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Regelkreis für die Qualität

Von FMEA bis Reklamationsmanagement – CAQ-Systeme liefern eine einheitliche Sicht
Regelkreis für die Qualität

CAQ-Software ist die Grundlage für ein durchgängiges Qualitätsmanagement. Sie spart Zeit und sorgt für Transparenz. Die Einführung eines Systems kann aber weit reichende Auswirkgungen auf das Unternehmen haben. Um Akzeptanzprobleme zu vermeiden, müssen Mitarbeiter frühzeitig eingebunden werden.

Markus Strehlitz

2012 wurden so viele Fahrzeuge wie noch nie in die Werkstätten zurückbeordert, so eine Studie des Center of Automotive Management (CAM). Allein in den USA waren 15,6 Millionen Pkw und leichte Lastwagen von Rückrufen betroffen. Eine der Ursachen für den Negativ-Rekord: Die Zulieferer stellen mittlerweile den größten Teil eines Autos her. Der OEMs dirigiert quasi nur noch die Gesamtproduktion. Dadurch wachsen laut CAM die Anforderungen an das Qualitätsmanagement. Hinzukommen Wettbewerbs- und Kostendruck.
Der Druck, dem die Unternehmen in der Automobilindustrie zunehmend ausgesetzt sind, ist einer der Gründe, warum in dieser Branche der Einsatz von CAQ-Software weit verbreitet ist – also spezialisierte Programme für Qualitätsmanagement und -sicherung. Das berichtet Bernd Ludwig, Geschäftsführer des Anbieters iqs. „Die Unternehmen ersetzen verstärkt ihre selbst gestrickten Lösungen durch professionelle CAQ-Systeme“, so Ludwig.
Firmen erhalten von Herstellern wie iqs, Böhme & Weihs oder Babtec ganze Software-Pakete, deren einzelne Module alle Aufgaben rund um das Thema Qualität abdecken. Dazu zählen Programme für folgende Bereiche:
  • Qualitätsvorausplanung (APQP)
  • Fehlermöglichkeit- und Einflussanalyse (FMEA)
  • Erstmusterprüfbericht (EMPB)
  • Prüfplanung (PPL)
  • Prüfmittelmanagement (PMM)
  • Wareneingangsprüfung (WE)
  • Fertigungsprüfung (SPC)
  • Reklamationsmanagement
  • Audit-Management
  • Fehlermanagement
Hinzu kommt ein Qualitätsmanagement-Informationssystem, das die Daten aus allen Modulen zu Informationen verdichtet und sie dem Management in Tabellen oder Grafiken bereit stellt.
Eine solche einheitliche Sicht ist möglich, da alle Anwendungen miteinander integriert sind. Werden für die verschiedenen Einsatzbereiche selbst gestrickte Programme oder Software-Werkzeuge wie Word oder Excel verwendet, entstehen dagegen viele kleine Insellösungen. Ein Sammelsurium aus Einzelsystemen, die nicht miteinander veknüpft sind und in denen Daten teilweise redundant gehalten werden.
„Wer professionelle CAQ-Software einführt, erhält eine durchgängige Lösung ohne Medienbruch“, erklärt Ludwig. Durch die enge Verbindung zwischen den Modulen entstehe quasi ein Regelkreis für das Qualitätsmanagement.
Entscheidend ist dabei ein Grundprinzip eines CAQ-Systems: Alle Informationen, die in den einzelnen Modulen entstehen oder von diesen verarbeitet werden, liegen in einer Datenbank – also einem zentralen Ort. Auf dieses Datenlager greifen alle am Qualitätsmanagement beteiligten Prozesse zu. Sämtliche Informationen sind somit stets aktuell. So stehen zum Beispiel Daten aus FMEA automatisch auch den Nutzern der anderen Module zur Verfügung – etwa im Prüfplan oder im Reklamationsmanagement. Alle Mitarbeiter erledigen ihre Aufgaben auf einer einheitlichen Datenbasis.
Unstimmigkeiten werden frühzeitig entdeckt
Der Nutzen zeigt sich vor allem in der höheren Geschwindigkeit, mit der Aufgaben nun erledigt werden können. So arbeitet zum Beispiel SEW-Eurodrive, ein Anbieter von Antriebs- und Automatisierungstechnik, mit CAQ-Modulen von iqs für den Erstmusterprüfbericht und die Wareneingangsprüfung. Laut Anwender lassen sich Sollmessberichte und Prüfpläne im Wareneingang nun doppelt so schnell erstellen wie vorher.
Beim Datenaustausch mit den Lieferanten werden Unstimmigkeiten frühzeitig aufgedeckt. Durch die Übernahme der CAD-Daten zur Erstellung des Sollmessberichts gibt es zudem keine Übertragungsfehler mehr.
Wenn ein Unternehmen mit einem einheitlichen CAQ-System statt mit Insellösungen arbeite, seien sämtliche Prozesse transparenter, meint Professor Norbert Böhme, Geschäftsführer von Böhme & Weihs. Der konkrete Nutzen zeigt sich seiner Meinung nach auf breiter Basis: „Eine systemgestützte Optimierung qualitätsrelevanter Prozesse wirkt sich direkt auf die Produktqualität und somit auf die Kundenzufriedenheit aus“, so der Chef von Böhme & Weihs. „Schnellere Reaktionen auf Fehler, Produktionsstabilität durch kontinuierliche Prozessregelung und Traceability entlang der gesamten Fertigung sind nur einige positive Effekte von CAQ-Software auf dem Weg zur Null-Fehler-Strategie.“
Wer ein CAQ-System einführen möchte, um sein Qualitätsmanagement zu verbessern, muss aber wissen: Die Software ist nur das Werkzeug. CAQ ist vor allem eine Strategie und das dazugehörige IT-System dient dazu, sie umzusetzen.
Eine solche Strategie kann weit reichende Konsequenzen für das Unternehmen haben. So werden etwa Prozesse verändert, weil Daten dank der CAQ-Software früher zur Verfügung stehen. Ein Erstmusterprüfbericht wird dann zum Beispiel auch schon in der Konstruktionsabteilung mit Informationen befüllt. „Die Auswirkungen einer CAQ-Strategie gehen weit über die Qualitätsbereiche hinaus“, sagt Ludwig.
Das kann auch dazu führen, dass die Entscheidung für eine CAQ-Software zunächst nicht nur auf Begeisterung bei den Nutzern stößt. „Eine neue Software kämpft oftmals mit Akzeptanzproblemen, denn Arbeitsstrukturen, die jahrelang entwickelt und angewandt wurden, werden plötzlich verändert“, weiß Böhme. Viele Mitarbeiter lösten sich zum Beispiel nur ungern von ihren eigenen Listen, die sie schon seit Jahren pflegen und die sie nicht mit ihren Kollegen abstimmen mussten. Die mit der Einführung des Systems verbundene Vereinheitlichung wird laut Böhme oftmals als „umständlich abgetan“.
Böhme berichtet noch von einer weiteren Schranke in den Köpfen der Mitarbeiter. „Ein CAQ-System sorgt für Transparenz“, so der Experte. „Getrennt gehaltene Daten werden bei der Einführung zusammengeführt und leiten zu einer verständlichen Sorge, dass Daten missbraucht werden könnten.“
Ludwig von iqs legt den Firmenverantwortlichen ans Herz, alle Beteiligten frühzeitig mit ins Boot zu holen, um solche Akzeptanzprobleme zu vermeiden. So müssten etwa „die Prozess-Owner schon in die Evaluationsphase eingebunden werden“.
Eine besonders wichtige Rolle spielen dabei Schulungen. Wenn Mitarbeiter Schwierigkeiten haben, mit den Veränderungen umzugehen, könne eine „motivierende Schulung die Situation entscheidend entschärfen“, meint Böhme. Auch Ludwig hält das Training der Software-Anwender für entscheidend bei der Einführung eines CAQ-Systems. 10 bis 15 Tage müssten Unternehmen für Schulungen einplanen. „Damit ist dieses Thema der Flaschenhals bei der Implementierung einer CAQ-Software“, sagt Ludwig. Es nehme viel Zeit in Anspruch.
Ein CAQ-Projekt lässt sich ohnehin nicht von heute auf morgen umsetzen. „Neun bis zwölf Monate könnten eine realistische Einschätzung sein, um ein komplettes CAQ-System zum Beispiel in einem Automotive-Unternehmen einzuführen“, glaubt Ludwig. „Es könnte aber auch ein sehr ambitionierter Zeitplan sein.“
Schnittstellen machen Arbeit
Die notwendigen Schulungen sind aber nicht allein dafür verantwortlich, dass ein CAQ-Projekt länger dauern kann. Es gibt noch andere Zeitfresser. Dazu zählt zum Beispiel die Integration der Software in die bestehenden IT-Anwendungen des Unternehmens – wie etwa ERP/PLM-, BDE und CAD-Systeme oder Messmaschinen.
Nicht immer verwenden alle involvierten Systeme offene Standards, um die Programme miteinander zu verknüpfen. Schnittstellen müssen dann zeitaufwändig angepasst werden.
Die Kopplung mit vorhandenen Systemen sei aber entscheidend für den Projekterfolg, sagt Böhme. „Erst durch einen hohen Integrationsgrad ergeben sich deutliche Prozessverbesserungen und Aufwendungen für die Datenhaltung und –pflege: keine doppelte Stammdatenpflege und keine doppelte Eingabe der Prozessinformationen. Und die Integration in Outlook und Office steigert den Arbeitskomfort erheblich.“
Auch wenn der Aufwand für die Einführung einer CAQ-Lösung nicht unterschätzt werden darf – er ist es wert, wenn die richtigen Rahmenbedingungen gegeben sind. „Eine Investition in CAQ-Software lohnt sich, wenn sich aus einer zu erstellenden ROI-Betrachtung ableiten lässt, dass sie sich im Rahmen von ein bis zwei Jahren rentieren wird“, erläutert Böhme.
Zu den Voraussetzungen, die im Unternehmen gegeben sein sollten, sagt: „,Man braucht klare Vorstellungen welche Prozesse und Aufgabenstellungen abgedeckt und welche nicht abgedeckt werden sollen.“ Wichtig sei auch eine Übersicht über alle anzubindenden Systeme.
Zudem sollten sich die Module des CAQ-Systems beliebig zusammenstellen lassen, so Böhme. „So kann die Software den individuellen Anforderungen des Unternehmens genau gerecht werden. ■

Kennzahlen auf dem Handy
Der Trend zur Mobilität macht auch vor Qualitätsmanagement nicht halt. Anwender wollen CAQ-Funktionen auf ihren Smartphones und Tablets nutzen. So ist zum Beispiel das individuelle Online-Portal von Babtecs CAQ-System R6 auch auf mobilen Geräten abrufbar. Über entsprechende Apps können Mitarbeiter von unterwegs zum Beispiel auf ihr Kennzahlencockpit zugreifen. Das System unterstützt Android-, Apple-, Windows-, Blackberry- und Linux-Geräte.
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