Startseite » Allgemein »

Paradigmenwechsel

Neue Ansätze zum branchen- und supply chain- orientierten Quality Deployment.
Paradigmenwechsel

Was waren das noch für Zeiten, als Oswald Kowalski in der Ford-Fabrik sich die Produkte ansah, sie mit seinen Initialen abzeichnete und damit – so heißt es wenigstens – ganzen Generationen von Menschen rund um den Globus ein kurzes aber in allen Sprachen zu verstehendes Signal für Qualität schenkte.

Erster Paradigmenwechsel:

Von der Qualitätskontrolle zum Unternehmenssystem
Das okay ist geblieben, die Zeiten haben sich geändert. Und zwar – um genau zu sein spätestens im Jahre 1987, als die ISO 9000 ratifiziert wurde. Manch alter Hase erinnert sich noch daran: Die Automobilunternehmen litten in dieser Zeit schwer unter der Tatsache, dass japanische Hersteller sich plötzlich in der Lage zeigten, qualitativ hochwertige Autos zu vergleichsweise günstigen Preisen darzustellen. Analytiker fanden dann heraus, dass das Problem eigentlich nicht darin bestand, dass der amerikanische, europäische oder gar deutsche Qualitätsbegriff in sich zu teuer geworden wäre, sondern dass Problem und Lösung tatsächlich darin zu finden waren, dass bis zur Endkontrolle viel zu viel teurer Ausschuss produziert wurde. Dieser Fehler im System konnte solange unbemerkt bleiben, wie der produzierte Ausschuss noch kalkulatorisch ins Fahrzeug eingepreist werden konnte. Solange der Markt die Preise bezahlte, ging es eben. Durch das systemorientierte Vorpreschen der Japaner (man erinnere sich an Reizworte wie Kai-Zen, Poka-Yoke etc.) war diese Möglichkeit nicht mehr marktfähig. Es wurde im Preiskampf einfach zu teuer.
Und sehr schnell wurde der Erwerb eines Zertifikates in Branchen wie der Automobilindustrie zur Pflicht und Notwendigkeit. Der Grund: Weil diese Branchen ihre komplexen Produkte und Vertriebsstrukturen mit vergleichsweise niedriger Wertschöpfungstiefe herstellten und vertrieben, wurde ein System notwendig, das es trotz einer in Hersteller und Lieferanten fragmentierten Wertschöpfungskette erlaubte, ein wenigstens einigermaßen einheitliches Qualitätsniveaus systemisch sicherzustellen.
Allemal markierte die Qualitätsnorm im wesentlichen einen Paradigmenwechsel im Denken und Handeln der Qualitätsbewussten: Durch das Denken in Unternehmensabläufen und Systemen wurde Qualität nicht mehr nur gesichert, sondern zu einem Management-Gegenstand, den man mit Hilfe des damals aus 20 Elementen bestehenden Leitfadens der Norm modellieren konnte und damit den Forderungen der einzelnen Prozessbeteiligten nachkommen konnte:
Veränderte Forderungen der Gesellschaft in puncto
  • Verbraucherschutz
  • Änderung in der Produkthaftung
  • Umweltschutz (Umweltmanagementsystem)
Höhere Erwartungen der Kunden und Verbraucher:
  • Stärkere Markenorientierung
  • Fokus auf Service und Kundenbetreuung
  • Verlagerung der Verantwortung auf den Hersteller
Neue Herausforderungen für das Unternehmen bezüglich
  • wachsender Kostendruck
  • Verbesserung der Geschäftsprozesse
  • Orientierung an der Wertschöpfung
Die Überlegung, die dahinter stand: Wenn das System gut und die Prozesse robust sind, müssen auch die Produkte, die das System produziert und vertreibt gut oder besser sein.
Zweiter Paradigmenwechsel:
Vom Wirtschafts- zum Politstar
Parallel zu diesem wirtschaftlichen Druck wuchs auch der i. w. S. politische: Die nahezu zeitgleich beginnende Europäische Deregulierung und Harmonisierung installierte ein Konzept, das – zur Entlastung des Staates – ebenfalls dem Systemgedanken folgte. Deshalb wurde die DIN EN ISO 9000 auch gerne als die „Eintrittskarte in den europäischen Markt“ bezeichnet. Heute ist sie, wie man weiß – mit ihrer prozessorientierten Novelle aus dem Jahr 2000 – ausgehend von den Automobilherstellern und ihren Zulieferern auch in Deutschland zum Standard für Unternehmen aller Größen und Branchen geworden.
Dritter Paradigmenwechsel:
Vom Unternehmen zum Prinzipal-Agent-Modell
Ein Standard übrigens, der gerade von der Automobilindustrie mit ihrem stetig wachsenden Wettbewerbsdruck längst durch andere branchenspezifische Normen wie die VDA 6.1, die QS-9000 oder die harmonisierte ISO / TS 169 49 getoppt wurde. Bemerkenswert ist hierbei – neben der für die Automobilindustrie besonders wichtigen und deshalb spezifischen Anforderungen wie 100%ige Liefertreue, CAD-Kompetenz etc. – nicht zuletzt das erklärte Ziel, das die Automobilisten ihrer Norm mitgaben: Die konsequente Weiterentwicklung ihrer Lieferanten hin zu einem allgemein gültigen Automobilstandard!
Diese in Punkt 4.6.2.2. der ISO/TS 16949:2002 geregelte Anforderung zeigt deutlich den Weg, den das Qualitätsmanagement und auch diejenigen, die dafür verantwortlich sind, als nächstes zu planen haben: Es wird darum gehen, nicht mehr nur die Qualität im eigenen Unternehmen, sondern eben die gesamte Wertschöpfungskette zu fokussieren und zu steuern. In der Automobilindustrie übernehmen diese Aufgabe die Prinzipale, die alle an der sowohl qualitativ als auch wirtschaftlich zu verantwortenden Wertschöpfungskette beteiligten Agents in die Pflicht nehmen.
Die Hauptaufgabe besteht hier nicht allein darin, die ISO 9000 auf eine Branche auszurichten und sie gewissermaßen bottom up für alle Markteilnehmer der Branche verbindlich zu machen. Das würde kaum gelingen oder sehr lange dauern.
Denn die Verbindlichkeit einer weitgehend freiwilligen bzw. nicht gesetzlich vorgeschriebenen Norm braucht einen Motor, der die spezifischen Anforderungen an die Agents der Branche nach einem Supply Chain orientierten Ansatz für die Branche erst formuliert und dann – was fast noch wichtiger ist – verbindlich macht und nachhält.
Vierter Paradigmenwechsel:
Von der Feststellung zum Rating
Eine weitere Überlegung, die vom TÜV Hessen in diesem Zusammenhang angestellt wurde, ist folgende: Die ISO 9000 ist zwar die Kernnorm der Qualität, reduziert sich aber im wesentlichen auf die Zertifizierung von Prozessen und Prozess-Management des einzelnen Unternehmens und ggf. der Schnittstellen zu Kunden und Lieferanten. Ein Prozessbeteiligter in der Supply Chain allerdings sprach bisher noch eine andere Sprache. Die Banken als Lieferanten von Kapital und Liquidität als eines der am meisten benötigten Produktionsmittel!
Dies alles sollte vor dem Hintergrund gesehen werden, dass derzeit gerade in Deutschland eine neue Problematik zunehmend in den Vordergrund rückt: Viele kleine und mittelständische Unternehmen sind mit vergleichsweise wenig Eigenkapital ausgestattet. Die nun anstehende Basel II- Problematik soll – ähnlich wie vor zwei Jahrzehnten die erste ISO 9000, die Bonität des Unternehmens aus Bankensicht systemisch absichern. Ein Blick auf die Elemente, die von Basel II betrachtet werden, zeigte ein interessantes Bild: 1/3 der Anforderungen des Basel II Ratingverfahrens decken sich weit gehend mit den Anforderungen der ganz normalen ISO 9000!
Diesen Gedanken setzte der TÜV Hessen gemeinsam mit Finanzwirtschaftswissenschaftlern in das praktikable System Rating Excellence um, das es sowohl Banken als auch Unternehmen erlaubt, ihre Anforderungen an die Bewertung und Dokumentation von Bonität und Qualität miteinander auf effizienteste Weise zu verknüpfen. Dieses neue Verfahren verschafft insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen eine Fülle von Vorteilen:
  • Zwei Verfahren in einem
  • Geringere Kosten
  • Besseres Standing bei den Banken
Rating Excellence ist auch insofern eine neue Lösung, als sich hier unterstützende Banken, Wissenschaft und Qualitätsspezialisten gewissermaßen zu einem virtuellen Prinzipal zusammengeschlossen haben.
Man sieht also, dass die ISO 9000 noch erheblich mehr Potentiale in sich trägt, als bisher gemeinhin vermutet wurde.
Dasselbe dürfte auch für die stetig wachsende Problematik von neudeutsch Mergers and Acquisitions gelten. Die Due Dilligence – also die Bewertung eines Unternehmens im Rahmen von Unternehmenskauf oder –verkauf – kann vernünftigerweise eigentlich nur auf der Basis der ISO 9000 durchgeführt werden. Aber noch spielt die Qualitätsnorm hier keine nennenswerte Rolle.
Noch offen:
Vom Einzelprozess zur Supply Chain
Einer der Gründe ist sicherlich, dass die ISO 9000 noch zu starr als reine Prozessnorm betrachtet wird, obwohl sie im Grunde viel mehr sein kann. Eines scheint schon heute klar: Der Moment, in dem die ISO 9000 beginnt, sich zum Kerninstrument sowohl der Optimierung von Supply Chains als auch der Bewertung von Unternehmen zu mausern, wird einen weiteren Paradigmenwechsel darstellen.
Denn dann wird sie nicht nur in der Lage sein, Fragen wie „Wird Qualität erzeugt?“ oder „Ist das Prozess-System des Unternehmens robust?“ zu beantworten. Sondern eben auch die im globalen Wettbewerb allfälligen Fragen wie:
  • Ist die Supply Chain in ihrer Gesamtheit robust und effizient?
  • Sind die Schnittstellen zwischen den einzelnen Agenten optimal angelegt?
  • Sind alle Prozesspartner finanziell solide?
  • Ist die existierende Konstellation wettbewerbsfähig?
Der TÜV Hessen wird als einer der Vorreiter dieser Entwicklung mit Sicherheit dabei sein.
QE 502
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Quality Engineering
Titelbild QUALITY ENGINEERING Control Express 1
Ausgabe
Control Express 1.2024
LESEN
ABO
Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Whitepaper zum Thema QS


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de