Startseite » Allgemein »

Qualität auf die Schiene gesetzt

Europäische Schienenfahrzeugindustrie: besondere Anforderungen zur Anwendung der ISO 9001:2000
Qualität auf die Schiene gesetzt

Qualität auf die Schiene gesetzt
Die IRIS-Lieferantendatenbank der UNIFE unter www.iris-rail.org
Dem Verband der Europäischen Eisenbahnindustrien (UNIFE) ist mit dem im März 2006 veröffentlichten Branchenstandard IRIS (International Railway Industry Standard) für die Schienenfahrzeugindustrie ein Vorstoß in Richtung zukunftsfähigem Qualitäts- und Lieferantenmanagement gelungen. Zu dieser Einschätzung gelangen inzwischen Kritiker und Experten gleichermaßen.

Dipl.-Ing. Hans Jahn, Produktmanagement Rail & Transportation; DQS GmbH, Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen; Frankfurt am Main

Haben sich die Erwartungen an die Einführung dieses Branchenstandards für die Bahnindustrie bereits erfüllt? Lohnt sich die Investition in die Implementierung des Regelwerkes für Unternehmen, die auch in andere Branchen, wie die Automobil- oder Luft- und Raumfahrtindustrie liefern?
Stand der Entwicklungen
Mit großem Ressourcenaufwand hat UNIFE in Brüssel eine spezielle Fachabteilung eingerichtet, die über einen Lenkungsausschuss (IRIS Steering Committee) mit zugeordnetem Büro (IRIS Management Center) und derzeit sechs Working Groups (WG) IRIS in der gesamten Lieferkette steuert.
WG 1: IRIS Strategie
WG 2: IRIS Improvements
WG 3: Maintenance
WG 4: Signalling
WG 5: Communication
WG 6: Legal
Nach einer Einführungs- und Verifizierungsphase wird der Branchenstandard IRIS voraussichtlich mit Unterstützung des Normenausschusses „Fahrweg und Schienenfahrzeuge (FSF)“ im DIN wie auch als etabliert werden und so auch als internationale Norm etabliert. Aufgabe des DIN ist es, die Normungsarbeit für die Gebiete Schienenfahrzeuge, Eisenbahnoberbau und Bahnbetrieb durchzuführen sowie die deutschen Interessen in der europäischen und internationalen Normung insbesondere im CEN/TC 256 Eisenbahnwesen zu vertreten und das Sekretariat des CEN/TC 256 zu führen.
Indessen kann das Regelwerk IRIS – im Gegensatz zu einer Norm – in kürzeren Zeitintervallen unter Einbindung aller Interessengruppen (Bahnbetreiber, Bahnhersteller und deren Lieferanten, etc.) modifiziert und flexibel auf weitere Forderungen und Themengebieten ausgerichtet werden. Dies ist ein großer Vorteil, denn die über UNIFE eingerichteten Arbeitsgruppen beschäftigen sich seit 2004 mit der pragmatischen Gestaltung und Weiterentwicklung des Standards. In den zurückliegenden zwölf Monaten wurde sehr zeitintensiv an der Revision 01 (2007) des Regelwerkes gearbeitet. In die neue Revision sind die Erfahrungen mit der IRIS-Revision 00 (2006) aus den durchgeführten internen- und Zertifizierungsaudits sowie aus den Workshops und Expertengesprächen der UNIFE eingeflossen.
In den nächsten Wochen erscheint nun die erste durch die WG 2 erarbeitete Revision als IRIS 01 in englischer Sprache (siehe <a href="http://www.iris-rail.org“ target=“_blank“ title=“www.iris-rail.org„>www.iris-rail.org). Der IRIS-Fragenkatalog wurde komplett überarbeitet. Weiterhin wurde die bei den internen und externen Audits zu verwendende Software (IRIS Audit Tool) um weitere Anwenderoptionen ergänzt. Zur Verbesserung der Kommunikation wird die Website <a href="http://www.iris-rail.org“ target=“_blank“ title=“www.iris-rail.org„>www.iris-rail.org mehrsprachig übersetzt und steht ab Sommer aktualisiert zur Verfügung.
Die bisherigen 17 Geltungsbereiche des Standards wurden in der Revision 01 um weitere 3 Scopes auf nun insgesamt 20 Scopes erweitert:
  • Rolling Stock
  • Control, command and signalling systems including hardware and software components for those
  • Single railway components
IRIS Revision 01
IRIS-Anforderungen mit über 200 Fragen in der Auditsoftware „IRIS Audit-Tool IRIS“
  • 12 Knock-out Fragen
  • 14 geforderte dokumentierte Verfahren
  • 19 geforderte Prozesse, die über Kennzahlen geleitet und gelenkt werden sollen.
IRIS definiert Anforderungen an:
  • Customer Relationship- und Managementsysteme in der Schienenfahrzeugindustrie
  • spezifiziert Anforderungen an Beschaffung und Lieferantenmanagement in der Schienenfahrzeugindustrie
  • forciert Fehlervermeidung/-reduzierung in der Lieferkette
  • die Umsetzung der spezifischen Forderungen von Kunden und Aufsichtsbehörden
  • stellt einen prozessorientierten und interdisziplinären Ansatz des Managementsystems in den Mittelpunkt
  • fordert eine detaillierte Planung für Projekttätigkeiten
  • das Projektmanagement (Baureihen-, Vertrags- und Auftragsmanagement) und die Lenkung von Projekten an verschiedenen Standorten
  • die „Kontinuierliche Verbesserung“, „Wissensmanagement“ und „Kommunikation“
  • Benchmarking und die Unternehmensentwicklung im Sinne der Business Excellence auf Grundlage des IRIS-Bewertungssystems
  • Zugang zur Managementsystem-Dokumentation für Kunden, Partner und Aufsichtsbehörden
Akzeptanz in der Wirtschaft
Mehr als 100 Mitarbeiter aus den IRIS-Mitgliedsunternehmen Alstom Transport, Bombardier Transportation, Siemens Transportation Systems, AnsaldoBreda, Knorr-Bremse, Faiveley, Gutehoffnungshütte Radsatz, Harting Technology Group, Sécheron sowie Voith Turbo haben aktiv zur Entwicklung und Validierung des IRIS- Systems beigetragen.
Mit Zugkraft wurde der Standard bei den europäischen Bahnherstellern und den Unternehmen in deren Lieferantenkette kommuniziert. Die Systemintegratoren Alstom, AnsaldoBbreda, Bombardier und Siemens haben ihre A-Lieferanten angeschrieben und fordern, sich bezüglich des im Mai 2006 über die UNIFE veröffentlichten Regelwerkes „aufzugleisen“ und die Zertifizierung bis spätestens 2009 umzusetzen.
Alle registrierten und bereits nach IRIS zertifizierten Unternehmen werden in der UNIFE-Lieferantendatenbank gelistet und auf der UNIFE-Website veröffentlicht.
Seit Mai 2006 können die Qualitätsverantwortlichen, Entwickler und Einkäufer der Bahnbetreiber und Bahnhersteller auf dieser Plattform relevante Informationen für ihre Auftragsvergabeentscheidungen abrufen.
Auch die durch die UNIFE zugelassenen Zertifizierungsgesellschaften stellen sich derzeit auf die IRIS-Zertifizierungsguidelines und veränderten Marktbedingungen ein. So rechnet die DQS GmbH bis 2009 derzeit allein in Deutschland mit über 150 IRIS-Zertifizierungen und qualifiziert im Rahmen ihrer internationalen Weiterbildungsoffensive über 50 Bahnexperten zu IRIS-Auditoren. Der Unternehmensbereich Rail&Transportation der DQS GmbH bietet seit Januar über Kooperationspartner sowie vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA) benannte Sachverständigenorganisationen und Inspektionsstellen auch EG-Konformitätsbewertungen und Produktzertifizierungen gemäß Interoperabilitätsrichtlinien an.
Die Erfolgsfaktoren
Was ist der tatsächliche Nutzen einer IRIS-Zertifizierung ? Die Systemintegratoren besitzen langjährige Erfahrungen bei der Qualitätssicherung komplexer Projekte im Schienenfahrzeug- und Eisenbahninfrastrukturbereich. In letzter Konsequenz sind sie jedoch von der Zuverlässigkeit und Lieferperformance ihrer Partner abhängig.
Die Zertifizierung nach IRIS – und davon sind alle Unternehmen, die an der Entwicklung des Standards beteiligt sind überzeugt – wird zu einer Erhöhung der Stabilität der sensiblen Schnittstellenprozesse zwischen Systemintegratoren, Zulieferer und Sub-Zulieferer führen. So werden Fehlleistungskosten beispielsweise durch Optimierung der verzahnten Projektabläufe vermieden und eine Steigerung der Effizienz und Effektivität der Lieferkette in der Branche erreicht.
Der Erfolg vom IRIS hängt maßgeblich von der Bereitschaft und dem Engagement aller Beteiligten ab. Hierbei ist UNIFE Garant für transparente Regelungen, die für pragmatische Abläufe sorgen. So werden kurze Reaktionszeiten für notwendige Optimierungen realisiert.
Entwicklungsperspektiven
Die Anerkennung vom IRIS durch Bahnbetreiber sowie die Integration dieser in die Weiterentwicklung des Standards bildet den nächsten wichtigen Meilenstein, um so die Synergien entlang der gesamten Lieferkette optimal ausschöpfen zu können.
Aufbauend auf intensive Gespräche mit internationalen Bahnbetreibern u.a. Deutsche Bahn AG, SNCF und RATP, die ihre Anforderungen und Erwartungen an den Standard und die Organisation definiert hatten, wurden Entwürfe für die IRIS Prozesse und Strukturen erarbeitet, die am 15.06.2007 im Rahmen des ersten offiziellen Termins zwischen dem IRIS-Steering Commitee und Vertretern der Bahnen diskutiert wurden. Als Ergebnis konnten eine gemeinsame Zielsetzung sowie notwendige Grundsätze für die Umsetzung festgehalten werden. Die Signale stehen somit auf Fahrt.
Inzwischen befinden sich über 100 Unternehmen aktiv im Zertifizierungsprozess oder haben ihn erfolgreich abgeschlossen. In der UNIFE-Lieferantendatenbank sind bereits über 150 Unternehmen registriert. Die Erfahrungen der Zertifizierungsgesellschaften bei den durchgeführten Erstbegutachtungen haben dreierlei gezeigt:
1. Die eigentliche Herausforderung ist nicht die faktische Implementierung der Regelwerksforderungen im Unternehmen und die Erstzertifizierung. Die Erstzertifizierung wird mit ca. 53% erreicht und ist Ausgangspunkt für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess im Unternehmen. Der Erfolg der Verbesserung wird in den Folgejahren über die Erhöhung der Erfüllungsquote quantifiziert.
Wertschöpfung und Nutzen erarbeiten sich die Unternehmen dann erst nach erfolgreicher Registrierung und dem regelmäßigen Upload ihrer Audit- und Unternehmensperformance in das UNIFE-Lieferantenportal. Als IRIS zertifiziertes Unternehmen machen sich die Unternehmen als Partner in der Bahnindustrie bekannt und treten in den offenen Qualitätsdialog mit ihren Kunden, Partnern und Zertifizierungsauditoren.
  • 2. Vielfach sind die Unternehmen durch eine langjährige Zusammenarbeit mit den Bahnherstellern mit dem rechtlichen Umfeld und den Forderungen der Aufsichtsbehörden sowie den IRIS-relevanten Normen, wie beispielsweise der EN 50126 RAMS, ISO 10005 Q-Pläne, ISO 10006 QM in Projekten, ISO 10007 Konfigurationsmanagement sowie den UNIFE-Guidelines LCC vertraut. Die interdisziplinäre Auseinandersetzung mit diesen Themen bietet aber noch ein weites Feld an Verbesserungspotentialen in den Unternehmen.
  • 3. Die kontinuierliche Weiterentwicklung des eingeführten Systems, die stetige Auseinandersetzung mit den Kundenerwartungen sowie den nationalen und internationalen Rahmenbedingungen sind die eigentlichen Herausforderungen.
Die mit IRIS eingeführten Strukturen führen zur Optimierung der Unternehmensprozesse. So können Unternehmen ihre Zuverlässigkeit und Kompetenz in der Schienenfahrzeugindustrie weiter ausbauen. IRIS zertifizierte Lieferanten haben das Ohr am Kunden und verstehen deren Herausforderungen im Tagesgeschäft.
Fazit und Ausblick
Fachleute erkennen starke Parallelen zwischen der Entwicklung und Einführung der ISO/TS 16949 für die besonderen Anforderungen bei Anwendung der ISO 9001 für die Serien- und Ersatzteilproduktion in der Automobilindustrie und dem International Railway Industry Standard (IRIS) im Bahnbereich.
Bahnhersteller und Lieferanten stehen bei der Frage „IRIS-Mitgliedschaft und Zertifizierung?“ nicht mehr vor dem „ob“, sondern vor der Frage des „wie“ und „wann“. Bis 2009 verlangen Systemintegratoren wie Siemens und Bombardier von Ihren A-Lieferanten die IRIS-Zertifizierung. Unternehmen, die auch in andere Branchen, wie die Automobil- oder Luft- und Raumfahrtindustrie liefern, werden prüfen müssen, wie sie sich zukünftig auf diese Anforderungen ausrichten können und wollen. Die Einführung sowie die Zertifizierung nach IRIS ist eine Stärkung der strategischen und ökonomische Ausrichtung und somit ein Bekenntnis der Unternehmen zur Schienenfahrzeugindustrie.
IRIS wird sich als Instrument des Qualitäts- und Lieferantenmanagements im Bahnbereich etablieren und die Leistungen der Unternehmen hinsichtlich kundenspezifischen Forderungen, Managementorientierung und Produktsicherheit weiterhin positiv verändern. Die positiven Signale internationaler Bahnbetreiber beispielsweise von der Deutschen Bahn AG und der SNCF zum IRIS untermauern diese Einschätzung.
QE 502
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Quality Engineering
Titelbild QUALITY ENGINEERING Control Express 1
Ausgabe
Control Express 1.2024
LESEN
ABO
Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Whitepaper zum Thema QS


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de