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Erschließung neuer Einsatzgebiete

Visualisierung von Oberflächen
Erschließung neuer Einsatzgebiete

„Wenn es um Produktinnovation geht, ist nichts so erfolgreich wie Versuch und Irrtum. Es scheint, als könne ein Unternehmen den besten Weg ins nächste Jahrhundert nur durch Visualisierung der Zukunft finden.“ Diese Worte stammen von Jeremyn Myerson, Gastprofessor für zeitgenössisches Design an der De Montfort University Leicester, Großbritannien. Es ist Ausdruck einer neuen Entwicklungsphilosophie, der Simulation der Zukunft, des amerikanischen Beratungsunternehmens für Industriedesign IDEO. Dies ist ein Akronym für Innovation, Design, Engineering und Organisation.

Prof. Dr.-Ing habil. Eberhard Heldt, Dipl.-Ing. Margit Arnold, Taylor Hobson GmbH, Wiesbaden

Die IDEO Produktentwicklung besteht aus fünf Phasen: Verstehen, Beobachten, Visualisieren, Bewerten und Umsetzen. In den ersten vier Phasen wird mit Risiko und Mißerfolg experimentiert, in der fünften Phase aber werden Risiken beseitigt, um eine erfolgreiche Produktumsetzung zu realisieren.
Der Sitz von Taylor Hobson Precision in Leicester, Großbritannien und das Wirken von Professor Myerson an der dortigen De Montfort University ist möglicher Weise ein Zufall. Kein Zufall ist, daß Taylor Hobson mit dem Begriff Visualisierung ein neues Kapitel in der Bewertung von Oberflächen aufgeschlagen hat.
Das 3D-Tastschnittgerät TALYSCAN in Verbindung mit dem Software-Paket TALYMAP erlaubt die Visualisierung von bestimmten Oberflächenmerkmalen dreidimensional.
DreidimensionaleOberflächenerfassung
In der Vergangenheit wurde die Gestalt technischer Oberflächen durch Oberflächentastschnittgeräte der TALYSURF-SERIE mit induktiver Meßgrößenaufnahme verwirklicht. Diese Tastschnittgeräte zur zweidimensionalen Bewertung der Oberfläche, mit den Möglichkeiten der Trennung von Formabweichung, Welligkeit und Rauheit sowie der Ermittlung der zugehörigen Oberflächenparameter auf der Grundlage der neuesten ISO-Normen, werden auch noch zu Beginn des neuen Jahrhunderts den Markt dominieren. Der Wunsch, die Oberflächen dreidimensional zu erfassen und zu bewerten, hat zur Entwicklung eines zusätzlichen Tisches zur Aufnahme paralleler Schnitte in y-Richtung und dem Software-Paket TALYMAP geführt.
Parallel dazu wurde ein völlig neuer Typ eines 3D-Tastschnittgerätes entwickelt (Abb. 1) und das ebenfalls die vielseitige TALY-MAP 3D-Software verwendet.
Dieses neuartige Meßprinzip hinsichtlich der Bewegung des Meßgrößenaufnehmers basiert auf dem bisher üblichen Meßprinzip, bei dem eine Tastnadel mit definiertem Radius, konstanter Meßkraft und konstanter Tastgeschwindigkeit die Oberfläche abtastet.
Das taktile Tastsystem wird mit großer Meßgeschwindigkeit in x-Richtung über die Oberfläche geführt. Synchron zur x-Richtung wird das Tastsystem schrittweise in y-Richtung verfahren.
Das führt zu einer meanderförmigen Abtastung der Oberflächen. Das Ergebnis ist eine Serie von Profilen, ermittelt mit großer Auflösung und Genauigkeit, die zusammengefaßt die gemessene Oberfläche dreidimensional darstellen.
Dieses Meßprinzip erlaubt wegen der hohen Abtastgeschwindigkeiten Oberflächen in wenigen Sekunden dreidimensional präzise zu scannen. Das Scannen einer Fläche von 1 mm x 1 mm dauert weniger als 120 Sekunden. Damit ergeben sich neben den klassischen Einsatzbereichen der metall- und kunststoffverarbeitenden Industrie völlig neue Anwendungsgebiete wie die Elektrotechnik/Elektronik, Mikromechanik und Optik.
Zwei grundlegende Trends zeichnen sich bei der Bewertung von 3D-Oberflächen ab. Logischerweise wird bei der ersten Entwicklungsrichtung versucht, die bewährten 2D-Parameter auf die Bewertung der dreidimensionalen Oberfläche anzuwenden.
Folgende Parameter werden auf der Grundlage langjähriger Forschungsarbeit von Professor Stout der University of Birmingham vorgeschlagen:
Senkrechtkenngrößen:
Quadratischer Mittenrauhwert SRqMittlere Rauheit SRzSchiefe SRskKurtosis SRku
Waagerechtkenngrößen:
Spitzendichte SRdsStrukturverhältnis SRtrStrukturrichtung SRtdMinimale Autokorrelationslänge SRal
Hybridkenngrößen:
Mittlere quadratische Neigung SR(qMittlere Spitzenkrümmung SRscRelative Rauhfläche SRdr
Funktionskenngrößen:
Traganteilindex SRbiMaterialfreier Kernzonenanteil SRciMaterialfreier Talzonenanteil SRvi
Diese 14 Parameter, abgeleitet aus den bekannten Parametern für die 2D-Bewertung der Oberflächenstruktur, werden bei Anwendung der TALYSCAN mit TALYMAP realisiert. Hier ist einmal zu bemerken, daß die „Lieblingskenngröße“ der meisten Konstrukteure zur Kennzeichnung der Oberflächenrauheit, der arithmetische Mittenrauhwert Ra, mit seinem geringem Informationsgehalt bezüglich des Funktionsverhaltens einer beliebigen Fläche, keine Berücksichtigung mehr gefunden hat. Zum anderen sind diese Kenngrößen mit allen Problemen der 2D-Oberflächenmeßtechnik wie Filterung, Meßpunktanzahl, Größe des zu bewertenden Oberflächenausschnittes usw. behaftet.
Definierte Kenngrößenermitteln
Das wird an dem nachfolgenden Beispiel deutlich. Abbildung 2 zeigt die Oberfläche einer keramischen Dichtung, wie sie in sehr großen Stückzahlen als Dichtring im Automobilbau, in der Hydraulikindustrie und in der Haushalt- und Sanitärtechnik eingesetzt wird. In diesem Zusammenhang soll auf die mathematischen Momente 3. und 4. Ordnung der Oberflächenfunktion Schiefe (Abb. 3) und Kurtosis (Abb. 4) verwiesen werden, die bei plateauartigen Oberflächen, wie bearbeitete Keramik, künftig an Bedeutung gewinnen werden. Diese sind in den neuesten Normen zur Oberflächenrauheit definiert und korrelieren meist gut mit dem Funktionsverhalten der bewerteten Oberfläche.
Die keramische Oberfläche zeigt außerdem, daß die definierten Kenngrößen am ungefilterten Primär-Profil (P-), am Welligkeitsprofil (W-) und am eigentlichen Rauheitsprofil (R-Profil) ermittelt werden können. Die Korrelation zwischen dem Fertigungsverfahren und dem technischen Funktionsverhalten (z.B. Verschleiß, Reibung), beschrieben durch eine 3D-bewertete Oberfläche, ist besser als die mit einer zweidimensionalen Bewertung.
Für diese genannten 3D-Oberflächenparameter gibt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine entsprechenden nationalen oder internationalen Normen. Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen. Einer liegt in der bisher unzureichenden Visualisierung von Oberflächenstrukturen in der Elektrotechnik/ Elektronik, Optik und Mikromechanik oder in der Medizin. Zur Kennzeichnung des Funktionsverhaltens technischer oder biologischer Oberflächen gibt es neben den bisher beschriebenen 3D-Parametern die Suche nach neuen Charakteristiken. Das hat zu einer zweiten Entwicklungsrichtung geführt, die dreidimensionalen Oberflächenstrukturen zu bewerten.
Abbildung 5 zeigt die Oberfläche eines integrierten Schaltkreises (IC), der Teil eines EPROM’s ist. Die allgemeine Struktur des IC kann durch Visualisierung mit der TALYSCAN sichtbar gemacht werden. Folgende Funktionen sind möglich: Drehen, Kippen, Zoomen, 3D-Gitterdarstellung mit Farbkodierung der Höhenlinien, Profilglättung, Fotosimulation, Form-Entfernung, Volumenberechnung, Volumen- und Abstandsmessung und selbstverständlich die Ermittlung von 2D- und 3D-Parametern für ebene Strukturen. Auf dem IC lassen sich die Spurbreiten von 2 bis 15 µm einfach messen und hinsichtlich einer Toleranzeinhaltung bewerten.
Taylor Hobson hat diese zweite Entwicklungsrichtung, durch Arbeiten von Dr. Paul Scott und ein eigenes 3D-Forum zu speziellen Meß- und Anwendungsproblemen wesentlich beeinflußt. Von verschiedenen Möglichkeiten dieser zweiten Entwicklungsrichtung seien drei, anhand von Beispielen, kurz erwähnt.
l Zur Visualisierung: Lasertexturierte Bleche lassen sich mit der Bewertung von sogenannten „Wasserscheiden“ und Erhebung bewerten, wobei es für diesen Funktionsfall hauptsächlich auf die geschlossenen Struktur der „Gruben“ ankommt. Dabei lassen sich auch solche Kennwerte wie das Volumen der Gruben oder Gräben in einer bestimmten Höhe oder der Durchmesser der Erhebung bestimmen (Abb. 6). Mit Hilfe dieser Visualisierung, künftig durch die Auswertung von optisch ausgewerteten Standbildern, ergeben sich neue Einsatzgebiete wie z.B. polierte, lackierte oder eloxierte Aluminiumoberflächen besser funktionell bewertet werden können.
l Eine zweite Möglichkeit zur Bewertung stellt die Wavelet-Analyse dar. Sie ermöglicht die Zerlegung und Zusammensetzung eines Signals in kleine Informationsabschnitte (lokale Signale/Frequenzen). Zusätzlich zum Frequenzinhalt eines Signals (Fourier-Analyse) gibt die Wavelet-Analyse die Position der einzelnen Frequenzen wieder. Damit ist zu erwarten, daß die Wavelet-Analyse einen hohen Stellenwert in der Oberflächenforschung und späteren technischen Anwendung einnehmen wird.
l Eine dritte Möglichkeit, den Zusammenhang einzelner Beziehungen der Oberfläche darzustellen ist mit der Konturlinien-Methode möglich, wie sie aus der Geographie/Kartographie auf die Bewertung technischer und biologischer Oberflächen übertragen werden kann.
Abbildung 7 zeigt einen Ausschnitt aus der menschlichen Haut. Die Methode der Kon-turlinien erlaubt es z.B. Zusammenhänge der Oberflächenstruktur zu erkennen und deren Volumen zu berechnen, die Richtung des Zusammenhanges und ihre Vertiefung auf der betrachteten Oberfläche zu bewerten. Die Möglichkeiten, die TALYMAP in diesem Zusammenhang verwirklicht, macht das Verfahren auch für die Kosmetikindustrie, z.B. Wirkung von Kosmetika auf die Verzögerungsprozesse des Alterns der Haut oder auch für die Veterinär- und Humanmedizin hinsichtlich von gewollten Hautveränderungen nach Operation oder ungewollten krankhaften Hautveränderungen von Interesse. Diese Prozesse lassen sich durch Messungen bewerten, wobei die derzeitigen Grenzen von 1 mm x 1 mm für die schnelle Bewertung von Oberflächen für viele Anwendungen einen hinreichenden repräsentativen Bereich darstellen.
CONTROL Halle 1 / F350
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