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Keine Rückrufpflichten bei unsicheren Produkten?

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Keine Rückrufpflichten bei unsicheren Produkten?

In drei neuen Entscheidungen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 01.08.2006, des Landgerichts Bielefeld vom 08.11.2005, OLG Hamm vom 16.05.2007 hat die Rechtsprechung scheinbar neue Regelungen für die Kostentragungspflicht bei Rückrufen aufgestellt. Seit Mitte der neunziger Jahre kam die Rechtsprechung nahezu einhellig zu dem Ergebnis, dass der Hersteller zum Rückruf verpflichtet ist. Neueren Urteilen nach haben die entscheidenden Gerichte jeweils angenommen, dass auch eine Warnung unter bestimmten Bedingungen ausreichen kann, um den Anforderungen des Herstellers an seine Verkehrssicherungspflicht zu binden; die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main bildet insoweit einen zentralen Anknüpfungspunkt. In diesem Fall hat der Hersteller von Röntgengeräten den Zulieferer der das Röntgengerät auf und ab bewegenden Federzüge in Regress genommen, nach dem er eine weltweite Umrüstaktion der Röntgengeräte durchführte. Diese Umrüstaktion scheint nötig geworden zu sein, nachdem drei Fälle bekannt wurden, bei denen die Federzüge das Gerät nicht am Herabfallen gehindert hatten.

Die entscheidende Frage in diesem Fall war jetzt, ob der Zulieferer die angefallenen Kosten ersetzen musste. Das Landgericht Frankfurt hat das abgelehnt, da hier eine Warnung ausreichend gewesen sei und im Übrigen der Endabnehmer durch die Gewährleistungsansprüche ausreichend geschützt sei.
Im Fall des OLG Hamm hat eine ähnliche Konstellation zu der Entscheidung geführt, dass eine kostenlose Nachrüstung, wie in diesem Fall geschehen, nicht zwingend notwendig ist, um seinen Verkehrssicherungspflichten zu genügen. Beide geschilderten Urteile, sowie das bereits zitierte Urteil des Landgerichts Bielefeld und ein weiteres des Landgerichts Arnsberg, haben in der juristischen Literatur eine heftige Diskussion darüber ausgelöst, ob hiermit insgesamt die Rückrufpflichten eines Unternehmens neu definiert worden seien und Unternehmen soweit als möglich auf ein Rückruf verzichten könnte. Die hier geführten Diskussionen sehen im Ansatz das Recht des Herstellers nicht. Die Rückrufpflicht eines Herstellers als letzte Möglichkeit einen Schaden beim Benutzer der Produkte zu vermeiden, ist an der Verhältnismäßigkeit der Mittel zumessen. Lässt sich die Gefahr auf zumutbarem Wege auch durch eine Warnung oder auch durch eine stille Umrüstaktion beseitigen, dann war auch schon vor den oben zitierten Entscheidungen eindeutig ein Rückruf nicht notwendig. Ist allerdings die Gefahr für Leib und Leben so konkret, dass weitere Schäden nur durch eine Rückrufaktion ausgeschlossen werden können, ist der Hersteller auch weiterhin verpflichtet, diese durchzuführen. Insofern ändert sich an diesen Grundkonstellationen auch nach den oben geschilderten Urteilen nichts.
Weitaus erheblicher aber weniger beachtet ist die Frage nach der Versicherbarkeit. Während Rückrufkosten auch von einer Rückrufkostenversicherung nur dann gedeckt werden, wenn dies aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung geschieht, der Hersteller also zurückruft, weil er dies aus gesetzlichen Erwägungen heraus muss, zahlt die Rückrufkostenversicherung freiwillige Rückrufe ohne eine solche gesetzliche Verpflichtung nicht. Mit den Entscheidungen des LG Frankfurt und des OLG Hamm läuft der Hersteller damit Gefahr, dass Rückruf und Austausch fehlerhafter Produkte von seiner Haftpflichtversicherung mangels Rechtspflicht nicht anerkannt werden und der Hersteller die Kosten eines durchgeführten Austauschs trotz Versicherung selbst tragen muss. Hier wird auch die zukünftige Entwicklung der Rechtsprechung und der Praxis der Versicherung abzuwarten sein, es bietet sich allerdings in jedem Fall an, vor Durchführung eines Rückrufes eine Abstimmung mit den Versicherungen zu finden – was im Übrigen auch vor den Urteilen immer ratsam gewesen ist.
Philipp Reusch
Reusch Rechtsanwälte
Saarbrücken
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