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Prüfmittelwartung europäisch

Die Dienstleistung kalibrieren als Rundum-Sorglos-Packet
Prüfmittelwartung europäisch

Beobachter kommen häufig zu dem Ergebnis, dass Dienstleistung und Service in Deutschland vernachlässigt werden. Bemerkenswert, wenn eine Firma genau diesen Punkt als Wettbewerbsvorteil erkennt. Viel versprechend ist der Ansatz, wenn diese Firma unter das Dach eines großen, kapitalkräftigen Konzerns kommt, der in seiner Branche dieses Prinzip bereits zu seinem Geschäftsmodell entwickelt hat. So macht Sinn, was auf den ersten Blick nicht zusammen passt.

Am 1. April dieses Jahres hat der Konzern Air Liquide die Livingston Calibration GmbH übernommen und für den Fachbereich Metrologie die Trescal-Gruppe gegründet.

Air Liquide wurde 1902 gegründet und ist heute in 65 Ländern mit mehr als 31 900 Mitarbeitern vertreten. Seit der Veröffentlichung des ersten Konzernabschlusses 1971 kann Air Liquide ein nachhaltiges Ertragswachstum aufweisen. Der Umsatz des Konzerns lag im Jahr 2003 bei 8,4 Mrd. Euro.
Seit der Gründung des Konzerns steht der Mehrwert für Kunden im Mittelpunkt aller Aktivitäten. Neben der Versorgung mit entsprechenden Gasen in Zylindern, Tanks, Pipelines oder Vor-Ort-Erzeugungsanlagen werden Applikationen, Equipment und Service für über 50 verschiedene Branchen angeboten.
Das Konzept Systemlieferant wird nun durch die Trescal-Gruppe, zu der Livingston Calibration gehört, in einem ganz anderen Marktsegment realisiert. Trescal betreibt Kalibrierlaboratorien für Messgeräte elektrischer, dimensioneller, mechanischer und physikalischer Messgrößen. Livingston Calibration entwickelte sich vom Anbieter von Kalibrierung zum Dienstleister für messtechnische Geräte. Verwirklicht wird das mit etwa 38 Standorten in Europa und mobilen Kalibrierlaboren für den Service vor Ort. Die einzelnen Labore sind in der Nähe von großen Kunden mit hohem Bedarf an Kalibrierdiensten, teilweise direkt auf deren Firmengelände. Der Bedarf dieser Großkunden bestimmt die Ausstattung dieser Labore. So verfügt der Standort Esslingen über hohe Kompetenz für mechanische Größen, entsprechend dem Kunden DaimlerChrysler. Ähnlich am Standort Wolfsburg mit VW.
In Esslingen beispielsweise ist das Labor für physikalische und dimensionelle Messtechnik, in Darmstadt für Elektronik und Hochfrequenzmesstechnik. Standardaufgaben, wie beispielsweise Messschieber kalibrieren, können alle Labors. Ein Beschleunigungsmessgerät jedoch hat nicht jeder Standort. Zwischen den Laboren fährt ein Shuttle-Service, der spezielle Messgeräte zu dem jeweils passenden Labor fährt. Unterwegs können Messmittel bei Kunden eingesammelt oder zurückgebracht werden. So lassen sich auch kleinere Kunden in der Fläche wirtschaftlich bedienen.
Auf diese Weise kann Livingston Calibration relativ kleine Labore nahe bei seinen Kunden betreiben und doch eine umfangreiche Palette an Messgrößen anbieten. Der Kunde hat seinen Ansprechpartner vor Ort, der sich um alles kümmert. Die Geräte werden an der Werkbank oder im Entwicklungslabor abgeholt und neu kalibriert zurück gebracht. In der Regel liegt das Messmittel nach 5 Werktagen wieder am Arbeitsplatz. Ein wichtiger Vorteil dieser klimatisierten Shuttles mit spezieller Innenausstattung ist, dass deren Fahrer mit Messmitteln umgehen können und genau wissen, wie ein Endmaßkasten oder ein Oszilloskop zu behandeln ist.
Wie kommt das Gas zum Messschieber?
Durch die Kunden- und Serviceorientierung kam Air Liquid zu der Erkenntnis, dass zwei Drittel der Kunden, die technische Gase benötigen, auch hochwertige Messmittel und damit Bedarf an Kalibrierung haben. Um diesen Bedarf abdecken zu können, kaufte Air Liquide die französische Firma Metrotech. Wie gut dieses Konzept war, zeigte sich in den folgenden 4 Jahren: der Umsatz im Bereich Kalibrierung konnte verfünffacht werden.
Nach diesem Erfolg suchte Air Liquide nach weiteren Firmen, mit denen diese Idee auf Europa ausgedehnt werden konnte. Inzwischen gehören 50 Kalibrierlabore europaweit zum Konzern. Damit dieses nicht zu einer babylonischen Sprachverwirrung führte, wurde die Kalibrierung in einem Geschäftsbereich mit dem neuen Namen Trescal zusammengefasst.
Für multinationale Firmen mit Niederlassungen in mehreren europäischen Ländern ist es wichtig einen europäischen Partner für die Kalibrierung zu haben. Sie haben einen europäischen Qualitätszirkel und sie möchten teure Geräte zwischen den Standorten tauschen können. Deshalb müssen diese einheitlich nach international gültigen Standards kalibriert werden.
Der Equipment– Management–Service
Einen Schritt weiter geht der neue Equipment – Service. Das funktioniert so: Ein Anwender als Mitarbeiter eines Kunden will im Rahmen eines Projektes eine bestimmte Messung machen. Dafür braucht er beispielsweise ein Oszilloskop, das bis 2 GHz messen kann. Er hat selbst keines zur Verfügung und ruft bei einem Help-Desk an. Der Mitarbeiter dort kann auf eine Datenbank zurückgreifen, in der alle Prüfmittel dieses Kunden gespeichert sind. Wenn ein solches Gerät am lokalen Standort gerade frei ist, wird es dem Anwender auf den Tisch geliefert.
Wenn nicht, wird an anderen Standorten gesucht und der Equipment-Service kümmert sich um den Transport. Wenn beides nicht der Fall ist, wird anhand einer Nutzungsanalyse, die auch in der Datenbank schon integriert ist, entschieden, ist dieser Fall relativ häufig, wird der Kauf eines Gerätes empfohlen. Je nach Vertrag kümmert sich der Equipment-Service um die herstellerunabhängige Beschaffung, sei es gebraucht oder neu. Oder der Fall ist einmalig, dann wird ein Gerät angemietet und geliefert. Der Vorteil dieser Methode ist, dass der Anwender sich um Messgeräte nicht mehr zu kümmern braucht. Er bekommt für seine Aufgabe ein Gerät auf den Tisch gestellt.
Wenn er es nicht mehr braucht, geht das Gerät zurück an das Lager und wartet auf die nächste Anwendung. Teure Messgeräte für vereinzelte Anwendungen müssen so nicht gekauft werden, gekaufte Geräte werden besser ausgelastet. Anschaffungskosten und laufende Kosten durch Wartung und Abschreibung können besser verteilt werden. Diese Dienstleistung von Livingston Calibration, oder neu Trescal, könnte man das Rundum–Sorglos–Packet für Messtechnik–Anwender nennen. Die Anwender bezahlen eine interne Miete in der alle Kosten abgebildet sind. Zum Ende einer Abrechnungsperiode bekommt die Geschäftsführung einen Bericht, in dem die Kosten transparent dargestellt sind. So wird der Verbrauch an Messmitteln transparent gemacht. An dieser Stelle wird die Ähnlichkeit mit der neuen Mutter Air Liquide deutlich. Deren Kunden fassen das Gas nicht mehr an. Es kommt zuverlässig aus der Düse. Trescal sorgt dafür, dass das richtige Messgerät zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Der Anwender meldet seine Messaufgabe und hat sein Messgerät wann er es braucht Er kümmert sich nicht mehr um dessen Wartung und woher er es bekommt.
Trescal macht jetzt Schule
Ein völlig neues Geschäftsfeld hat Trescal dieses Jahr begonnen. Seit Januar werden Kalibriertechniker der Bundeswehr ausgebildet.
Die Bundeswehr betreibt 18 eigene Kalibrierstellen, die von Kalibrierfeldwebeln als Zeitsoldaten betrieben werden. Zeitsoldaten gehen definitionsgemäß nach einer vorher bestimmten Zeit. Wegen dieser laufenden Fluktuation wird ständig neues Personal gebraucht. Bis letztes Jahr gab es dazu eine eigene Schule in Kaufbeuren im Allgäu wo diese Kalibrierfeldwebel ausgebildet wurden mit Bundeswehrgeräten und Bundeswehrpersonal. Anstoß für die Veränderung war zum einen die fehlende Möglichkeiten zur Weiterentwicklung und der Wunsch, die Kosten zu senken. Auf eine europaweite, öffentliche Ausschreibung bewarben sich einige Unternehmen, besonders solche, die bereits Geräte an die Bundeswehr liefern. Eigentlich ein Exot unter den Bewerbern war die Trescal-Gruppe, die sich zusammen mit einem Partner bewarben.
Überzeugen konnte Trescal mit der Arbeitsweise und mit dem Schulungskonzept. Die Bundeswehrschule in Kaufbeuren wurde geschlossen und deren Geräte zu Trescal an die Standorte Esslingen und Darmstadt geliefert. Die Schüler können an diesen Geräten, die sie später warten sollen, die Kalibrierung lernen und üben. Im theoretischen Unterricht werden Grundlagen der Elektrotechnik, des Messwesens, Physik und Mathematik gelehrt. Dieser Unterricht wird mit externen Dozenten von den umliegenden Hochschulen und Fachhochschulen durchgeführt.
Das innovative an Trescals Ausbildungskonzept ist ein Computerunterstützter Unterricht. Auf den Computern laufen Simulationen. Die Schüler verdrahten auf dem PC virtuelle Messgeräte mit virtuellen Kalibratoren. So muss nicht in richtige Kalibratoren investiert werden, die rund 70 000 Euro kosten können, und wenn es zu einem Kurzschluss kommt, verursacht dieser keinen Schrott, sondern eine Meldung. Diese Schulungsmethode ist sehr gut angelaufen. Ein weiterer Vorteil ist die Nähe zu den Kalibrierlabors. Hier können Theorie und Praxis voneinander profitieren.
In Darmstadt wird der Bereich Elektrik gelehrt, in Esslingen Mechanik und dimensionelle Kalibrierung. Geschult werden in 6 Kursen je 9 Auszubildende. Die ganze Ausbildung dauert ein Dreivierteljahr. Es können aber auch Teile daraus belegt werden.
Dem Prinzip von Trescal folgend, ist auch dieses Projekt grundsätzlich offen für weitere Interessenten. Die Bundeswehr als Hauptkunde kann ergänzt werden durch weitere Kunden, auch mit kleinerem Bedarf.. JG
QE 553

Trescal
Der Name Trescal hat symbolische Bedeutungen:
  • CAL steht für die Kalibrierung (calibration)
  • SCAL für den Maßstab (scale)
  • TRESCA steht für den französischen Wissenschaftler Henri Tresca, der den Referenzprototypen für den Längenstandard schuf
  • das S kann man sehen als Zusammensetzung der übereinander liegenden Zeichen < kleiner als und > größer als. Gemeinsam begrenzen diese Zeichen den Messbereich
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