Der Klimawandel ist in der Normenwelt angekommen. In einer Pressemeldung weist das Beratungsunternehmen UDS darauf hin, dass der DIN-Normenausschuss Qualitätsmanagement, Statistik und Zertifizierungsgrundlagen (NQSZ) mit einem neuen Entwurf zur ISO 9001 die Bedeutung klimatischer Veränderungen für die strategische Unternehmensführung hervorgehoben habe. Die Norm fordere von Unternehmen im Rahmen der Zertifizierung den Nachweis, dass entsprechende Wechselwirkungen mit Qualitätsmanagementsystemen analysiert und systematisch in Entscheidungsfindungsprozesse einbezogen werden. „Unternehmen müssen aktiv prüfen, inwieweit ihr Handeln den Klimawandel beeinflusst oder umgekehrt der Klimawandel Auswirkungen auf sie hat“, heißt es in der Mitteilung.
Der Hintergrund: Bereits im Februar hat die ISO sowohl für die Harmonized Structure (HS) als auch für die darauf basierenden Managementsystemnormen wie zum Beispiel ISO 9001 und ISO 14001 wichtige Ergänzungen beschlossen. Die Ergänzungen bezüglich des Klimawandels finden sich in Kapitel 4 der HS. Dort heißt es zum einen: „Organisationen sollen in Zukunft festlegen, inwiefern der Klimawandel für sie ein relevanter Faktor ist.“ Konkret bedeutet das laut der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ): Wenn eine Organisation den Klimawandel als für sie relevant betrachtet, muss sie diesen Einfluss künftig explizit in ihr Managementsystem aufnehmen. Außerdem sollen Organisationen von nun an die Anforderungen interessierter Parteien im Hinblick auf den Klimawandel berücksichtigen.
Diese Anforderungen wurden nun in die ISO 9001 aufgenommen. Doch sie sind nicht komplett neu. Schließlich haben die Normen schon vorher gefordert, dass sämtliche Themen, die ein Managementsystem beeinflussen, von der Organisation berücksichtigt werden. Und dies hat auch Aspekte zur Nachhaltigkeit eingeschlossen. Der Klimawandel wird nun jedoch explizit genannt. „Alle Organisationen sind ab sofort mit entsprechenden Managementsystemen gefordert, die entsprechenden Aspekte zu ermitteln und das Ergebnis der Relevanzbewertung nachweisen zu können“, wird Thomas Votsmeier, Leitung Normung bei der DGQ, auf der DGQ-Website zitiert.
Auswirkungen
unterscheiden sich
Durch die Änderungen in den ISO-Normen soll eine grundlegende Sensibilisierung für das Thema vorangetrieben werden. Und dieses kann sehr vielfältig sein. Es sei wichtig zu erkennen, dass der Klimawandel unterschiedliche Auswirkungen auf die verschiedenen Komponenten eines Managementsystems haben kann, schreibt das Zertifizierungsunternehmen Dekra in einem Paper. „Beispielsweise kann sein Einfluss auf ein Qualitätsmanagementsystem ganz anders ausfallen als auf ein Gesundheits- und Sicherheitsmanagementsystem.“ Hinzu kommt, dass Organisationen natürlich auch unterschiedlich vom Klimawandel betroffen sind – abhängig beispielsweise von Branche und geografischer Lage der Standorte.
Die Auswirkungen können dabei die Organisationen an ganz verschiedenen Stellen treffen. Die Dekra listet einige davon auf und unterteilt diese in unterschiedliche Kategorien:
- Physische Risiken: Dazu zählen zum Beispiel Unterbrechungen in der Produktion durch Extremwetterereignisse, Herausforderungen in der Qualitätssicherung bei temperaturempfindlichen Materialien durch starke Temperaturanstiege oder Wasserknappheit in Dürreperioden.
- Übergangsrisiken: Dies können etwa Anpassungskosten für neue Umweltauflagen und Emissionsvorschriften sein oder eine negative Wahrnehmung in der Öffentlichkeit bei Nichterfüllung von Umweltstandards.
- Lieferkettenrisiken: Dazu gehören unter anderem Produktionsverzögerungen und Engpässe aufgrund von klimabedingten Störungen bei Lieferanten sowie unvorhersehbare Rohstoffpreise, welche die Kostenplanung erschweren.
- IT- und Informationssicherheitsrisiken: Darunter fallen zum Beispiel IT-Ausfälle durch physische Schäden, die zu Betriebsunterbrechungen oder den Verlust von geschäftskritischen Daten führen können.
Klimafaktoren auch in
die Risikobewertung
Die Dekra beschreibt auch, was Organisationen nun zu tun haben. So sollten sie sicherstellen, dass Klimafaktoren und -risiken in die Entwicklung und Aufrechterhaltung ihrer Managementsysteme integriert werden. „Der Klimawandel sollte zusammen mit anderen relevanten Themen in die Risikobewertung einbezogen werden.“ Für Organisationen mit mehreren Managementsystemen – wie etwa Qualitätsmanagement und Arbeitsschutzmanagement – sei es außerdem wichtig, dass der Klimawandel in jedem System berücksichtigt beziehungsweise übergreifend integriert wird.
Auf bereits bestehende Zertifikate – zum Beispiel nach ISO 9001 – haben die Ergänzungen zunächst keine Auswirkungen. „Da es sich ja nicht um komplett neue Anforderungen handelt, behalten bestehende Zertifikate ihre Gültigkeit“, erklärt UDS-Geschäftsführer Jörg Müller. Bereits zertifizierte Unternehmen müssten die Anforderungen jedoch zukünftig umsetzen und würden entsprechend geprüft. Eine Nichteinhaltung dieser Regelung werde automatisch zur Feststellung der Nichtkonformität führen. „Bei Neuzertifizierungen werden die angepassten Regelungen in die Audits einfließen“, so Müller.
Ergänzung der ISO 9001
Von der Erweiterung sind alle maßgeblichen Managementsystemnormen betroffen, die auf der Harmonized Structure aufbauen. Die Ergänzung zur ISO 9001 ist hier verfügbar:
Revision verzögert sich
Die Revision ISO 9001 verzögert sich voraussichtlich bis ins Jahr 2026. Ursprünglich war die Veröffentlichung der überarbeiteten Norm für Ende 2025 geplant. Ein erster Entwurf – der Committee Draft ISO 9001 (CD1) – war zur Bearbeitung an die Mitglieder der für die Revision zuständigen Arbeitsgruppe des ISO TC 176 gegeben worden. Im Rahmen des vergangenen ISO-Meetings im Juli in Detroit wurde beschlossen, dass ein zusätzlicher Entwurf erstellt werden müsse.