres Programms „Energieberatung Mittelstand“ bereit. Das Energie-Controlling lässt sich bei Bedarf zu einem vollständigen Energiemanagementsystem ausbauen.
Das Handbuch kann zum Preis von 23,20 Euro bei der Dena bestellt werden.

Nachgefragt

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Herr Hehl, was mussten Sie konkret im Unternehmen verändern, um die Zertifizierung nach ISO 50001 zu erlangen?
Hehl: Die ISO 50001 legt mehr als andere ISO-Normen sehr viele Details fest, die es zu beachten gilt. So müssen zum Beispiel bei relevanten Anlagen der Energieverbrauch ermittelt und diverse Messungen durchgeführt werden, was häufig auch die Installation neuer Energiezähler bedeutet. Wir werden jetzt geplant, detailliert und fortlaufend messen, wo im energieintensiven Fertigungsprozess wie viel Energie eingesetzt beziehungsweise verbraucht wird. Die Auswertungen analysieren den jährlichen Verbrauch und decken versteckte Energiesparpotenziale auf. Daraus ergibt sich dann, an welchen Stellen wir effektiv sparen können. Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch die Sensibilisierung der Mitarbeiter und deren aktive Unterstützung. Denn manchmal genügen schon wenige kleine Maßnahmen, um Energie zu sparen.
Wie hat sich der Energieverbrauch bei Arburg über die vergangenen Jahre verändert? Durch welche Maßnahmen vor allem?
Hehl: In den vergangenen Jahren konnten wir unsere Energieeffizienz kontinuierlich steigern, zum Beispiel hat sich der Stromverbrauch in kWh pro Tonne produzierter Spritzgießmaschine sukzessive reduziert. Dies resultiert aus einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen und deren Zusammenwirken. Die Bereiche erstrecken sich von der Versorgungstechnik über die Produktion bis hin zur IT. Es sind alle Unternehmensbereiche involviert. In diesem Zusammenhang möchte ich auch unsere Aktivitäten im Bereich regenerativer Energien hervorheben. Im Jahr 2011 haben wir zum Beispiel 21 % der benötigten elektrischen Energie selbst erzeugt, davon 15 % mit unseren Blockheizkraftwerken, 5 % über Windenergie und 2 % über Photovoltaik. Eines unserer strategischen Ziele ist, diesen Sektor weiter auszubauen. Dazu gehört unter anderem die Erweiterung unserer Photovoltaik -Anlagen, deren installierte Leistung derzeit bei 840 kW Peak liegt.
Die Zertifizierung ist kein einmaliges Event, sondern verlangt nach ständigen Verbesserungen. Wie wollen Sie dies erreichen?
Hehl: Mit der Systematik kontinuierlicher Verbesserungen und regelmäßigen Audits sind wir durch die ISO 9001 und 14001 bereits vertraut. Im Hinblick auf die ISO 50001 und die Steigerung der Energieeffizienz erreichen wir durch die strategischen und kontinuierlichen Messungen und Auswertungen eine höhere Transparenz. Das heißt, dass wir nun genau messen können, wo wie viel Energie verbraucht wird und wo es Einsparpotenziale gibt. So können wir die geforderten jährlichen Verbesserungspotenziale ermitteln. ■
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