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Jaguar setzt auf Präzision

3D-Koordinatenvermessung in der Automobilindustrie
Jaguar setzt auf Präzision

In einem komplett neuen Fertigungsbereich, der 1998 für die Produktion des neuen Jaguar S-Type fertiggestellt wurde, ist auch die Qualitätssicherung mit modernen Meßräumen untergebracht. Hochgenaue Koordinatenmeßmaschinen sorgen für präzise Passungen bei den Karosserien.

Seit Ende der 30-Jahre werden in Castle Bromwich bei Birmingham Autos gebaut. Und zwar nicht irgendwelche, sondern „Traumautos“ der Marke Jaguar. Typenbezeichnungen wie SS100, XK120, MK VII Saloon ließen unsere Väter und Großväter schon ins Schwärmen geraten, E-Type und XJ-Serie sind heute begehrte Oldtimer und lassen Augen glänzen. Nach einigen Turbulenzen, Image- und Qualitätsproblemen wurde das Unternehmen 1989 von der Ford Motor Company übernommen. Nach erfolgreicher Umorganisation und Modernisierung von Fertigungstechnik und Qualitätssicherung wird die Tradition der Luxus- und Traumautos fortgesetzt. Ganz neu auf den Markt kommt gerade in diesen Tagen das neue S-Type Modell, für dessen Fertigung in Castle Bromwich eine brandneue und hochmoderne Produktionshalle gebaut wurde.

Hohe Präzision gefordert
Dieses Fahrzeug, so die Aussage der Qulitätsleute bei Jaguar, wird mit einer Präzision geprüft wie bisher kein anderes Vorgängermodell. Mit der Installation von zwei LK Koordinatenmeßmaschinen mit moderner und flexibler Meßsoftware kann so eine etwa 1000 Positionen umfassende Karosserievermessung sehr genau und zudem in der Hälfte der Zeit wie mit bisherigem Meßequipment durchgeführt werden. „Das Time-to-Market für neue Autos“, so sagt der Qualitätsleiter vom Werk Castle Bromwich, Phil Hall, „ist heute sehr viel kürzer und die Engineering-Anforderungen verändern sich wesentlich schneller. Deshalb ist es heute wesentlich kosteneffektiver, Prüfprogramme zu modifizieren, als die Meßanlagen zu verändern“.
Jaguarkunden sind auch sehr kritische Kunden. Kleinste Abweichungen bei Spaltmaßen und Karosseriepassungen und -profilen werden registriert und stören das optische Empfinden. Die Spaltmaße dürfen bei Jaguar maximal 4mm betragen, die Abweichung maximal 0,4mm auf eine Länge von 400mm. Um diese Werte zu gewährleisten, muß also sehr exakt gefertigt und gemessen werden. Die Genauigkeit im Volumen über das gesamte Fahrzeug soll innerhalb von einem Millimeter sein, das heißt, die Meßmaschine muß dann innerhalb eines zehntel Millimeters im gesamten Volumen arbeiten. Interne Untersuchungen haben hier ergeben, daß die Maschine innerhalb des gesamten Volumens mit einer Wiederholgenauigkeit von 8m arbeitet. “Dies ist für eine Auslegermaschine dieses Volumens, wie die hier verwendete HC-90, ein extrem guter Wert“ betont Peter Schick, Geschäftsführer von LK-Deutschland. Diese zwei CNC-gesteuerten Auslegermaschinen werden für Wiederholmessungen eingesetzt für ein Meßvolummen von jeweils 6300mm x 2500mm x 1600mm gegenüberliegend, so daß sich eine Meßraumbreite von 3m ergibt. Die Maschinen sind luftgelagert, die X-Achsen sind aus Granit und die Horizontal- und Vertikalachsen aus Keramik. Das heißt, die Maschinen sind temperaturbeständig, leicht und verfügen über eine hohe Steifigkeit. Mit dieser Ausstattung werden Geschwindigkeiten bis zu 50m/min und eine Beschleunigung von knapp 2000 mm/sek2 erreicht. Die gesamte Anlage arbeitet im m-Bereich wie eine Portalmeßmaschine. Phil Hall: „Wir vermessen vormontierte Gruppen, Vorderbau, Hinterbau, Bodengruppe, Karosserie ohne Türen und komplette Rohkarossen. Diese Komponenten werden aus der normalen Produktion ausgeschleust und als internes Audit vermessen“. Die 15m lange Gußplatte der Meßfläche war seitens Jaguar schon vorhanden, so daß die Führungen seitlich unten eingelegt wurden. Auf diese Weise ist die gesamte Anlage bodeneben, so daß die zu vermessenden Komponenten mit den Cubings auf die Plattte gefahren werden können.
Vom Prototyp zur Serie
Im zweiten Meßraum sind zwei hochgenaue und sehr schnelle LK Koordinatenmeßmaschinen vom Typ LY-90 installiert, ausgeführt als Doppelständer-Auslegermaschine, rollengeführt mit gehärteten Führungen. Die Maschine wurde bereits in der Prototyp-Phase der neuen S-Type-Reihe installiert und kontrolliert die Fahrzeugkomponenten und Rohkarosserien vom ersten Prototyp an. Jede einzelne Komponente des Fahrzeugs erhielt so sein individuelles Prüfungsprogramm. So umfaßt z.B. das Prüfprogramm für eine Rahmenbaugruppe ca. 150 Prüfpositionen. „Im Frühjahr 99, wenn die Serienfertigung des S-Type beginnt, wird die Auslastung der Maschine dramatisch ansteigen,“ so Phil Hall.
Hochwertige Werkstoffe garantieren die Genauigkeit
Ein wesentlicher Vorteil der CNC-gesteuerten Horizontal-Maschinen ist die Möglichkeit des 6-Seiten-Zuganges zu einem Werkstück in einer Aufspannung. Daraus resultiert ein sehr weitgespannter Bogen möglicher Anwendungen auch in anderen Bereichen als der Karosserievermessung, wie z.B. in der Luft- und Raumfahrt. Die Schienenmodelle der HC-90 können, abhängig von der gewünschten Art der Werkstückaufnahme, im Boden eingelassen oder ebenerdig installiert werden. Sie sind mit Faltenbalgabdeckungen in den X-Achsen-Führungen und Lagern ausgestattet. Alle Modelle haben als Vertikalführung eine kompakte Aluminium-Silicon-Keramik Säule. Sie besteht aus präzise geformten Hohlkörperelementen, die in Form und Geradheit m-genau gefertigt werden. Der thermische Ausdehnungskoeffizient dieser Keramiklegierung ist zwei mal besser als der von Stahl und mehr als vier mal besser als der von Aluminium. Darüber hinaus ist das Verhältnis Masse zu Steifigkeit jedem anderen Werkstoff überlegen, wobei die dynamische geometrische Stabilität gewährleistet bleibt. Die Z-Achsen Führung ist kinematisch optimiert zu einer leichten Vertikal-Säulen-Struktur, die lediglich in X-Y Richtung abgestützt wird. Durch diese spezielle Methode werden Spannungseinflüsse vollständig vermieden und eine fast perfekte geometrische Stabilität gewährleistet. Die Abstützung der Keramiksäule ist eine spannungsfrei geglühte Schweißkonstruktion aus Stahl. Das Z-Achsen Gehäuse ist eine sehr leichte hochentwickelte Konsruktion, die durch Finite-Elemente-berechnung entstanden ist. Abhängig vom Aufstellungsort kann das Gehäuse aus Stahl oder Invar hergestellt sein. Es beinhaltet ebenfalls das Gegengewichtssystem. Wie die Z-Achsen Führung ist auch die Y-Pinole als dünnwandiger Keramik-Hohlkörper ausgelegt. Sie weist einen ganz speziellen Längsschnitt auf, mit dem das variable Biegemoment kompensiert wird, das durch die veränderbare Pinolenposition entsteht. Die Pinole ist so kompensiert, daß der Renishaw PH10 MQ Meßkopf weitgehend integriert werden kann. Dadurch entsteht ein größerer Y-Weg.
Die HC-90 hat Luftlager in allen Achsen. Die Tragfläche der Lager hat ein spezielles Nutensystem, wodurch ein besonders günstiges Verhältnis von Steifigkeit und Luftverbrauch erreicht wird. Die Hauptlager sind fein justierbar, die Gegenlager gefedert ausgeführt. Durch diese Konzeption wird ein konstanter Luftfilm unter allen Bedingungen sichergestellt. Alle Lager sind selbstausrichtend.
Für die Bewegung werden durchgehend stufenlose Gleichstromantriebe verwendet, um so ein gleichmäßiges vektorielles Verfahren im Raum zu ermöglichen. Der Kraftfluß auf die bewegenden Elemente erfolgt durch robuste und vibrationsfreie Reibantriebe. Die Y- und Z- Achsen haben den bewährten Antrieb mit Reibrollen an selbstjustierenden Antriebsstangen. Die Y-Achse wird durch ein rostfreies Stahlband über Reibrollen angetrieben.
Bei den Maßstäben werden ausschließlich photo-reflektierende Linear-Maßstäbe verwendet. Sie werden direkt an die jeweilige Achsenführung montiert, um so ein thermisch stabiles, einheitliches Führungselement zu erzeugen.
Die Normalauflösung ist 1m, bei erhöhter Genauigkeitsanforderung 0,5m. Die HC-90 Maschinenreihe verbindet schnelle Vektor-Achsenbewegung mit hervorragenden Genauigkeiten. Die parametrische Software von LK zur Genauigkeitserhöhung wird an allen HC-90 Maschinen eingesetzt, um die systemimmanente thermische Stabilität noch zu verfeinern.
Schnittstellen zu den CAD-Daten
Ein entscheidender Aspekt für Jaguar, die Maschinen von LK einzusetzen, bestand in der Möglichkeit, die vorhandenen CAD-Daten für die Messungen mit zu verwenden. Grundsätzlich sind alle neuen LK Maschinen DMIS kompatibel. Die Maschinenfunktionen werden durch DMIS direkt gesteuert. Mit DMIS steht somit eine direkte Zwei-Wege-Kommunikation mit CAD-Systemen zur Verfügung. Für die CAD-Verbindung bei Jaguar sorgt jedoch die vor zwei Jahren von LK vorgestellte PC-basierte 3D-Meßsoftware CAMIO (Computer Aided Manufactoring for the Inspection of Objects). Das Programm kann aus allen gängigen CAD-Daten lauffähige und offline ausgetestete Meßprogramme für alle DMIS-kompatiblen Koordinatenmeßmaschinen generieren. Ein wesentlicher Grund für das erzielbare Zeitein-sparungspotential ist die Nutzung vorhandener CAD-Daten. CAMIO importiert gängige Datenformate wie IGES, VDA, STEP und SAT sowie CATIA-, CV- und Pro Engineer-Daten. Die eingelesenen Körper-, Oberflächen- oder Drahtmodelle sind dann Basis der wahlweise automatischen oder interaktiven Offline-Programmierung der zu messenden Geometrien. Die Meßfolge entsteht Schritt für Schritt, wobei jede abgeschlossene Meßoperation am CAD-Modell farblich abgesetzt und in einem separaten Fenster als lesbare DMIS-Programmzeile erscheint.
Die Eingabe von Toleranzen ist ebenso selbstverständlich wie grafische Manipulationen des Bauteils am Monitor, wie z.B. das Umschalten von Isometriedarstellung auf Draufsicht. Wenn z.B. nicht klar ist, ob die Prüfpunkte im Hinblick auf das Bauteil korrekt ausgerichtet sind, ersetzt eine Draufsicht die isometrische Ansicht. So kann der Weg des Tasters zu jedem Zeitpunkt der Programmerstellung überprüft werden. Mit CAMIO werden also vollständige Prüfroutinen systematisch offline erstellt. Die Koordinatenmeßmaschine wird also nicht durch Programmieren blockiert und kann ihrer eigentlichen Zweckbestimmung dienen.
Steht das Meßprogramm, kann der Anwender den Prüfablauf am CAD-Modell via virtuellem Tastkopf in Form einer realistisch anmutenden Computeranimation komplett simulieren, austesten und gegebenenfalls korrigieren. Ist alles in Ordnung, muß nur noch der „echte“ Prüfling lagerichtig plaziert, ausgerichtet und der Meßzyklus gestartet werden. Meßfortschritt und Prüfergebnisse visualisiert CAMIO in Echtzeit in separaten Fenstern.
Die Software erübrigt das sonst übliche zeitaufwendige wie auch kostspielige Programmieren und Einfahren auf der Koordinatenmeßmaschine komplett. Dies funktioniert auch mit allen Koordinatenmeßmaschinen anderer Hersteller, die das DMIS-Format unterstützen.
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