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Standpunkt

Aufbau integrierter prozeßorientierter Management-systeme
Standpunkt

In „KONTROLLE“ 10/95 wurden von den Autoren Erfahrungen aus dem Aufbau von QM-Systemen dargestellt. Ausgehend von dem positiven Echo auf diese Veröffentlichung, werden weitere Erfahrungen aus der logischen Fortsetzung dieses Weges übermittelt.

Dipl.-Wirtsch.-Ing. WilliRichter, Richter & Partner,Scheidegg/Lindenau TÜV Sachsen GmbH,Geschäftsstelle Leipzig;Dr. rer. nat. Walter Jahn,Bölitz-Ehrenberg/Leipzig;

Aus den Erfahrungen über den TQM- orientierten Aufbau von Qualitäts-, Umwelt- und Sicherheits-Managementsystemen und der Prozeßverbesserung resultieren die hier dargestellten Vorschläge und Hinweise über die notwendige Integration der Management Systeme und Prozeßverbesserung zur Steigerung der Produktivität.
Die Situation
Die Entwicklung der letzten Jahre bis in die Gegenwart ist geprägt durch den TQM-orientierten Aufbau von Qualitäts-, Umwelt- und Sicherheits-Managementsystemen. Erst in der jüngsten Vergangenheit findet man in der Literatur Ansätze über die Fortführung bzw. Erweiterung der Aktivitäten zur Verbesserung der betrieblichen Situation hinsichtlich der Reaktion auf die Globalisierung der Güter- und Kapitalmärkte, der Verschärfung des Wettbewerbs, der Verbesserung der Kundenzufriedenheit und der Erhöhung der Wirtschaftlichkeit. Aus diesen Ansätzen lassen sich die folgenden Schwerpunkte herauskristallisieren:
1. Verstärkung des TQM-orientierten Aufbaus der Systeme und Orientierung am European Quality Award (EQA) der European Foundation for Quality Management (EFQM), wie z.B. bei Seghezi u.a. [1997] und Radke [1997] nachgelesen werden kann. Die Managementsysteme dienen der wirtschaftlichen, flexiblen, qualitäts- und umweltgerechten Entwicklung und Herstellung von Produkten und Leistungen und der Verbesserung von Prozessen und Produkten. Sie sind vorteilhaft bei Produkthaftungsfällen und dienen außerdem der Einhaltung der gesundheitlichen und arbeitstechnischen Sicher-heit, der Verbesserung der Marktchancen, und der Einhaltung gesetzlicher Anforderungen als ersten Schritt in Richtung gerichtsfeste Organisation. Für den Aufbau solcher Systeme und deren Überprüfung sind zentrale Vorgaben und Kriterien erforderlich. 2. Vergabe zweier Zertifikate (DIN EN ISO 9001/2 und nach VDA 6) z.B. für die Zulieferer der Automobilindustrie, siehe z.B. Cziudaj [1997].
Aufgrund der für die Branche unzureichenden Aussagefähigkeit der Zertifikate nach DIN EN ISO 9001/2 sahen sich die Auto-mobilhersteller veranlaßt, bei ihren Lieferanten individuelle zeit- und kostenintensive (second party) System Audits zur Beurteilung der Qualität durchzuführen. Ende 1994 haben sich die amerikanischen Automobilhersteller auf gemeinsame, gegenüber DIN EN ISO 9001 deutlich erhöhte Basisanforderungen geeinigt und einem branchenspezi-fischen Zertifizierungsverfahren (QS 9000) zugrundegelegt. Als deutsches Gegenstück existiert durch den Verband der Automobilindustrie (VDA) 1996 in der VDA-6 Strategie eigene Anforderungen als Zertifizierungsgrundlage festgelegt.
3. Produktoptimierung durch Produktbeobachtung über den Lebenszyklus, z.B. bei Schlingensiepen u.a. [1997]. Durch die häufig gestellten Unternehmerfragen
l Warum kann mir mein Produkt nicht gleichgültig sein, nachdem es meine Werktore verlassen hat?
l Ich habe während der Fertigung auf 100 %-Qualität geachtet, außerdem ist mein Betrieb doch zertifiziert. Warum sollte ich mir denn Gedanken machen?
l Es gibt verschiedene Gründe, warum die Sorgfaltpflicht nicht am Werkstor enden darf. Warum sollte ich mein Produkt be- obachten?
werden die folgenden Faktoren für die Notwendigkeit der Produktbeobachtung begründet:
u Anforderungen des Marktes im Sinne des Images eines Herstellers
u Produktoptimierung hinsichtlich der Ab- stimmung der Lebensdauern der einzel- nen Komponenten auf die zu erwartende Lebensdauer des Gesamtproduktes
u gesetzliche Vorschriften.
4. Prozeßmodellierung, bzw. allgemeiner Modellierung zur Verbesserung, Beherrschnung und Steuerung der vernetzten betrieblichen Herstellungs- oder Dienstleistungs- und Geschäftsprozesse, z.B. in Hengesbach u.a. (1997), Hofmann u.a. (1997), Jahn (1994), (1995) und (1997). Die Integration dieser verschiedenen Richtungen ist das Anliegen.
Das Unternehmen
Ein Unternehmen kann am einfachsten dargestellt werden, indem man sich vergegenwärtigt, was nach einer Kundenanfrage zu tun ist. Diese Aktivitäten sind in Abb. 1 dargestellt. Hieraus liest man sofort ab, daß die einzelnen Aktivitäten aufeinander aufbauen. Man sagt dazu, sie sind nicht unabhängig, sondern vernetzt.
Der Prozeß
Jede Aktivität wird als Prozeß dargestellt. Das hat den Vorteil, daß für jeden Prozeß das Ursache-Wirkungs-Prinzip angewandt werden kann, nachdem die Wirkung oder das Ergebnis eines Prozesses, wir nennen das in jedem Falle Produkt, unabhängig davon, ob es sich um einen Wertschöpfungs- oder Dienstleistungs- oder Geschäftsprozeß handelt, durch die Ursachen, das sind die Eingangs- oder Inputgrößen und die Prozeßparameter, beeinflußt werden kann. Dieser Gedanke gewinnt besondere Bedeutung dadurch, daß durch die Kundenanforderungen jedes Produkt gewollte Merkmalsausprägungen haben muß. Jedes Produkt wird durch die Produktparameter beschrieben.
Das Problematische, aber auch Interessante sowohl für die drei verschiedenen Managementsysteme als auch für die Steuerung dieser Netzwerke sind die Schnittstellen zwischen den Prozessen, die ja erst die Kommunikation zwischen den verschiedenen Prozessen und damit das Managen der Prozesse ermöglichen.
Die Schnittstellen werden durch die Kunden-Lieferanten-Verhältnisse beschrieben. Für ihre Realisierung werden vom Kunden die Anforderungen an die Lieferantenprozesse bezüglich aller Produktparameter formuliert und gegebenfalls gemeinsam spezifiziert. Zu den Anforderungen zählen natürlich auch die Anforderungen von der Umwelt und der Sicherheit an das fertige Produkt. Die Verantwortlichen der Lieferantenprozesse müssen ihre Prozesse so steuern und regeln, daß alle Kundenanforderungen erfüllt werden und den Nachweis führen, daß alle Anforderungen durch ihre Produkte erfüllt sind. Hierfür sind neue statistische Methoden, die wir aber bereits bereitgestellt haben, erforderlich. Diese Methoden ermöglichen einen Nachweis über den Grad der Prozeßbeherrschung und helfen bei den Prozeßverbesserungen, falls die Fähigkeiten der Prozesse zu gering sind, wie aus Abb. 2 abgelesen werden kann. Diese Methoden wurden erfolgreich bei der Verbesserung der technischen Prozesse, Geschäfts- und Dienstleistungsprozesse zur Reduzierung der Aufwendungen und Kosten angewandt.
Die Prozeßverantwortlichen wirken neben diesen drei Hauptaufgaben an der Erarbeitung der Managementsysteme mit und sind die Hauptträger der prozeßorientierten Aufbauorganisation, in der Verantwortung, Unterstellungen und Kompetenzen, einschließlich der Stabsfunktionen, geregelt sind. Die prozeßorientierte Aufbauorganisation gestattet im Sinne von TQM qualitätsorientiertes Handeln, da die Qualität als die Erfüllung aller Anforderungen, einschließlich der Umwelt-, Sicherheits- und Serviceanforderungen für jede Schnittstelle und damit für jeden Prozeß in diesem Netzwerk definiert und durch Prozeß- und/oder Produktfähigkeiten nachgewiesen werden muß.
Die Ablauforganisation ist dann entsprechend der Aufbauorganisation natürlich auch prozeßorientiert. Serien-, Standard-, Routineaufträge und die Entwicklungsarbeit für noch nicht dagewesene Aufträge durchlaufen die vernetzten Prozesse, wobei jeder Prozeß Kunden- und Lieferantenprozeß zugleich ist. Daraus folgt aber, wie vorn schon dargelegt, daß jeder Kundenprozeß seine Anforderungen an das Produkt definieren muß, egal ob es sich um Anforderungen technischer Art, Umweltanforderungen, Sicherheits- oder Serviceanforderungen handelt.
Das heißt aber, daß es keine Trennung zwischen den verschiedenen Systemen Qualität, Umwelt und Sicherheit gibt. Der Zustand, daß eine Abteilung für die qualitätsgerechte Entwicklung der Produkte oder Prozesse und eine andere für umweltgerechte Entwicklung zuständig ist, sollte damit der Vergangenheit angehören.
Alle anderen Aufgaben eines Unternehmens, wie z.B. Personalbeschaffung, Schulung der Mitarbeiter, Investitionsvorhaben, Instandhaltungsmaßnahmen usw. unterliegen derselben Logik und müssen folglich analog behandelt werden.
Managementsysteme beruhen auf diesen Gesetzmäßigkeiten, ermöglichen den Prozeßverantwortlichen ihre Arbeit, lösen alle zentralen Aufgaben, wie Risikoanalysen, Auditvarianten, Grundsatzerklärungen (Politik), Programme, Firmenvisionen usw. und sorgen für die notwendigen Rahmenbedingungen für das Funktionieren der Netzwerke von Prozessen, indem z.B. diese vorgeschlagenen Strukturen gebildet und die Prozeßverantwortlichen qualifiziert und mit dem notwendigen Maß an Verantwortlichkeit und Vertrauen ausgerüstet werden.
In einem Organisationshandbuch müssen die fachlichen Zusammenhänge gerichtsfest dokumentiert werden. Das Handbuch sollte allen Mitarbeitern als Richtschnur für ihr Handeln dienen und kein Selbstzweck für Qualitätsabteilungen oder Beauftragte sein. Dieses Vorgehen ist für die Mitarbeiter verständlicher, da sie sich selbst finden und sich nach dem Handbuch richten können. Die Motivation der Mitarbeiter an solchen Handbüchern mitzuarbeiten wird erheblich größer sein als vorher.
Nach diesem Grundprinzip wurde das Managementhandbuch für mehrere Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größe er-folgreich aufgebaut. Das Problem dieser ganzheitlichen Realisierung liegt darin, einen Experten oder ein Team zu finden, der oder das kompentent und bereit ist, dieses Spektrum einheitlich im Sinne der Firma ohne Eigennutz umzusetzen. Ressortdenken ist hierbei nicht gefragt. Der Besuch eines Lehrgangs oder eine einmalige Realisierung in einer Firma reichen als Voraussetzung nicht aus. Es sind Erfahrungen und Verständnis für betriebliche Abläufe in vernetzten Prozessen, die Kunst der Motivation der Mitarbeiter und Grundkenntnisse der Prozeßverbesserung, sowie Grundkenntnisse der Fabrikplanung gefragt. Durch die Integration der Systeme Qualität, Umwelt, Sicherheit, Prozeßverbesserung mit dem Schwerpunkt Management kommen immer mehr Zweifel an der starken Orientierung der Zuordnung des Qualitätsmanagementsystems zur Qualitäts-/Prüfwesenabteilung auf. Der Aufbau von Managementsystemen und die Übertragung der Verantwortung für die Aktualisierung und Verbesserung der Systeme auf die Prozeßverantwortlichen und Mitarbeiter mit Managementfähigkeit und der Unterstützung der Unternehmensführung ist in der Regel effizienter als auf Funktionen bzw. Mitarbeiter mit vorrangig Kontrollaufgaben/-fähigkeit, da aufgrund der ganzheitlichen Unternehmensdarstellung die Akzeptanz größer ist.
Die Integration der Mitarbeiter und damit Motivation der Mitarbeiter ist eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der Arbeit. Zufriedene Mitarbeiter sind eine Voraussetzung für zufriedene Kunden des Unternehmens.
Literatur
R. Böhmer und L. Schnitzler: Etikettenschwindel. Wirtschaftswoche 30, 1996. S. 30-34
M. Cziudaj: Marterstrecke für Zulieferer.
QZ 42, 8, 1997. S. 861-866
W. Geiger: Was bringt die neue ISO 9000- Familie? QZ 42, 8, 1997. S. 884-887
H. Grobholz: TQM und Umweltschutz.
Kontrolle 11/96, S. 4-6
ISO 9000 geht jeden an.
Kontrolle 5/95, S. 59
G. Hengesbach, U. Klinkenberg: QM-System muß gelebt werden.
QZ 42, 8, 1997. S. 872- 883
M. Hofmann, H. Pacyna, J. Wirnsperger:
Was beim Bananenkauf zu beachten ist …
QZ 42, 8, 1997. S. 898-902
W. Jahn: Qualitätsverbesserung durch statistische Prozeßanalysen. QZ 1/94, 2/94, 3/94
W. Jahn: Qualitätsverbesserung durch Prozeßanalysen. Kontrolle 2/95, S. 34-36
W. Jahn: Prozesse sensibler steuern.
Prozeßfähigkeiten und deren Verallgemeinerung auf andere Verteilungstypen sowie mehrere Produktparameter. QZ 42, 4/97, S. 440-448
P. Kühne: Praxisorientiert.
Kontrolle 10/95, S. 4-6
B. Otto: TQM – Ende der Königreiche.
Kontrolle 6/97, S. 12-16
P. Radtke: TQM einführen – aber wie.
QZ, 42, 6, 1997. S. 655-660
J. Rieker: Normen ohne Nutzen?
Manager Magazin, 12/95, S. 201-207
J. Schlingensiepen, M. Sohni: Produktbeobachtung, aber wie?
Kontrolle 7-8/97, S. 14-15
G. Schneider, F. Riemenschneider: Zwei Schritte weiter. QZ, 42, 9, 1997. S. 969-973
H.D. Seghezzi, S. Dahlen: Schritt für Schritt zu TQM. QZ 42, 5/97, S. 553-556
Weitere Informationen A QE 301
Dr. rer. nat. Peter Kühne,
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