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Gigabit-Ethernet

Schnittstellen-Revolution für die Bildverarbeitung
Gigabit-Ethernet

Hinter dem Kürzel „GigE Vision“ verbirgt sich „Gigabit-Ethernet for Machine Vision“. Dieser kommende neue Schnittstellen-Standard für die industrielle Bildverarbeitung kann im Zusammenspiel mit dem verallgemeinerten generischen Software Interface GenICam (Generic Interface for Cameras) der Branche schon bald interessante neue Impulse geben.

Rupert Stelz, Mitglied des GigE Vision Technical Committees und Senior-Entwickler, STEMMER IMAGING GmbH, Puchheim bei München

Wie gelangt ein Kamera-Bild in den auswertenden PC? Auf diese scheinbar einfache Frage gibt es in der industriellen Bildverarbeitung mittlerweile eine Vielzahl möglicher und sehr kontrovers diskutierter Antworten. Es fallen Begriffe wie „CameraLink“, „IEEE 1394“, auch „FireWire“ genannt, in den Versionen FireWire A und FireWire B, sowie „USB“, „USB 2“, „Gigabit-Ethernet“ oder „10 Gigabit-Ethernet“. Neben diesen Standard-Übertragungsmöglichkeiten, die meist aus dem PC-Consumer-Markt stammen, gibt es zudem noch viele weitere, proprietäre Wege. Für den Anwender ist es aufgrund des umfangreichen Angebots am Markt daher nicht einfach, bei der Planung eines neuen Bildverarbeitungs-Systems diejenigen Komponenten auszuwählen, die seine Aufgabe zum optimalen Preis am besten lösen.
Im Rennen um die bevorzugte Schnittstelle geht nun bald ein neuer Standard an den Start, der über enormes Potenzial verfügt: Gigabit-Ethernet for Machine Vision oder kurz „GigE Vision“. Der Standard verfolgt zum einen das Ziel, ein einheitliches Protokoll auf Basis von UDP/IP zu definieren, über das GigE Vision-kompatible Bildverarbeitungs-Produkte mit einem Host kommunizieren können. Zum anderen soll mit GenICam, auf das der Standard verweist, eine allgemein gültige Software-Schnittstelle geschaffen werden, die es den Geräten erlaubt, ihre Funktionen einer generischen Software mittels eines standardisierten XML Files mitzuteilen. Die Kombination von einheitlichem Protokoll und XML-Definition ermöglicht es dann, eine geräteunabhängige Software von einem beliebigen Anbieter für solche Geräte zu verwenden. Die eingesetzte Bildverarbeitungs-Hardware wird somit leichter austauschbar.
Enorme Vorteile für den Anwender
Für den Anwender ergeben sich aus dieser neuen Technik eine ganze Reihe von Vorteilen. Das wesentlichste Argument wurde bereits angesprochen: Die eingesetzte Hardware wird durch den kommenden Standard leichter austauschbar. Dies verspricht kürzere Designzyklen, geringere Entwicklungskosten und birgt somit breitere Marktchancen.
Des weiteren bietet GigE Vision viel mehr als Schnittstellen wie FireWire/IEEE1394 oder gar USB 2.0 die Vorteile eines industriellen Standards, der laufend weiterentwickelt wird und in Zukunft auch als 10 GigE verfügbar sein wird. Durch die Nutzung der Massenmarkt-Technologie Ethernet als Basis von GigE Vision wird die Bildverarbeitung daher von günstigeren Komponenten profitieren. Außerdem ist bereits eine breite Palette an industrietauglichen Konnektoren und Kabeln sowie Komponenten wie Router, Switches etc. in IPxx–Varianten für diese Technologie erhältlich, die den Einsatz im rauen industriellen Umfeld ermöglichen.
Hinzu kommt, dass mit Gigabit-Ethernet, anders als bei FastEthernet, erstmals die Bandbreite von „normalen“ Netzwerk-Verbindungen ausreichend ist, um die hohen Ansprüche an Bandbreite von vielen Bildverarbeitungs-Applikationen zu befriedigen. Mit einer geplanten Datenrate von rund 100 MByte/s deckt GigE Vision den größten Teil gängiger Bildverarbeitungs-Applikationen ab.
Weitere Vorteile für den Anwender sind, dass beliebig viele Geräte an einem Host betrieben werden können, dass die Möglichkeit zur Fernwartung erschlossen wird und dass ein Distributed Computing / Verteiltes Rechnen wesentlich einfacher realisierbar wird.
Darüber hinaus lässt Gigabit-Ethernet deutlich höhere Kabellängen zu, die zudem aufgrund der weiten Verbreitung billig und selbst in Schleppketten- und Roboter-tauglichen Ausführungen erhältlich sind. Nach der Spezifikation sind bis zu 100 Meter möglich, was mit anderen Technologien bisher nur mit großem Aufwand , d.h. durch den Einsatz von Repeatern bei CameraLink, von Hubs bei IEEE 1394 oder gar den Wechsel auf ein anderes Medium wie Glasfaser oder Coax-Kabel, möglich war. Für noch größere Distanzen kann auch Glasfaser zum Einsatz kommen. In Sachen Datentransport ist das aber noch lange nicht alles: Bei der Protokolldefinition von GigE Vision spielt das darunter liegende Transportmedium in erster Näherung keine Rolle. Somit steht z.B. auch dem Einsatz von 10 GBit-Ethernet in Zukunft nichts im Wege, wenn diese Technik erst einmal erschwinglich und / oder der Einsatz von 10 GigE Vision über Kupferleitungen möglich ist.
All diese Vorzüge sprechen dafür, dass GigE Vision schon bald eine sinnvolle, leistungsfähige Rolle in der industriellen Bildverarbeitung spielen kann. Die Unterstützung von Seiten der großen Lieferanten ist dafür jedenfalls gegeben: Das Standardisierungs-Gremium von GigE Vision ist der AIA (Automated Imaging Association) zugeordnet und wird somit von vielen weltweit führenden Herstellern der Bildverarbeitungs-Branche getragen. Dazu zählen u.a. Firmen wie Basler Vision Technologies, DALSA Coreco, DALSA, JAI, JAI PULNiX, Matrox, National Instruments, Photonfocus, Pleora Technologies und STEMMER IMAGING.
Ganz neue Ansätze in punkto Software
Dass die Industrie versucht, GigE Vision als eigenen Standard zu definieren, macht nach vorangegangenen Erfahrungen Sinn: Zweck eines Standards ist es ja, die Integration von Hardware-Komponenten zu vereinfachen bzw. die Austauschbarkeit von Komponenten zu garantieren sowie Kosten und Zeit für die Integration zu minimieren. Bei der Entwicklung von CameraLink ist man hierbei einen ersten Schritt gegangen und hat das Hardware-Interface zwischen Kamera und Host definiert. Der Software-Part kam dort allerdings etwas zu kurz, da man sich auf die Definition einer seriellen Kommunikation beschränkt, aber die Funktionalität der Kamera gänzlich außen vor gelassen hat. Der Ansatz bei IEEE1394/FireWire war da deutlich weit reichender, da man die Funktionalität der Kamera in einem mehr oder weniger starren Registerlayout vorgeschrieben hat. Als problematisch hat sich dort allerdings genau diese wenig flexible Struktur des Registerlayout erwiesen. Fatal war jedoch die Tatsache, dass keine Referenzimplementierung vorhanden war, was dazu führte, dass heute im Prinzip jeder Hersteller von FireWire-Produkten sein eigenes SDK mitliefert. Aus Kundensicht sind verschiedene IEEE1394-Hardware-Produkte somit nicht mehr einfach austauschbar. GigE Vision und GenICam verfolgen hier einen ganz neuen Ansatz, der das Ziel hat, die Funktionalität der Kameras nicht festzuschreiben. Vielmehr soll der Standard eine flexible Beschreibung der Kamera-Features liefern, die eine generische Software anschließend nutzen kann. (siehe Bild GenICam)
Wie funktioniert das nun im Detail?
Für die Beschreibung von Kamera-Merkmalen wird ein XML-File verwendet, das letztendlich eine Register-Map beschreibt. In dieser Datei legen die Hersteller die Eigenschaften ihrer Produkte in einem im Standard beschriebenen Format ab und erläutern, wie bzw. wo diese angesprochen werden können. Damit kann z.B. ein Register, das den Gain einer Kamera kontrolliert, an beliebiger Stelle in der Register-Map der Kamera liegen. Mittels des XML-Files ist es der Software dann möglich, diesen Gain zu verstellen.
Mit Hilfe einer generischen Software ist es dann ein Leichtes, beliebige Funktionen in der Kamera anzusprechen oder auf Parameter zu zugreifen. GenICam ist also dafür verantwortlich, zum einen das Layout des XML-Files zu definieren und zum anderen eine Referenzimplementierung zur Verfügung zu stellen, die in der Lage ist, die Kamera zu steuern und Daten von ihr auf zunehmen. In mehreren Ausbaustufen soll GenICam außerdem die Kommunikationsschicht zur Kamera abstrahieren und damit auch für FireWire- oder CameraLink-Kameras verfügbar sein.
Dafür werden die Mechanismen, die für die Kommunikation mit der Kamera notwendig sind, abstrahiert und in einer speziellen Kommunikationsschicht, dem Transport-Layer, gekapselt. Durch den Austausch dieser Schicht ist dann möglich, nicht nur mit GigE Vision-Komponenten zu kommunizieren, sondern auch mit IEEE 1394 oder anderen Register-basierten Geräten. In einem weiteren Schritt wird dann die Funktionalität in sofern erweitert, dass nicht nur der reine Registerzugriff unterstützt wird, sondern auch der Austausch von String-Tokens, was dann den Einsatz von GenICam auch für CameraLink ermöglichen wird. (siehe Bild „Blockdiagramm mit Transport-Layer“!)
Letzte Schritte bis zum Standard
Am GigE Vision-Standard wird seit mittlerweile knapp zwei Jahren gearbeitet. Inzwischen wurde die Spezifikation, in der das Protokoll beschrieben wird, Punkt für Punkt überarbeitet. Sobald diese Änderungen endgültig in die Spezifikation eingeflossen sind, werden die beteiligten Kamera-Hersteller erste Prototypen entwickeln und testen. Parallel dazu entwickeln verschiedene Firmen bereits Prototypen. Parallel hierzu wird mit Hochdruck am GenICam-Standard gearbeitet. Man kann davon ausgehen, dass diese Ansätze auf der Vision in Stuttgart im November dieses Jahres zu sehen sein werden.
Verschiedene Hersteller bieten ja bereits heute „Standard-GigE-Kameras“ an. Diese Bezeichnung bezieht sich jedoch eher auf den Einsatz von Ethernet-Technologie. Solange der GigE Vision-Standard nicht endgültig verabschiedet ist, kann das Gütesiegel „GigE Vision Compatible“ natürlich niemand tatsächlich für sich und seine Produkte in Anspruch nehmen. Die Anpassung eines bestehenden, Register-basierten Kamera-Designs an einen sehr wahrscheinlich noch in diesem Jahr verabschiedeten Standard sollte jedoch nicht sehr schwierig sein, so dass man bereits kurz nach Finalisierung von GigE Vision mit ersten Standard-konformen Komponenten rechnen kann.
Stemmer Imaging, Puchheim
QE 532
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