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Qualitätscontrolling mit Excel

Kenngrößenvergleichbarkeit sicherstellen
Qualitätscontrolling mit Excel

Die gängigen Office-Softwarepakete können die Arbeit des Qualitäters erheblich erleichtern und sogar die betriebliche CAQ-Software sinnvoll ergänzen. Im Rahmen von Benchmarking-Projekten im Mittelstand hat sich der Einsatz von Excel-Tools zur Prozessmessung bewährt.

Michael Stausberg, Leiter des Prozessbenchmarking-Zentrums, Dortmund

Vor kurzem sagte der Qualitätsleiter eines mittelständischen metallverarbeitenden Betriebes schmunzelnd zu mir: „Wir wussten, dass wir schlecht sind, aber dass wir so schlecht sind, hätten wir auch nicht gedacht!“ Die Liefertermintreue seines Hauses lag bei Null Prozent! Das war bislang niemandem aufgefallen? Die Kunden hatten nicht längst heftig reklamiert? In der Tat: Man vermutete zwar Verbesserungsbedarf in der Distribution, aber niemand im Unternehmen hatte erkannt, wie groß das Problem mittlerweile geworden war. Das Traurige ist: In Tausenden von Unternehmen herrscht vermutlich ähnliche Unkenntnis – trotz CAQ, PPS etc.
Wenn man die Leistungsfähigkeit der Prozesse aus unterschiedlichen Unternehmen vergleichen möchte, ist sicherzustellen, dass man über vergleichbare Prozessinhalte, Schnittstellen und Leistungskenngrößen spricht. Das ist in der Regel aber nicht der Fall, wenn sich die Mitarbeiter zweier Unternehmen über die Leistungsfähigkeit ihrer Prozesse unterhalten. Denn meist haben sie ihre Prozesse unterschiedlich definiert, die Schnittstellen zwischen den Prozessen sind nicht vergleichbar, die Informationsflüsse zwischen den Unternehmensbereichen sind verschieden und letztlich haben sie ihre Leistungskenngrößen unterschiedlich definiert.
Hinsichtlich der Nutzung betrieblicher EDV-Systeme sind nun zwei grundsätzliche Möglichkeiten gegeben: Die beiden Unternehmen verwenden unterschiedliche Software – dann ist auch hier ein weiterer Grund der Unvergleichbarkeit gegeben. Oder sie verwenden die gleiche Software – dann erliegen die Anwender dieser Software leicht dem Irrtum, die Auswertungen dieser beiden EDV-Systeme, die ja auf derselben Software beruhen, sind vergleichbar. Das ist aber nur selten der Fall, da zwar die Software vergleichbar ist, die Daten aber, mit denen die Software arbeitet, und die Organisationsstruktur sowie Prozesslandkarte, aus der die Daten stammen, sind es nicht. Ein unmittelbarer Vergleich beider Auswertungen verbietet sich dann.
Beispiel für die Problematik
Folgendes Beispiel soll die Problematik veranschaulichen: Selbst eine so gängige Kenngröße wie die Fehlerhäufigkeit kann beim Vergleich zweier Unternehmen nur in seltenen Ausnahmefällen unmittelbar verglichen werden. Typische inhaltliche Unterschiede dieser Kenngröße sind:
Ort der Erfassung: Beispiel: Unternehmen A erfasst alle Fehler in der Endprüfung, Unternehmen B bezieht darüber hinaus auch die Reklamationen mit ein.
Erfassungsumfang: Beispiel: Unternehmen A führt Stichprobenprüfungen durch, im Unternehmen B erfolgen 100 Prozent-Prüfungen.
Klassifizierung: Beispiel: Unternehmen A bewertet alle Fehler einheitlich, Unternehmen B hat Klassifizierungen in Abhängigkeit von der Fehlerrelevanz (sicherheitskritisch, funktionsrelevant, kundendienstauslösend, kundenzufriedenheitsrelevant, kosmetisch) eingeführt.
Prozessfähigkeit der Prüfprozesse: Zwei Unternehmen können aufgrund unterschiedlich qualifizierter Mitarbeiter oder Prüfeinrichtungen und unterschiedlicher Prüfprozessüberwachung sehr starke Abweichungen hinsichtlich der Fähigkeit der Prüfprozesse haben.
Algorithmus: Die Leistungskennwerte werden in der Regel durch eine CAQ-Software bereitgestellt, die einen software-spezifischen Algorithmus anwendet. Die Algorithmen verschiedener Software sind oft unterschiedlich, so dass die Ergebnisse nicht verglichen werden dürfen. In vielen Fällen sind die Algorithmen den Mitarbeitern zudem gar nicht bekannt.
Diese wenigen Stichworte am Beispiel der Kenngröße Fehlerhäufigkeit verdeutlichen, welche Vielzahl von Randbedingungen zu beachten ist, wenn Leistungskennwerte verglichen werden sollen.
Für das Benchmarking wurde aus der Not eine Tugend gemacht: Den Partner-Unternehmen, die sich einem der Projekte anschließen, werden Excel-Dateien übergeben, die eine weitgehende Loslösung von den in den Unternehmen bereits vorliegenden EDV-Systemen erfordern. Es ist in der Regel nicht möglich, die im Rahmen des Benchmarking abgefragten Daten aus der betrieblichen EDV zu ziehen und in das Excel-Formular zu übertragen, sondern es ist immer auch mindestens eine Plausibilitätsprüfung durchzuführen. Sie war es auch, die den Qualitätsleiter dazu brachte, die Auswertungen seines PPS-Systems zu hinterfragen. Dabei musste er feststellen, dass der vom System ausgegebene Wert für die Liefertermintreue nicht richtig war und die Ware viel seltener zu dem vom Kunden gewünschten Termin dort eintraf, als alle bisher angenommen hatten.
Dieser Qualitätsleiter steht nicht allein da: Seine Erfahrung haben vor ihm schon sehr viele andere gemacht, sei es bei logistischen Leistungswerten wie der Liefertermintreue, bei Kennzahlen zur Fähigkeit von Fertigungsprozessen oder bei der Lieferantenbewertung. Was schließen wir daraus? Wenn die Anwendung einer mehr oder weniger simplen Excel-Tabelle dazu führt, dass die Auswertungen einer weitaus komplexeren betrieblichen Software hinterfragt und angepasst werden müssen, dann drängt sich die Frage auf, welchen Mehrwert die Nutzung eben dieser betrieblichen Software hat. Oder es stellt sich die Frage, warum nicht gleich mit Excel-Tools (oder vergleichbaren Standard-Anwendungen) gearbeitet wird. Sicher, wenn viele Datenquellen zu einem Controlling-System zusammengeführt werden sollen, lässt sich der Einsatz spezieller EDV-Systeme kaum umgehen. Dies gilt umso mehr, wenn hierbei Abteilungs-, Standort- oder gar Unternehmensgrenzen überschritten werden.
Standard-Software anstatt komplexes System
Immer dann, wenn die Erfassung und Auswertung von Daten lokal erfolgt, sollte man prüfen, ob nicht die Nutzung von Standard-Software einem komplexen System vorzuziehen ist. Folgende Vorteile sind hervorzuheben: Die eigenständig zum Beispiel in Excel erstellte Datei erfüllt genau die Anforderungen, die der Anwender wünscht und – noch wichtiger – sie enthält keine Besonderheiten, die der Anwender gar nicht kennt und bei der Analyse der Auswertung daher nicht berücksichtigen kann. Die problembezogene individuelle Erstellung der Datei zwingt den Anwender dazu, sich mit der Problematik auseinanderzusetzen, der die Datei dienen soll. Der Anwender ist gezwungen, die Datei regelmäßig den sich möglicherweise ändernden Randbedingungen anzupassen. Diese Anpassungen werden bei komplexeren Systemen häufig unterlassen, schon deshalb, weil hierzu besonderes Know-how erforderlich ist und damit unter Umständen Kosten für den externen Dienstleister entstehen.
Umgang mit Excel nicht immer geläufig
Ein wichtiges Gegenargument soll noch ausgeräumt werden: Vielen Mitarbeitern in Unternehmen ist der Umgang mit Excel oder den anderen gängigen Tabellenkalkulationen nicht geläufig. Sie sind mit der eigenständigen Erstellung geeigneter Dateien überfordert. Daraus wird häufig geschlossen, eine Excel-Lösung sei nicht realisierbar. Nun mag es durchaus so sein, dass viele Mitarbeiter nur begrenzte Kenntnisse im Umgang mit Tabellenkalkulationen haben. Aber machen Sie bitte die Gegenprobe: Sind die Mitarbeiter in der Lage, mit den komplexen betrieblichen Systemen so umzugehen, dass sie eine fehlerfreie Datenaufnahme und Analyse durchführen können?
Der große Vorteil einer Tabellenkalkulation wie Excel ist die vergleichsweise einfache Möglichkeit, ihre Inhalte nachzuvollziehen und die damit gewonnene Transparenz der Datenverarbeitung. Zur Vereinfachung der Dateierstellung bieten einige Verlage heute eine große Palette geeigneter Vorlagen, mit denen man sinnvolle Erhebungen und Auswertungen von Qualitätskennzahlen durchführen kann. Die Verbreitung und Publikation von beispielsweise Tabellen oder Grafiken ist heutzutage mittels Intranet, das sich erstaunlich leicht einrichten und von den Anwendern nutzen lässt, kein nennenswertes Problem mehr. Letztlich bleibt die Wahl immer demjenigen überlassen, der die Daten verwenden will: Er sollte die Lösung bevorzugen, die ihm Daten mit der größtmöglichen Zuverlässigkeit liefert und Daten, die er souverän interpretieren kann, weil er ihre Quelle, die Randbedingungen der Erfassung und den Algorithmus der Auswertung kennt.
Übrigens: Der Qualitätsleiter hat sich die Mühe gemacht, die wenigen wirklich erfolgskritischen Kennzahlen des Unternehmens zu identifizieren und von nun an in einer Balanced Scorecard zu controllen. Er nutzt hierzu eine Excel-Datei.
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