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Kennzahlensysteme reformieren

Balanced Scorecard
Kennzahlensysteme reformieren

„Wer nicht genau weiß, wohin sein Schiff segelt, kann es nicht steuern“. Information ist ein wichtiger Produktionsfaktor, wenn nicht sogar der wichtigste überhaupt. Dadurch wird für die Unternehmenskapitäne die richtige „Informationsauswahl, -aufbereitung und -bereitstellung“ immer notwendiger.

Dipl. Ing. (FH) Rainer Göppel, Leitung TMS

Managementaufgaben
Zu den elementaren Aufgaben im Management gehören die Analyse, Prognose, Diagnose und Therapie der Vorgänge und Ergebnisse im Unternehmen. Erforderlich sind dafür vorhandene Daten und Kennzahlen, abrufbar zur richtigen Zeit und in der richtigen Güte. Durchgängige Kennzahlensysteme schließen den Regelkreis von den Planungsaufgaben zu deren Umsetzung und Überprüfung bis hin zur Korrektur der Ausgangsannahmen. Management Reporting ist das Instrument der Rückmeldung und Berichterstattung und damit die Grundlage für Entscheidungen, Maßnahmen und Projekte.
Management Reporting
Verfolgt man die Entwicklung des Management Reportings, insbesondere Inhalte und Aufbereitung von inner- und außerbetrieblichen Vorgängen für die Entscheideretagen, so lässt sich in den letzten Jahren ein Wandel feststellen. Dominierte früher das traditionelle operative Reporting, bestehend aus meist vergangenheitsorientierten Zahlen der Finanzbuchhaltung, angereichert mit einigen Produktions- und Qualitätskennzahlen, so ist der Bedarf nach umfassenden und ausgewogenen Kennzahlensystemen anscheinend erwacht. Das zukünftige Management Reporting ist geprägt durch ein Mix aus vergangenheits-, gegenwarts- und zukunftsorientierten Indikatoren und Kennzahlen. Ein Reporting mit klarem Bezug zu den gesetzten Unternehmenszielen und den strategischen Maßnahmen. Als Hilfsmittel dienen dabei Kennzahlensysteme, welche nicht nur irgendwelche Zahlen und Daten in irgendeiner Form dargestellt weiterleiten, sondern die konsequent und logisch Top-Down entwickelt werden und damit sicherstellen, dass auch der wirklich benötigte Feed Back ermittelt und transparent wird.
Entwicklung eines Kennzahlensystems
Entscheidend bei der Entwicklung von Kennzahlensystemen sind vier Aspekte. Erstens sollte das Kennzahlensystem, ausgehend von den Visionen, Zielen und Strategien top-down und hierarchisch gegliedert strukturiert werden. Zweitens sollte es Indikatoren beinhalten, die Auskunft über den Gesamtwirkungsgrad des Unternehmens geben, also auch prozess- bzw. abteilungsübergeifend sind. Drittens sollte das System ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Spät- und Frühindikatoren besitzen.
Viertens sollten die Kennzahlen immer den Erfolg/Misserfolg des Unternehmens, des Bereichs, der Abteilung, des Prozesses eindeutig beschreiben.
Prof. Dr. Horváth bringt es mit seiner Definition auf einen Nenner. Ein Kennzahlensystem ist „…eine geordnete Gesamtheit von Kennzahlen, die zueinander in Beziehung stehen, wobei erst die Gesamtheit in der Lage ist, vollständig über die Sachverhalte zu informieren“.
Kennzahl ist nicht gleich Kennzahl
Der Nutzen einer Kennzahl ist abhängig von einer klaren Abgrenzung und einer sinnvollen Interpretationsfähigkeit. Ein einfaches Beispiel hierfür gibt eine Kennzahl, die sich fast in jedem Unternehmen wiederfindet und meist unter dem Begriff „Krankheitsrate“ bekannt ist. Diese Kennzahl wird zwar ermittelt und berichtet, hat aber höchst selten wirkliche Relevanz für konkrete Aktivitäten. Warum? Nun, einerseits zeigt diese „Krankheitsrate“ nur die Vergangenheit auf und erlaubt nicht frühzeitige und präventive Maßnahmen einzuleiten. Andererseits ist sie meist unscharf, da sie Arbeitsunfälle, private Sportunfälle, Grippekranke und „Blaumacher“ letztendlich in einen Topf wirft. Dessen bewusst, haben einige Unternehmen diese Kennzahl durch einen sogenannten Stressindex ersetzt. Dieser setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen wie die durchschnittliche Anzahl der Wochenarbeitsstunden, das Auftreten von stressbedingten Krankheiten (Magengeschwüre, Bluthochdruck), die Anzahl stressauslösender Ereignisse (Unternehmensergebnisse, negative Pressemitteilungen, Entlassungen) und weitere. Der Aufwand der Erfassung dieser Detaillierung ist geringer als vorschnell vermutet und man hat mit dieser Kennzahl einen Frühindikator, welcher nicht nur eine zukünftige Entwicklung des Krankenstandes vermuten lässt sondern auch ursächlich für die Motivation der Mitarbeiter, das Betriebsklima und die Fluktuation verantwortlich sein kann.
Ansatz aus den USA
Ein interessanter Ansatz aus den USA für die Gestaltung von Kennzahlensystemen macht in letzter Zeit die Unternehmen aufmerksam. Balanced Scorecard nennt er sich, wohinter sich ein Planungs-, Strategie- und Kommunikationswerkzeug verbirgt. Nach Aussage der „Geburtshelfer“ der Balanced Scorecard Prof. Robert Kaplan und David Norton „… füllt die Balanced Scorecard die Lücke, die in Managementsystemen klafft – der Mangel an systematischen Prozessen zur Durchführung und Rückkopplung der Unternehmensstrategie“.
Das Konzept dieser Balanced Scorecard berücksichtigt die Aspekte zur Entwicklung von ganzheitlichen Kennzahlensystemen (Top-Down-Entwicklung, Darstellung des Gesamtwirkungsgrades, Mix aus Spät- und Frühindikatoren, Beurteilung des Erfolgs/ Misserfolg) dabei bestens.
Balanced Scorecard
Mit Abstand betrachtet beinhaltet die Balanced Scorecard ein oder mehrere Übersichtcharts mit jeweils circa 15-20 Kennzahlen. Diese gruppieren sich in vier grundlegende Perspektiven, die in Abhängigkeit zueinander stehen. Eine finanzielle Perspektive, eine Kundenperspektive, eine Prozess- und Produktperspektive und eine Mitarbeiterperspektive (Lern- und Entwicklungsperspektive). Die Kausalität ist einfach nachvollziehbar und sicher nicht neu. Durch motivierte und qualifizierte Mitarbeiter werden die Prozess- und Produktergebnisse beeinflusst. Dies führt zu verbesserten Unternehmensimage und Kundenzufriedenheit mit direkter Auswirkung auf die finanzielle Performance des Unternehmens.
Der Kniff des Konzepts Balanced Scorecard liegt nicht in der pfiffigen Gestaltung eines neuen Charts sondern im Prozess der Erstellung und in der Möglichkeit, solche Balanced Scorecards in sinnvoller Weise über die Unternehmenshierarchien hinweg durchgängig zu konkretisieren. Wichtig dabei ist, dass der Bezug zur ursprünglichen strategischen Zielsetzung bleibt immer transparent und damit bewusst.
Entwicklung einer Balanced Scorecard
Der Prozess zur Entwicklung einer Balanced Scorecard beginnt mit einer Klausur des Top-Managements. Ausgehend von Visionen zur Unternehmensentwicklung werden die Unternehmensziele definiert und die erforderlichen Strategien ausgearbeitet. Einfluss auf die Strategien haben dabei die innerbetrieblichen Möglichkeiten, Stärken und Schwächen des Unternehmens sowie auch das außerbetriebliche Umfeld durch das Kunden- und Marktverhalten, durch technologische und gesetzgeberische Trends und Tendenzen. Dieser erste Schritt ist von Kommunikation und Argumentation bestimmt und dient der Abstimmung und dem Verständnis.
Der zweite Schritt ist durch systematisches Analysieren und Bewerten geprägt. Als Ergebnis werden für die festgelegten Strategien die zugehörigen Erfolgsfaktoren ermittelt. Erfolgsfaktoren, die fördernden oder hemmenden Einfluss auf die Umsetzung der Strategien und die Erreichung der Ziele haben.
Der dritte Schritt erfordert es, die gefundenen Erfolgsfaktoren durch die Festlegung der relevanten Erfolgsindikatoren und -sensoren messbar zu machen.
Im vierten Schritt dient die erarbeitete Scorecard mit den strategischen Zielsetzungen und den Erfolgsindikatoren (Spät- und Frühindikatoren) als Grundlage für Workshops auf Bereichs-, Abteilungs- und Prozessebene. Sichergestellt ist durch diese Vorgehensweise eine Durchgängigkeit des Kennzahlensystems, wie auch ein besseres Verständnis der Zielsetzungen und Maßnahmen für alle Unternehmensebenen.
Kennzahlensysteme – Ausblick
Die Ermittlung/Darstellung der Zusammenhänge von durchgeführten Maßnahmen und erreichten Ergebnissen gehören heute schon als fester Bestandteil zu modernen Modellen von Managementsystemen. Ein Vorreiter diesbezüglich stellt sich mit dem Managementmodell der EFQM vor. Im Modell der EFQM für Business Excellence sind die Kategorien den oben aufgeführten Perspektiven nach Kaplan/Norton sehr ähnlich. Die Rückmeldung an die hier sogenannten Befähiger-Kriterien soll durch die Nachweise bei den Ergebnis-Kriterien erfolgen. Der Regelkreis wird so geschlossen und die Lernmöglichkeiten des Unternehmens unterstützt. Nachgezogen zur Thematik Kennzahlen hat seit seiner offiziellen Veröffentlichung im Mai 99 der Entwurf zur ISO 9000: Revision 2000. Den Prozessen zur „Analyse, Messung und Verbesserung“ ist ein eigenes Hauptkapitel gewidmet. Fokus der neuen ISO sind die Kundenzufriedenheit, die Prozess- und Produktleistung.
Einige Unternehmen sind schon dabei und viele Unternehmen werden zukünftig sicherlich ihre vorhandenen Kennzahlensysteme reformieren. Die Eigenschaften dieser neuen Systeme sind dabei klar: Konzentration auf das Wesentliche bei guter Aufbereitung und Visualisierung von gut ausgewählten Kennzahlen und einer transparenten Durchgängigkeit im ganzen Unternehmen.
Seminar zu Kennzahlensystemen
Aufbau und Entwicklung von Kennzahlensystemen, Kennzahlensysteme nach der Balanced Scorecard, Auswahl und Definition von Kennzahlen, Beurteilung von Kennzahlen, Einführungsstrategien für Kennzahlensysteme.
Termin: 15.12.1999
Veranstalter: TMS, Ulm
Tel. 07 31 / 96 89 20
Weitere Informationen A QE 300
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