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Rückverfolgbarkeit bis zum Bauteil

Imageschäden bei Rückrufaktionen reduzieren
Rückverfolgbarkeit bis zum Bauteil

Rückrufaktionen sind von Herstellern und Vertreibern gefürchtet. Keiner möchte seinen Kunden gefährden oder den Imageschaden hinnehmen, den eine solche Aktion mit sich bringt. Und doch ist niemand vor diesen Situationen gefeit. Trotz ausgefeilter Mechanismen zur Qualitätsprüfung lassen sich Rückrufaktionen letztlich nie zu hundert Prozent vermeiden, zum Beispiel wenn die Probleme erst bei der Produktbeobachtung auf dem Markt bekannt werden. Gut dran ist dann, wer jetzt genau nachvollziehen kann, in welchen Produkten die fehlerhaften Bauteile eingebaut sind. Traceability (Rückverfolgbarkeit) ist zwar heute in aller Munde, aber in der Elektronikfertigung wird sie selten so konsequent umgesetzt, dass man genau ermitteln kann, welche Bauteile welcher Charge auf welcher Baugruppe verbaut wurden.

Dipl.-Ing. (FH) Nora Homburg und Dipl.-Ing. (FH) Dietrich Homburg, Redaktions Büro Stutensee

Kritiker der Traceability mögen sagen: Wer Geräte gleich richtig baut, muss sich mit Rückrufaktionen gar nicht erst herumschlagen. Realisten hingegen wissen, dass man trotz vorbeugender QS-Maßnahmen wie Risikoanalysen, FMEA, Prozessqualifikation, Bauteilqualifikation und dergleichen Fehler nie komplett ausschließen kann. Es kommt durchaus vor, dass erst im Feldeinsatz versteckte Fehler beziehungsweise Funktionsunsicherheiten bekannt werden. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Sie reichen von Bauteilchargenproblemen über Materialfehler bis hin zu unvorhersehbaren Störgrößeneinflüssen.
Was tun, wenn nachträglich Fehler bekannt werden?
Bei der Beantwortung der Frage, wie man mit Fehlern umgehen soll, sind Hersteller nicht völlig frei. Verordnungen, Richtlinien und Gesetze, wie zum Beispiel das Produkthaftungsgesetz, machen hier klare Vorgaben. Darin ist unter anderem die Pflicht zur Produktbeobachtung verankert, wie auch das Verhalten eines Herstellers, wenn dabei Probleme bekannt werden. Um Folgeschäden abzuwenden, sind dann Rückrufaktionen manchmal unerlässlich. Und es ist ja durchaus im Interesse des Herstellers, sich dadurch vor hohen Schadensersatzansprüchen zu schützen.
Die Frage stellt sich, was zurückgerufen wird. Gängige Praxis ist, alle bzw. alle in einen bestimmten Zeitfenster gefertigten Systeme zurückzurufen. Das ist nicht nur teuer, sondern vergrößert unnötig den Imageschaden. Denn manchmal ist ja nur ein Bauteil einer Charge für die Probleme verantwortlich, es werden aber oft Bauteile unterschiedlicher Chargen in eine Baugruppe eingebaut. Daher ist es besser, nur die Systeme zurückzurufen, die auch wirklich von dem Problem betroffen sind. Aber kaum ein Baugruppenbestücker hat derzeit die technischen Mittel, das zu tun.
Wissen, wo der Wurm drin ist
bebro electronic, ein Komplettanbieter, der kundenspezifische, elektronische Baugruppen, Geräte und Systeme entwickelt und produziert, bietet seinen Kunden Traceability bis zum einzelnen Bauteil. Werner Seyferle (Bild 1), Leiter der Qualitätssicherung erläutert: „Natürlich ist unser oberstes Ziel, fehlerfreie Produkte herzustellen. Dazu haben wir ein Nullfehlerkonzept entwickelt, das eine Baugruppe während des gesamten Produktionsablaufs begleitet.“ Aber er sieht die Dinge auch realistisch: „Trotz dieser Bemühungen können Chargenfehler nicht immer vermieden werden. Manchmal erhalten wir zum Beispiel erst nachträglich die Information, dass die Bauteile einer Charge fehlerhaft waren. Und klar, wenn man ein Chargenproblem hat, hat man immer auch einen Imageschaden. Die Frage ist, wie wir diesen für unsere Kunden so gering wie möglich halten. Eben aus diesem Grund haben wir ein Konzept entwickelt, dass es uns ermöglicht, im Falle einer Rückrufaktion nur die Baugruppen zurückzurufen, die auch wirklich von dem Problem betroffen sind.“
Dazu muss man aber sehr genau nachvollziehen können, welches Bauteil welcher Charge auf welcher Baugruppe bestückt wurde. Das erscheint auf den ersten Blick vielleicht einfach. Der Aufwand, den Rückverfolgbarkeit bis zum einzelnen Bauteil mit sich bringt, wird aber schnell klar, wenn man bedenkt, dass auf eine durchschnittliche Leiterplatte ca. 500 Bauteile aufgebracht sind. Ein ausgefeiltes Rückverfolgungssystem, das mit dem Einkauf von Bauteilen beginnt und erst mit der Auslieferung der fertigen Baugruppe an den Kunden endet, ermöglicht Traceability bis zum einzelnen Bauteil. Spätestens in dem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob man ein solches System selbst einführen will oder ob man die Fertigung nicht besser zum Dienstleister auslagert.
System zum Rückverfolgen von Bauteilen
Werner Seyferle weiß aus Erfahrung: „Will man bis ins kleinste Detail zurückverfolgen, was wann und wo verbaut wurde, ist eine grundsätzlich andere Herangehensweise an die Bestückung notwendig. Das beginnt schon bei der Bauteilebeschaffung. bebro electronic hat dazu ein durchgängiges Konzept entwickelt.“ Am Anfang steht dort deshalb eine Liefervorschrift für die chargengetrennte Anlieferung von Bauteilen. Das klingt einfacher als es ist: Kleinere Stückzahlen werden bestellt und die Lieferanten müssen damit klar kommen, dass die geforderten Mengen oft nicht mit den üblichen Verpackungsgrößen übereinstimmen. Das System zur Rückverfolgung beeinflusst zudem die chargengetrennte Erfassung der Bauteile im PPS-System beim Wareneingang. Alle wesentlichen Bauteilinformationen werden im Computer Aided Qualitysystem hinterlegt. Und auch im automatischen Kleinteile-Lager (AKL) müssen die Bauteile chargengetrennt gelagert werden (Bild 2).
Zum Produzieren werden die Bauteile – ebenfalls Charge für Charge – nach dem First-In-First-Out-Prinzip kommissioniert. Dabei ist nicht nur eine gute EDV-Unterstützung notwendig. Auch die Arbeitsanweisungen müssen eindeutig sein, zum Beispiel, was zu tun ist, wenn für eine Produktion Bauteile aus verschiedenen Chargen verwendet werden. Entsprechend müssen dann die Chargennummern im Bestückungssystem erfasst und mit dem jeweiligen Förderer direkt verknüpft werden (Bild 3).
Eindeutige Benennung jeder Baugruppe
Herzstück für die Rückverfolgbarkeit ist ein Etikett mit einem 2D-Barcode, das zur eindeutigen Benennung auf jede Baugruppe aufgebracht wird (Bild 4). Seine Position wird bereits im Layout festgelegt. Es wird vom Bestückungsautomaten wie jedes andere Bauteil behandelt und grundsätzlich als erstes „Bauteil“ auf die Leiterplatte aufgebracht. Eine Kamera liest im nächsten Schritt die Fertigungsnummer aus. Da somit beim Bestücken die Bauteile auf eine eindeutig identifizierbare Platine gesetzt werden, lassen sich die Chargennummern der einzelnen Bauteile direkt der Platine zuordnen.
Nach bestandener Funktionsprüfung und vor Auslieferung an den Kunden wird jede Fertigungsnummer mit einer Kundenseriennummer verknüpft und zusammen mit allen anderen Daten in einer Datenbank erfasst, wo sie jederzeit zur Verfügung stehen. Werner Seyferle bestätigt: „Sicher, das bringt durchaus Aufwand mit sich. Sollte aber nun trotz unseres Nullfehlerkonzepts ein Chargenproblem auftreten, haben wir die Möglichkeit, gezielt einzugreifen. Mit Hilfe der Datenbank können wir die betroffenen Fertigungsnummern und die zugehörigen Kundennummern ermitteln. So ist es ganz einfach, gezielt nur die Kunden zu informieren, die auch wirklich von dem Problem betroffen sind. Davon können unsere Kunden nur profitieren.“
bebro electronic, Frickenhausen
QE 503
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