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Lichtschnitt

Fertigungsintegrierte Kontrolle von Löt- und Schweißstellen
Lichtschnitt

Automatisierte Prüf- und Kontrolleinrichtungen werden immer häufiger direkt in der Produktion eingesetzt, damit Produktionsfehler frühzeitig erkannt und daraus resultierende Folgefehler vermieden werden können. Wesentliches Ziel dieser Bemühungen ist es, eine möglichst gleichbleibende Produktqualität auf hohem Niveau zu erreichen.

Dipl.-Ing. M. Schwesig und Prof. Dr.-Ing. E. Sinemus, Universität Kassel Dr.-Ing. St. Görlich, Jenoptik GmbH, Jena; Doz. Dr.-Ing. habil. F. Schmidt, Techno Team Bildverarb. GmbH, Ilmenau;

Eine Einführung automatisierter Prüfsysteme ist besonders dort sinnvoll, wo bisher mit Sichtkontrollen gear-beitet wurde. Bei ausschließlich visueller 100 %-Kontrolle (ISO9001) und gleichzeitig ansteigenden Taktraten in der Produktion ist auch gut geschultes Personal überfordert. Ermüdungserscheinungen aufgrund mono-toner Tätigkeit, eine subjektive Beurteilung der Qualitätsmerkmale sowie unterschiedliche Tagesform des Personals lassen nicht erwarten, daß unter diesen Voraussetzungen insgesamt verläßliche Prüf-ergebnisse erzielt werden. Deshalb bestand die Aufgabe, ein zur visuellen Beurteilung äquivalentes, automatisiertes Kontrollverfahren für Löt- und Schweißstellen zu entwickeln.
Der Einsatz der digitalen Bildverarbeitung bildet die entscheidende Grundlage dafür, daß eine 100 %-Kontrolle bei gleichzeitiger objektiver Bewertung der Qualitätsmerkmale durchgeführt werden kann. Entscheidend ist die optimale Abstimmung von Prüfaufgabe, Verfahren und Bildverarbeitungskomponenten. Die Dimensionen der zu untersuchenden Teile und die oft beengten Platzverhältnisse in bereits installierten Fertigungsanlagen sind dabei zwei wichtige und besonders zu beachtende Kriterien. Es wurden spezielle Komponenten und daraus ein Verfahren zur berührungslosen, automatisierten Erfassung von 3D-Formdaten kleiner Objekte (Abmessungen 1 mm …1 cm) entwickelt.
Besonders gut kann es für matte und glänzende Materialoberflächen und -strukturen eingesetzt werden.
Verfahren
Das Prüfsystem besteht aus einem miniaturisierten Streifenprojektor, einer Digitalkamera und einem handelsüblichen Frame-Grabber. In Abb. 1 ist der prinzipielle Aufbau der Hardwarekomponenten dargestellt.
Das Prüfsystem (ohne BV-Rechner) hat einen Raumbedarf von ca. 220 mm x 60 mm x 420 mm. Das Verfahren wurde in der industriellen Fertigung von sicherheitsrelevanten Baugruppen erfolgreich getestet.
Optische 3D-Vermessungmit dem Lichtschnittverfahren
Zur optisch berührungslosen Erfassung der dreidimensionalen Form von Objekten wird eine spezielle Art der strukturierten Beleuchtung angewandt. Durch die Projektion einer Lichtlinie bzw. Lichtkante entsteht eine Lichtebene. Schneidet diese Lichtebene das zu untersuchende Objekt, so wird die Profillinie deformiert. Die Aufnahme der Profil-linie mit einer Kamera, unter einem definierten Winkel zur Lichtebene, führt zu einem Abbild der Oberflächenkontur. Aus dem 2-dimensionalen Linienverlauf im Bild wird – unter Anwendung der Position des Projektors – der Orientierung der Lichtebene sowie der Position und den Abbildungseigenschaften der Kamera, die 3D-Form des Objektes nach dem Triangulationsverfahren berechnet.
Detektionder Lichtschnitte
Das Hauptproblem bei der Bewertung von Löt- und Schweißstellen ist die Detektion der Profillinie im aufgenommenen Bild. Im Gegensatz zu diffus reflektierenden Oberflächen treten an Lötstellen überwiegend gerichtete Reflexionen auf. Dies führt dazu, daß von großen Teilen der Lötstelle nahezu kein Licht in die Kamera reflektiert wird. Damit erscheinen diese Stellen im Bild dunkel, während von einigen Punkten eine di-rekte Reflexion von der Lichtquelle in die Kamera erfolgt. Dadurch kommt es zu einer Übersteuerung im Bild, es entstehen Reflexstellen. Wenn die Lötstellenoberfläche als Spiegel für die Umgebung der Lötstelle wirkt, kann es außerdem zu sogenannten Sekundärreflexionen kommen. Dadurch entstehen im aufgenommenen Bild helle Stellen, die als Teil der Profillinie fehlinterpretiert werden können. Um dieses beschrie-bene Probleme zu lösen, wurden spezielle Algorithmen zur Bildaufnahme und Lichtschnitt-Detektion entwickelt.
Die Lichtschnitt-Detektion erfolgt in drei Schritten:
Dynamikanpassung: Vor der Bildaufnahme für die Lichtschnitt-Detektion wird eine individuelle Dynamikanpassung des BV-Systems an die jeweilige Lötstelle vorgenommen, um diese mit möglichst hohem Kontrast erfassen zu können.
Reflexstellen-Markierung: Reflexstellen auf der Lötstellenoberfläche werden ermittelt, markiert und von der weiteren Bearbeitung ausgeschlossen. Bei fehlerfreien Lötstellen sind die Reflexstellen klein im Vergleich zur gesamten Lötstelle, so daß sich die Anzahl der verfügbaren Meßdaten nicht signifikant verringert.
Profillinien-Segmentierung: Hierfür werden zwei Bildaufnahmen der Lötstelle be-nötigt. Auf die Lötstelle wird eine Lichtkante projiziert, die zwischen den beiden Aufnahmen verschoben wird. Das Differenzbild beider Aufnahmen enthält als einziges Merkmal die Profillinie des Lichtschnittes.
Bewertungsverfahren
Für die Bewertung der Lötstellen ist die Berechnung der 3D-Koordinaten erforderlich. Da jede Lötstelle mit mehreren Lichtschnitten abgetastet wird, ist es nötig, die große Menge an Meßdaten auf wenige, aussagekräftige Werte zu reduzieren.
Bei dem Bewertungsverfahren werden die Meßdaten jeder segmentierten Profillinie durch eine mathematische Funktion approximiert, die über einen Parametersatz an die Lötstellenform angepaßt wird. Anhand der ermittelten Parameter kann ausgewertet werden, ob der Profilverlauf innerhalb oder außerhalb eines vorgegebenen Toleranzbereiches liegt.
System-Komponenten
1. Miniaturisierter Streifenprojektor
Der von der Universität Gesamthochschule Kassel und der Jenoptik gemeinsam entwickelte Streifenprojektor „small LCP“ (Abmessungen 60 mm x 60 mm x 200 mm) verwendet zur Erzeugung der Linienmuster ein TN-LCD (twisted nematic, verdrillt nematisch).
Es sind 160 Linien einzeln ansteuerbar. Die Linien sind 63 µm breit und durch Zwischenräume von 5 µm getrennt. Wenn es die Geometrie des Meßobjektes erfordert, kann das Projektionsmuster elektronisch um 90° gedreht werden.
Die Abbildung erfolgt über ein 1:1-Objektiv, der Arbeitsabstand beträgt 115 mm. Dadurch ergibt sich ein ausgeleuchtetes Feld von 10,9 x 10,9 mm2. Somit ist es für Speziallötstellen und vom Volumen her ähnlichen Meßobjekten angepaßt. Unter Anwendung anderer Objektive lassen sich Objekte bis 40 mm x 40 mm ausleuchten. Als Lichtquelle wird eine Halogenlampe verwendet. Alternativ ist eine LED-Beleuchtung oder eine Kaltlichtquelle mit Faserbündel einsetzbar.
Der Projektor wird über eine RS232- Schnittstelle angesteuert und verfügt außerdem über eine parallele Schnittstelle, um ausgewählte Befehle schnell ausführen zu können.
Vordefinierte Projektionsmuster können vom internen EPROM abgerufen werden; individuell definierte Muster werden im Projektor-RAM gespeichert.
Im vorgestellten Prüfsystem wird der Projektor so angesteuert, daß eine Hell-Dunkel-Kante über das Prüfobjekt bewegt wird.
2. Miniaturisierte Kamera und Objektive
Die von Techno Team Bildverarbeitung entwickelte Familie miniaturisierter Digital-kameras (45 mm x 45 mm x 50 mm oder 60 mm x 55 mm) kann sehr flexibel an die Applikation angepaßt werden.
Das Sensorboard erlaubt den Einsatz verschiedener CCD-Matrizen (1/2“, 1/3“; s/w, Farbe). Durch angepaßte Leitungstreiber können auch größere Entfernungen (bis 20 m) zum Auswerterechner überbrückt werden. Digitalkameras vermeiden die bei der analogen Signalübertragung auftretenden Fehler (z.B. Rauscheinflüsse, Schwarzwertverlust).
Die Konzeption des Kamera-Interface gestattet die einfache Kopplung an einen PC oder eine angepaßte Rechnerbaugruppe mit Signalprozessor (z.B. AD 2106x).
Zusätzlich wurden miniaturisierte telezen-trische Objektive für unterschiedliche Anwendungen entwickelt.
Im Feldversuch erfolgreich
Das vorgestellte dreidimensionale optische Verfahren zur Beurteilung von Löt- und Schweißstellen wurde in einem Testeinsatz auf seine Funktionstüchtigkeit und -sicherheit hin untersucht.
Dazu sind in einem Feldversuch ca. 30 000 Lötstellen einer Airbag-Komponente (Abb. 4) untersucht und die protokollierten Prüfergebnisse mit den Ergebnissen einer visuellen Prüfung verglichen worden. Die Auswertung ergab, daß alle bei der visuellen Kontrolle als fehlerhaft bewerteten Lötstellen auch von der Bildverarbeitungsanlage so beurteilt, aber auch noch weitere Lötstellen als fehlerhaft erkannt wurden. Unter diesen Lötstellen befanden sich solche, die eindeutig fehlerhaft waren.
Bei einem Teil der zusätzlich bemängelten Lötstellen entsprach die Lötqualität zwar nicht den gestellten Anforderungen, sie wurden anschließend erneut visuell beurteilt und als noch akzeptabel eingestuft.
In praxisgerechter Betriebsumgebung sind Lötstellen (FI-Schutzschalter, Abb. 5a) und Schweißstellen (Sicherungsautomaten, Abb. 5b) an Baugruppen unter Einsatz eines Bildverarbeitungssystems beurteilt worden.
Auch hier konnte die Funktionstüchtigkeit und -sicherheit des Verfahrens und der Komponenten des Bildverarbeitungssystems bestätigt werden.
Zusammenfassung
Es wurde ein Verfahren zur Kontrolle von Löt- und Schweißstellen sowie die dafür erforderlichen Komponenten vorgestellt.
Die für den Anwendungsfall entwickelte Software gestattet eine verläßliche Gut-/ Schlechtaussage bei derartigen Verbindungsstellen. Gegenwärtig laufen Arbeiten zur Integration des Prüfsystems in den laufenden Produktionsprozeß.
Mit dem System ist auch die Formkontrolle anderer Produkte mit ähnlichen Abmessungen (1 mm bis 1 cm) möglich. Dazu muß die Auswertung der jeweiligen Geometrie angepaßt werden.
Das Vorhaben wurde vom BMBF unter dem Förderkennzeichen 16SV im Rahmen des Projektes 3D-Vision unterstützt.
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