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Qualitätsmanagement trifft Bankenrating

ISO 9000 und Basel II – Supply chain-orientiertes Quality Deployment
Qualitätsmanagement trifft Bankenrating

Als die ISO 9000 im Jahr 1987 als international anerkannte und weltweit gültige Norm für Qualitätsmanagementsysteme ratifiziert wurde, war die Basis für ein neues Denken gelegt: System gut – alles gut! Seitdem profitieren Unternehmen, Kunden und ganze Industriezweige von der Möglichkeit, sich auf die System-Qualität des zertifizierten Partners verlassen und immer größere Teile ihrer Produktion an externe Partner auslagern zu können. Die ISO 9000:2000 schuf die Basis für erheblich größere wirtschaftliche Möglichkeiten.

Manch alter Hase erinnert sich noch daran: In den 80er Jahren litten die Automobilunternehmen schwer unter der Tatsache, dass japanische Hersteller sich plötzlich in der Lage zeigten, qualitativ hochwertige Autos zu vergleichsweise günstigen Preisen herzustellen. Die Japaner hatten einen Weg gefunden, in der Qualität der Produkte nahezu gleichzuziehen – und dabei die Preise quasi konstant zu halten. Wie war das möglich?

Die 80er – Qualitätsmanagement als Wettbewerbsvorteil
Analytiker fanden dann heraus, dass das Problem eigentlich nicht darin bestand, dass der amerikanische, europäische oder gar deutsche Qualitätsbegriff und –anspruch in sich zu hoch oder „zu teuer„ geworden wäre, sondern das Problem und Lösung tatsächlich darin zu finden waren, dass bis zur Endkontrolle schlicht viel zu viel teurer Ausschuss produziert wurde. Dieser Fehler „im System“ konnte solange unbemerkt bleiben, wie der produzierte Ausschuss noch kalkulatorisch ins Fahrzeug eingepreist werden konnte. Solange der Markt die Preise bezahlte, ging es eben. Durch das systemorientierte Vorpreschen der Japaner (man erinnere sich an Reizworte wie Kai-zen, Poka-Yoke etc.) war diese Möglichkeit nicht mehr marktfähig.
Die Branche reagierte: Sehr schnell wurde der Erwerb eines Zertifikates in der Automobilindustrie zur Pflicht und Notwendigkeit. Und plötzlich wurde nicht nur Ausschuss und Blindleistung reduziert, es konnte aufgrund der höheren Verlässlichkeit und der festgelegten Qualitätsansprüche an System und Prozessablauf auch ein noch höherer Anteil der Wertschöpfung ausgelagert werden. Automobilhersteller haben heute eine vergleichsweise niedrige Wertschöpfungstiefe, die schon teilweise deutlich unter 50% Prozent liegt. Der Rest kann u.a. dank der ISO 9000 ausgelagert werden.
Allemal markierte die Qualitätsnorm im wesentlichen einen Paradigmenwechsel im Denken und Handeln der Qualitätsbewussten: Durch das Denken in Unternehmensabläufen und Systemen wurde Qualität nicht mehr nur gesichert, sondern zu einem Management-Gegenstand, den man mit Hilfe des damals aus 20 Elementen bestehenden Leitfadens der Norm modellieren konnte und damit den Forderungen der einzelnen Prozessbeteiligten nachkommen konnte:
Veränderte Forderungen der Gesellschaft in puncto
  • Verbraucherschutz
  • Änderung in der Produkthaftung
  • Umweltschutz (Umweltmanagementsystem)
Höhere Erwartungen der Kunden und Verbraucher:
  • Stärkere Markenorientierung
  • Fokus auf Service und Kundenbetreuung
  • Verlagerung der Verantwortung auf den Hersteller
Neue Herausforderungen fürs Unternehmen bezüglich
  • wachsendem Kostendruck
  • Verbesserung der Geschäftsprozesse
  • Orientierung an der Wertschöpfung
Die einfache betriebswirtschaftliche Überlegung, die dahinter stand: Kosten senken ohne Qualitätsverluste.
Die 90er: Qualitätsmanagement-Systeme erst als Basis der EU …
Parallel zu diesem wirtschaftlichen Druck wuchs auch der i. w. S. Politische: Mit der Gründung der Europäischen Union in den frühen 90ern wurde die Industrienorm zum Politstar: Die Europäische Deregulierung und Harmonisierung installierte ein Konzept, das – zur Entlastung des Staates – ebenfalls dem Systemgedanken folgte. Deshalb wurde die ISO 9000 auch gerne als die „Eintrittskarte in den europäischen Markt“ bezeichnet. Die Europäische Union mit ihren über 300 Millionen Menschen fußt in puncto Sicherheit und Wirtschaftlichkeit auf dem Systemgedanken der ISO 9000. Was noch vor 20 Jahren unvorstellbar war, ist heute gängige Wirklichkeit: Mit der Unterschrift zur Normkonformitätserklärung wird der Unternehmer – auf Basis seines zertifizierten Qualitätsmanagementsytems – wenigstens in der Theorie zum verantwortlichen „Prüfer“ seiner Produkte.
… und dann als Basis des Supply Chain Managements
Heute ist die ISO 9000, wie man weiß – mit ihrer prozessorientierten Novelle aus dem Jahr 2000 – ausgehend von den Automobilherstellern und ihren Zulieferern – auch aus deutschen Unternehmen aller Größen und Branchen nicht mehr wegzudenken. Sie ist politisch, wirtschaftlich und wertschöpfungsmäßig zum anerkannten Standard für Unternehmen aller Größen und Branchen geworden. Ein Standard übrigens, der gerade von der Automobilindustrie mit ihrem stetig wachsenden Wettbewerbsdruck längst durch andere branchenspezifische Normen wie die VDA 6.1, die QS-9000 oder die harmonisierte ISO / TS 16949 getoppt wurde. Bemerkenswert ist hierbei – neben der für die Automobilindustrie besonders wichtigen und deshalb spezifischen Anforderungen wie 100%ige Liefertreue, CAD-Kompetenz etc. – nicht zuletzt das erklärte Ziel, das die Automobilisten ihrer Norm mitgaben: Die konsequente Weiterentwicklung ihrer Lieferanten hin zu einem Automobilstandard!
Diese in Punkt 7.4.1.2. der ISO / TS 16949:2002 geregelte Anforderung zeigt deutlich den Weg, den das Qualitätsmanagement und auch diejenigen, die dafür verantwortlich sind, als nächstes zu planen haben: Es wird darum gehen, nicht mehr nur die Qualität im eigenen Unternehmen, sondern eben die gesamte Wertschöpfungskette zu fokussieren und zu steuern. Im Konzept des Supply Chain-Managements übernehmen diese Aufgabe die „Principale“, die alle an der sowohl qualitativ als auch wirtschaftlich zu verantwortenden Wertschöpfungskette beteiligten „Agents“ in die Pflicht nehmen.
Die Hauptaufgabe besteht hier nicht allein darin, die ISO 9000 auf eine Branche auszurichten und sie gewissermaßen „bottom up“ für alle Marktteilnehmer der Branche verbindlich zu machen und damit auf lange Sicht Kosten zu senken. Das allein würde kaum gelingen bzw. zu lange dauern.
Denn die Verbindlichkeit einer weitgehend freiwilligen bzw. nicht gesetzlich vorgeschriebenen Norm braucht einen Motor, der die spezifischen Anforderungen an die Agents der Branche nach einem Supply chain-orientierten Ansatz für die Branche erst formuliert und dann – was fast noch wichtiger ist – verbindlich macht und nachhält.
Das neue Jahrtausend – ISO 9000 als Basis fürs Banken-Rating
Eine weitere Überlegung, die vom TÜV Hessen in diesem Zusammenhang angestellt wurde, ist folgende: Die ISO 9000 ist und bleibt zwar die Kernnorm der Qualität. Allerdings hat sie aufgrund ihres Wandels zum umfassenden Instrument für die Sicherung von Prozesseffizienz erheblich mehr Potenziale: Die novellierte ISO 9000:2000 beschreibt die Qualität von Prozessen und von Prozess-Management des einzelnen Unternehmens und ggf. der Schnittstellen zu Kunden und Lieferanten. Sie beantwortet etwa folgende Fragen: Wie gut wird das Unternehmen geführt? Wie effizient sind die Prozesse? Wie gut ist es in seinem Markt aufgestellt?
Dies alles sind Fragen, die ab dem Jahr 2007 definitiv auch ein weiterer – bisher unerwähnter – Prozessbeteiligter in der Supply Chain bald stellen und beantworten können muss: Die Banken als Lieferanten von Kapital und Liquidität als eines der am meisten benötigten Produktionsmittel!
Basel II
Nachdem nahezu alle Branchen gezeigt haben, dass man mit Qualität und gesicherten, effizienten Prozessen auch wirtschaftlicher arbeitet, schuf sich die Finanzwelt – grob gesprochen – ihr eigenes System: Basel II.
Basel II bezeichnet die Gesamtheit der Eigenkapitalvorschriften, die vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht in den letzten Jahren vorgeschlagen wurden. Die Regeln werden offiziell in der Europäischen Union Ende 2006 in Kraft treten, finden aber bereits heute in der täglichen Praxis Anwendung. Die Umsetzung in deutsches Recht wird durch die „Mindestanforderungen an das Risikomanagement“ (MaRisk) für die „zweite Säule“ von Basel II sowie die Solvabilitätsverordnung (SolvV) für die „erste“ und „dritte Säule“ von Basel II erfolgen.
Dies alles sollte vor dem Hintergrund gesehen werden, dass derzeit gerade in Deutschland eine neue Problematik zunehmend in den Vordergrund rückt: Viele kleine und mittelständische Unternehmen sind mit einer vergleichsweise geringen Eigenkapitaldecke ausgestattet. Die nun anstehende Basel II- Problematik soll – ähnlich wie vor zwei Jahrzehnten die erste ISO 9000, die Bonität des Unternehmens aus Bankensicht systemisch absichern. Hier stellt sich die Frage: Sind die Forderungen der Banken denn tatsächlich so sehr von den Forderungen der grundlegenden ISO 9000 verschieden?
Ein Blick auf die Elemente, die von Basel II betrachtet werden, zeigte ein interessantes Bild: 1/3 der Anforderungen des Basel II-Ratingverfahrens decken sich weitgehend mit den Anforderungen der „ganz normalen“ ISO 9000!
Ganz offenbar haben die Banker die Welt nicht „völlig neu erfunden“. Wie sollten sie auch: Die ISO 9000 ist als Leitlinie viel zu umfassend, als dass sie außen vor bleiben könnte.
Nächster Schritt: ISO 9000 und Basel II in einem Verfahren
Diesen Gedanken setzte der TÜV Hessen gemeinsam mit Finanzwirtschaftswissenschaftlern in das praktikable System „Rating Excellence“ um, das es sowohl Banken als auch Unternehmen erlaubt, ihre Anforderungen an die Bewertung und Dokumentation von Bonität und Qualität miteinander auf effizienteste Weise zu verknüpfen. Dieses neue Verfahren verschafft insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen eine Fülle von Vorteilen:
  • Zwei Verfahren in einem
  • Geringere Kosten
  • Besseres Standing bei den Banken
Rating Excellence ist auch insofern eine neue Lösung, als sich hier unterstützende Banken, Wissenschaft und Qualitätsspezialisten gewissermaßen zu einem virtuellen Principal zusammengeschlossen haben.
Man sieht also, dass die ISO 9000 noch erheblich mehr Potenziale in sich trägt, als das bisher gemeinhin vermutet wurde.
Weitere Schritte…
Dasselbe dürfte auch für die stetig wachsende Problematik von (neudeutsch) Mergers and Acquisitions gelten. Die Due Dilligence – also die Bewertung eines Unternehmens im Rahmen von Unternehmenskauf oder –verkauf – kann vernünftigerweise eigentlich auch nur auf der Basis der ISO 9000 durchgeführt werden. Aber noch spielt die Qualitätsnorm hier keine nennenswerte Rolle. Es liegt an den Qualitätsverantwortlichen, hier neue Impulse zu setzen und den Reichtum der ISO 9000 an andere Bereiche weiterzugeben.
Einer der Gründe ist sicherlich, dass die ISO 9000 noch zu starr als reine Prozessnorm betrachtet wird, obwohl sie im Grunde viel mehr sein kann. Eines scheint schon heute klar: Der Moment, in dem die ISO 9000 beginnt, sich zum Kerninstrument sowohl der Optimierung von Supply Chains als auch der Bewertung von Unternehmen zu mausern, wird einen weiteren Paradigmenwechsel darstellen.
Denn dann wird sie nicht nur in der Lage sein, Fragen wie „Wird Qualität erzeugt?“ oder „Ist das Prozess-System des Unternehmens robust?“ zu beantworten. Sondern eben auch die im globalen Wettbewerb allfälligen Fragen wie:
  • „Ist die Supply Chain in ihrer Gesamtheit robust und effizient?
  • “ Sind die Schnittstellen zwischen den einzelnen Agenten optimal angelegt?“
  • „Sind alle Prozesspartner finanziell solide?“
  • „Ist die existierende Konstellation wettbewerbsfähig?“
  • etc.
Der TÜV Hessen wird als einer der Vorreiter dieser Entwicklung mit Sicherheit dabei sein.
TÜV Hessen GmbH, Darmstadt
QE 502
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