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Störer lauern an vielen Stellen

Herausforderungen beim Inspizieren von Objekten
Störer lauern an vielen Stellen

Eine Vielzahl von Faktoren hat Einfluss auf die Leistungsfähigkeit eines Bildverarbeitungs-systems. Verschiedene Punkte müssen beachtet werden, um eine mögliche Reduktion der Systemgenauigkeit und eine Erhöhung von Pseudo-Ausschuss zu vermeiden. Dazu zählen die Variationen der Bauteile, die Bildverarbeitungskomponenten und auch der Faktor Mensch.

Der Einsatz industrieller Bildverarbeitung ist aus modernen Fertigungsprozessen nicht mehr wegzudenken. Immer kleinere Bauteilstrukturen können geprüft werden – aufgrund von Sensorauflösungen, die über die vergangenen Jahre kontinuierlich gestiegen sind. Heute verfügbare Rechenpower erlaubt selbst beim Einsatz komplexer, moderner Algorithmen Prüfvorgänge mit hohen Taktraten.

Trotz dieser günstigen Ausgangssituation haben viele Anwender von Bildverarbeitungssystemen in der Praxis jedoch Schwierigkeiten, zuverlässige Prüfergebnisse zu erzielen. Ursache dafür ist häufig die Komplexität eines industriellen Auswerteprozesses. Die Systemgenauigkeit und Stabilität eines Bildverarbeitungssystems wird nicht nur durch das verwendete System selbst vorgegeben, sondern von einer Vielzahl weiterer Parameter und Störgrößen beeinflusst.
Dazu zählen:
  • Variation der Bauteile
  • Einflüsse der Bildverarbeitungskomponenten
  • Software-Algorithmen und deren Parametrisierung
  • Mechanik/ Anlage/ Zuführung
  • Umwelteinflüsse
  • Faktor Mensch
Besonders von Endkunden wird die Variation der Bauteiloberflächen durch verschiedene Herstellungsprozesse und Zulieferer häufig unterschätzt. Trotz scheinbar identischer Bauteile werden manche davon durch das Inspektionssystem falsch bewertet und ausgeschleust oder fälschlicherweise als Gutteil akzeptiert.
Ursache hierfür sind oftmals Polierungen, Bürstungen oder Beschichtungen wie Vernickelungen, Verzinkungen, Härtungen oder Lacküberzüge von Oberflächen, die unterschiedliche Glanzgrade, Reflektionen und Streueffekte zur Folge haben. Auch die Oxidation von metallischen Oberflächen zum Beispiel infolge von Lagerung führt immer zu einer Veränderung der Oberfläche.
Seltener hergestellte Baugruppen mit lange gelagerten Einzelkomponenten verhalten sich bei der Auswertung daher anders als kurz oder gar nicht gelagerte Teile. Auch Verschmutzungen wie Ölfilme oder Staubablagerungen sind Praxisalltag, die mit einer theoretischen Maßzeichnung wenig zu tun haben.
Insbesondere Temperatureffekte sind schwierig in der Inline-Messung zu handhaben. Bei einer Temperaturänderung von 10 Kelvin – was bei direkter Sonneneinstrahlung im Sommer einer Änderung der Hallentemperatur von 17 auf 27 Grad entsprechen könnte und somit durchaus realistisch ist – dehnt sich ein zehn Zentimeter langes Aluminiumbauteil um rund 0,024 Millimeter aus. So kann die thermische Änderung der Maßhaltigkeit am Bauteil größer sein als die erlaubte Messtoleranz.
Bildverarbeitungskomponenten haben Einfluss auf die Mess- und Prüfergebnisse
Auch die verwendeten Bildverarbeitungskomponenten eines Prüfsystems haben einen Einfluss auf die Mess- und Prüfergebnisse. Dies führt zu unterschiedlichen Inspektionsbildern und somit zu variablen Ergebnissen. Im Folgenden einige Beispiele:
LED-Beleuchtungen zeigen ein Einschaltverhalten, das zu kurzfristigen Lichtverlusten innerhalb der ersten 30 Minuten um bis zu 15 % führt. Des Weiteren ist eine langzeitige Alterung über die Jahre hinweg zu beobachten, die ebenfalls zu Helligkeitsabfällen, aber eventuell auch zu einer Verschiebung des Wellenlängenspektrums führt.
Eine einfache Maßnahme zur Behebung dieser Probleme stellt die Verwendung eines LED-Blitzcontrollers zum präzisen Regeln und Takten der Beleuchtung dar.
Zur optischen Abbildung steht eine Vielzahl von Objektiven zur Verfügung. Prinzipiell ist kein Objektiv ideal, sondern zeigt optische Abbildungsfehler. Zudem kann es nicht beliebig feine Strukturen abbilden. Je nach optischer Konstruktion und Aufwand können jedoch verschiedene Fehler reduziert beziehungsweise nahezu eliminiert werden. Wichtig ist auch hier wieder eine Abstimmung auf die Applikation und den gewählten Kamerasensor.
Häufigstes Abbildungsprinzip sind entozentrische Objektive mit Festbrennweiten. Je nach Arbeitsabstand werden Objekte jedoch unterschiedlich groß abgebildet. Da ein extrem genaues Positionieren oftmals nicht möglich ist und auch Bauteile zulässige Höhentoleranzen aufweisen können, kommt es hier zu sichtbaren Messfehlern. Eine Lösungsoption für Aufgabenstellungen dieser Art sind telezentrische Objekte mit einem objektseitig parallelen Strahlengang.
Eine weitere mögliche Fehlerquelle ist die Wahl und Konfiguration der Kamera. Einfachster und doch häufigster Fehler in der Bildverarbeitung ist das Überbelichten von Bildern. Dies führt zu einer Sensorübersättigung und Überstrahlungseffekten. Ein präzises Messen ist unter diesen Voraussetzungen dann nicht mehr möglich und führt die Subpixeling-Methoden der Bildverarbeitungsalgorithmen zur Bestimmung einer Nachkommastellengenauigkeit ad absurdum.
Großen Einfluss auf die Genauigkeit und Wiederholbarkeit der Ergebnisse haben zudem die implementierten Software-Algorithmen und deren Subpixel-Methoden. Hochwertige Bibliotheken und Produkte bieten oftmals zuverlässigere und präzisere Software-Tools zur Positionierung und Bauteilinspektion als günstigere Alternativen.
So sorgt zum Beispiel eine stabile Nachführung der Tools bei variabler Zuführung der Bauteile dafür, dass immer an der gleichen Stelle geprüft und gemessen wird. Nur so sind Ergebnisse wiederhol- und vergleichbar.
Mechanik,Anlage und Zuführung erzeugen variable Bildperspektiven
Auch das Bauteilhandling und die unterschiedliche mechanische Zuführung, wie zum Beispiel eine Bauteilverkippung oder Offsets in X-, Y- und Z-Richtung erzeugen variable Bildperspektiven und damit verschiedene Prüfergebnisse. Bei längerer Belichtungszeit sollten die Prüfobjekte nicht bewegt werden, um Bewegungsunschärfe im Kamerabild zu vermeiden. Anlagen-Vibrationen können ebenfalls zu unscharfen Bildern führen.
Störend auf das Inspektionsergebnis kann auch eine Vielzahl von Umwelteinflüssen wirken. Neben bereits angesprochenen thermischen Längenausdehnungseffekten an Bauteil und Prüfzelle führen Fremdlichteinflüsse von Sonnenlicht und Hallenbeleuchtung oft zu den größten Störungen. Überbelichtungen, Störreflexe und zusätzliche Schattenwürfe verändern und überlagern die Bildinformation und beinträchtigen deren Auswertung. Ebenso stören Wasser- und Öltropfen, Dampf, Staub und Schmutz den optischen Strahl durch Streuung, Reflektion und Absorption. Auch elektromagnetischer Störstrahlung, die zum Beispiel bei Löt- und Schweißprozessen auftritt, sollte möglichst aus dem Weg gegangen werden.
Der Faktor Menschist sehr komplex
Der Einfluss des Menschen auf das Auswerteergebnis ist sehr komplex. So werden je nach Kenntnisstand und Erfahrung des Entwicklers mannigfaltige Technologien und Algorithmen zur Anwendung gebracht, die unterschiedlich gut geeignet sind, die jeweilige Aufgabenstellung zu lösen und robust gegenüber Störeinflüssen zu sein.
Doch auch im Alltagsbetrieb trennt sich die Spreu vom Weizen. Ein Bildverarbeitungssystem muss im laufenden Betrieb oftmals angepasst und erweitert werden. Unterschiedlich gut geschultes Personal parametrisiert und pflegt die Systeme im Alltag unterschiedlich gut.
Eine Vielzahl von Einflüssen kann die Gesamtgenauigkeit und Robustheit eines Bildverarbeitungssystems beeinträchtigen. Die theoretische, ideale Mess- und Prüfgenauigkeit des Systems kann schon durch einen einzelnen externen Störeffekt zunichte gemacht werden.
Die Aufgabenstellung, die Teilevielfalt und möglichen Fehlerquellen sollten daher schon bei der Systemauslegung im ihrer Gesamtheit berücksichtigt, eliminiert oder möglichst kompensiert werden.
Die Komplexität der Bildverarbeitungsaufgabe muss ganzheitlich angegangen werden
Prozess- und Umweltparameter sowie Bauteilvariationen sind zwar dem Endkunden oftmals bekannt, werden aber häufig nicht als relevante Information identifiziert und dem Bildverarbeitungsspezialisten daher nicht mitgeteilt. Hier führt eine intensive partnerschaftliche Kooperation zwischen dem Endkunden und dem Anbieter der Bildverarbeitungstechnologie am schnellsten zum Ziel, um die Komplexität der vorliegenden Aufgabe ganzheitlich zu erfassen und sie technisch und wirtschaftlich optimal zu lösen.
Unabdingbar ist die Verwendung von ideal auf die Aufgabe abgestimmten Prüfverfahren, Bildverarbeitungskomponenten und Algorithmen, die ebenfalls möglichst gleichbleibende Bildinformationen und Auswertungen erlauben. Für den Anwender führt all dies am Ende zu wirtschaftlicheren Lösungen, eine schnellere Inbetriebnahme, stabilen Anlagen und weniger Pseudoausschuss. ■

Der Autor

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Lars Fermum
Schulungsleiter
Stemmer Imaging

Webhinweis
Informationen rund um die European Imaging Academy finden Sie hier:
http://goo.gl/1ob9hA
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