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Ganzer Erfolg mit halben Kugeln

Zeitersparnis beim Messen von Bohrungen und Bolzen
Ganzer Erfolg mit halben Kugeln

Das Problem, Bohrungen und Schweißbolzen an schwer zugänglichen, frei im Raum liegenden Stellen zu messen, kennt jeder QS-Mitarbeiter. Es ist ausgesprochen zeitraubend, nervenaufreibend und manchmal kaum möglich, diese Karosserieteile messtechnisch exakt zu erfassen.

Maren Vortisch, Witte Gerätebau, Bleckede

Nichts hält den Messprozess mehr auf als die Ermittlung der Lochbilder. Pro Karosse sind 100 bis 150 Löcher und Schweißbolzen zu messen. Liegen diese dann auch noch an schwer zugänglichen Stellen, wie z.B. Kanten, werden Geduld des Messtechnikers und Wendigkeit der Messmaschine auf eine harte Probe gestellt.
Die Zugänglichkeit für den Messtaster ist das große Problem, wobei vor allem das Messen von Stehbolzen in einer Schräge eine besondere Herausforderung darstellt. Der Bolzen muss, um überhaupt bestimmt werden zu können, mit Suchantastungen referenziert werden. Die umgebene Fläche wird dann mit vier und der Bolzen mit weiteren sechs Antastungen lokalisiert. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass die Mittelpunkte von Lochbildern Toleranzen aufweisen, deren Bestimmung ein weiteres Problem darstellt.
Um diesen messtechnischen Problemzonen zu Leibe zu rücken, Zeit zu sparen, den Hand- oder CNC-Messablauf zu beschleunigen und genauere Ergebnisse zu erzielen, wurde ein einfach ein- und aufsetzendes Messhilfsmittel entwickelt. Axel Schamal, Kontrolleur in der Messtechnik bei DaimlerChrysler in Sindelfingen, hatte den genialen Einfall, das Problem mit einer Halbkugel aus der Welt zu schaffen. Das Prinzip ist ganz einfach: die Unterseite der Halbkugel ist mit einem Stift versehen, der in die Lochbohrung eingeführt wird. Somit muss der Messtaster nicht mehr die Bohrung „aufspüren“, sondern lediglich die präzise gefertigte Kugel-oberfläche fünf mal antasten. Die kritischen Zonen, wie z.B. an Fahrertüren deren Spiegelbefestigungslöcher, Lochbilder an Befestigungshaltern und Scheibenwischerbefestigungen mit Gewindemuttern, sind schneller und besser zugänglich; und die Bohrung ist in null Komma nichts geortet. Bei DaimlerChrysler in Sindelfingen, wo C-, E- und S-Klasse gefertigt werden, sind die Kugeln schon längst nicht mehr wegzudenken; sie gehören dort mittlerweile in fast allen Messräumen zum Standard-Equipment. Und auch in den anderen Werken wie Bremen, Rastatt, Berlin und Alabama haben sich die Messhilfsmittel erfolgreich durchgesetzt. Die Idee von Axel Schamal wurde von dem Bleckeder Unternehmen Witte aufgenommen und weiterentwickelt. Witte blickt auf eine langjährige Zusammenarbeit mit dem Automobilproduzenten zurück und hat als Hersteller mehrerer Werkstückspannsysteme bereits zahlreiche Alufix Messvorrichtungen an DaimlerChrysler geliefert und erarbeitet ständig Neuerungen und Ergänzungen um die Möglichkeiten in der Qualitätssicherung zu verfeinern. „Die Erfindung von Axel Schamal passt perfekt in unsere Produktpalette und kann sehr gut ergänzend zu dem Alufix-System eingesetzt werden,“ erklärt Wolfgang Freese, Verkaufsleiter von Witte Bleckede.
Messen an schwierigen Stellen
Inzwischen gibt es eine umfangreiche Palette an Messhilfsadaptern, die auf den Namen „Fixinspect“ getauft wurden. Die präzise gefertigten Aluminium-Halbkugeln werden an der geraden Fläche mit austauschbaren Fixierstiften versehen, die dem jeweiligen Lochdurchmesser entsprechen. Diese Stifte sind mit der halbkugelförmigen Schale verschraubbar; somit kann eine einzelne Halbkugel mit einer Vielzahl unterschiedlicher austauschbarer Dorne eingesetzt werden. Die Adapter stehen in unterschiedlichen Ausführungen zur Verfügung, so dass jegliche Varianten – Bohrungen, Quadratlöcher, Bolzen und Innengewinde – gemessen werden können. Der Fixierstift wird senkrecht in das Zentrum eingeführt bzw. der Messhilfsadapter auf den Bolzen gesteckt. Da die Halbkugeln an den abgesetzten Auflageflächen mit drei Magneten bestückt sind, werden die Adapter selbstzentrierend auf dem Blech gehalten und liegen absolut sauber und plan auf. Somit sind auch Messungen an schwierigen Stellen wie beispielsweise dem Bodenblech einer Pkw-Karosserie problemlos möglich, denn der Adapter kann mit dem Dorn von unten in die Bohrung eingeführt werden und wird ohne weitere Hilfsmittel aufgrund der Magnete sicher fixiert. Durch Antastungen der Kugeloberfläche wird die Position der Bohrung bzw. der Bolzen genau bestimmt.
Während auf herkömmlichem Wege zum Bestimmen einer Bohrung acht Antastungen ohne Referenzierungen erforderlich sind, werden durch Einsatz der Kugel drei Messpunkte eingespart. Fast willkürlich wird die Kugel an fünf Stellen (einmal am Pol und viermal an den Seiten) je nach Kugelausführung angetastet. Diese Kugelpositionen sind für den Messtaster einfacher zu finden, die Verfahrwege sind kürzer und somit geht der gesamte Messprozess innerhalb kürzester Zeit vonstatten. Beim Messen von Gewinde- und Schweißbolzen kommen die Vorteile der Kugeln aber erst richtig zum Tragen. In diesem Fall werden Messhilfsadapter anstelle eines Stiftes mit Fixierbuchse und Magnetring bzw. Durchgangsgewinde aufgesetzt. Die Kugel mit passendem Innengewinde oder Buchse wird einfach über den Bolzen gestülpt und schon kann mit nur fünf Antastungen die Position des Bolzens ermittelt werden. „Ohne Kugeln wären mit einer Handmessung mindestens zehn Antastungen mit zeitraubenden Tasterschwenks des Messtasters erforderlich“ gibt Axel Schamal zu bedenken.
Somit wird bei Bolzenmessungen mit Kugeln in der Schräge leicht eine Zeitersparnis von 60 bis 70 Prozent in einem definierten CNC-Messablauf erreicht. Beim Messen an problematischen Stellen kann die Messkugel am Messtaster leicht abrutschen, so dass nicht immer der höchste Punkt angefahren wird. Das kann leicht zu ungenauen Messergebnissen führen. Diese Problematik wird durch das Überstülpen einer Kugel mit einer sauber anliegenden Fläche verhindert. Auch ein Schweißgrat oder Schweißpunkt wird von den Kugeln locker übergangen, denn durch die abgesetzte Dreipunkt-Magnetauflage der Adapter werden die Unebenheiten überbrückt und die Kugel liegt trotzdem in Ideallage auf dem Blech.
Das Fixinspect-Programm ist gut durchdacht und hält für fast alle Eventualitäten die passende Lösung parat. So sind nicht nur Fixierstifte in 0,1 mm Abstufungen von 2,0 bis 15,9 mm erhältlich, sondern auch Halbkugeln mit unterschiedlichen Durchmessern. Da aber nicht alle Problemzonen, zum Beispiel die Nähe eines Loches an einer Abkantung, genügend Platz für die Kugelflächen bieten, wurden Adapter in unterschiedlichen Abwandlungen kreiert: einseitig abgeflacht, zweiseitig abgeflacht, ballig-zylindrisch, parallel abgeflacht, 90° abgeflacht, mit Fixiereinsatzbuchse, mit Durchgangsgewinde, mit Magnet oder ohne Magnet – und für verdeckte Messungen gibt es eine Halbkugel mit schraubbarer Greifhilfe.
Auch Lochbilder in NE-Metallen und Kunststoffteilen können mit einer Fixierschraube und verschiedenen dafür vorgesehenen Adaptern gemessen werden. Mit dem Fixinspect-Set – bestehend aus 198 Teilen – können fast alle, selbst unmöglich erscheinende Bohrungen und Bolzen gemessen werden.
Software für Messplan
Zu den Aufgaben von Axel Schamal gehört die maschinenferne Programmerstellung. Dabei legt er besonderen Wert darauf, kritische Messpunkte einfach, sicher und schnell zu programmieren. Bei der vorbereitenden Programmierung bestimmter Teile bedient er sich der Bibliothek Fixmes, die alle Standardkomponenten des modularen Baukastensystems Alufix zur Werkstückfixierung enthält. In kurzer Zeit erstellt er damit virtuell einen Alufix-Rahmen auf dem z.B. eine Fahrertür gehalten wird. Auf dem Bildschirm sind die Anlageflächen der Tür und die verschiedenen zu messenden Lochbilder zu sehen. Hierauf platziert er per Mausklick die passenden Fixinspect-Adapter. Anschließend erfolgt die virtuelle Programmerstellung, wobei die positionierte Kugel fünf mal angetastet wird. Dabei dient die Kugeloberfläche, deren Daten nur einmal erfasst und dann für alle weiteren Programmierschritte gespiegelt oder kopiert verwendet werden können, als Bezugspunkt für den Bohrungsmittelpunkt. Der wesentliche Vorteil von Fixinspect ist die Genauigkeit der Kugeln, die mit einer Toleranz von 0,02 mm gefertigt werden. Die mit dem Programm arbeitenden Messtechniker erhalten dann einen übersichtlichen Adapter-Plan über Position, Art und Anzahl der einzusetzenden Messhilfsadapter. Für jeden speziellen Bereich des Fahrzeugs wird bei DaimlerChrysler in Sindelfingen ein bestimmtes Adaptersortiment zusammengestellt. Da bei CNC-Messungen der Karosserien keine der zu ermittelnden Bohrungen und Bolzen unbedeckt bleibt, bedient man sich eines Hilfsmittels für die Hilfsmittel: „Wir haben uns spezielle Tableaus angefertigt“, so Axel Schamal, „auf denen jeder einzelne Adapter mit einer Beschriftung versehen ist, welche die genaue Position auf dem Bauteil angibt.“ Auf diese Weise sind bei der Stichprobenmessung die Adapter blitzschnell an Ort und Stelle und die Gefahr einzelne Adapter zu vergessen, ist ausgeschlossen. Da die Aluminium-Halbkugeln neuerdings rot eloxiert werden, wird im Gegenzug auch die Möglichkeit ausgeschlossen, dass einzelne Adapter auf den silber-farbenen Rohkarossen nach dem Messvorgang übersehen werden. Bei Verwendung der Fixinspect-Adapter kann sich eine Bauteilbohrung problemlos bis zu +/- 5 mm außerhalb der Sollposition befinden ohne dass es durch Kollision zu einer Unterbrechung eines CNC-Messvorganges kommt.
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