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Ultraschnelle Vorgänge analysieren

High-Speed-Video hilft das Leben sichern
Ultraschnelle Vorgänge analysieren

Die Entwicklung und Produktion von PKW-Armaturentafeln mit integriertem Airbag sind Zulieferteile mit höchster sicherheitsrelevanter Anforderung. Extreme Ansprüche an Test und Qualitätssicherung sind unumgänglich.

Dipl.-Ing. Kamillo Weiß, Fachjournalist, Leinfelden-Echterdingen

Mit einem recht beeindruckenden dumpfen Knall im Testlabor vollzieht sich binnen eines Augenblicks der äußerst komplexe Vorgang von Zündung und Entfaltung des Airbags in der Fahrgastzelle des PKW. Die Firma Faurecia in Wörth am Rhein entwickelt, testet und liefert Sitze, Cockpit, Tür, Akustik Module, Front-end und Abgasanlagen für die weltweite Automobilindustrie. Hier wurde von der Faurecia in Wörth am Rhein eines der international modernsten Testlabors für Airbags unter Realbedingungen mit Dokumentation und Analyse mittels dem neuen High-Speed-Videosystem SpeedCam Visario der Weinberger AG eingerichtet. Das Ereignis der Airbagentfaltung in maximal 50 Millisekunden gilt es einerseits exakt gesteuert zu Konstruieren und zu Entwickeln.
Andererseits muss auch die Serienproduktion der kompletten Frontkonsolen im Qualitätstest einheitliche sehr eng vorgeschriebene Ergebnisse erzielen.
Komplexe Anforderungen
Der erste Airbag-Prüfstand an diesem Standort wurde bereits 1997 mit einem High-Speed-Videosystem von der Firma Weinberger AG eingerichtet. Hier erfolgte die Ausrichtung des Testlabors in erster Linie für die Serienüberwachung. Durch die rapide gestiegenen Anforderungen der Automobilindustrie war ein weiteres moderneres Testlabor für die Karosserie mit kompletten Konsolen unumgänglich. Das neue Testlabor sollte auch die zukünftigen Ansprüche von höherer Bildqualität mit schnellerer Bildfrequenz erfüllen. Hinzu kam der wichtige Aspekt rationellerer Tests von Fertigungsserien sowie höherer Flexibilität.
Früher waren die Airbags durch Klappenlösungen geprägt. Heute geht es um die schwierige Forderung angenehmer Formgebung der Konsole und einer optischen Unsichtbarkeit der Airbageinpackung. Die Funktion muss über einen breiten Temperaturbereich von 120 °C gewährleistet sein und sich außerdem entlang von Sollbruchlinien immer sauber öffnen.
Dazu bemerkte Gerald Grötzinger, Teamleiter Sicherheitsversuch Research & Development Center Wörth IP – Faurecia-Gruppe: „Wir wollen wissen, welche Auswirkungen das Airbag-Modul auf die komplette Konsole hat. Genau gesagt geht es darum, wo die Konsolenhaut in welcher Weise aufreist und wie sich der Airbag öffnet. Wir müssen in der Analyse immer präziser werden und dadurch auch in die Details zoomen können.“ Je höher hier die Bildauflösung und die Zeitdehnung sind, desto besser sind die Erkenntnisse sowie die daraus folgenden Synergieeffekte. Herr Grötzinger wurde in seiner früheren Tätigkeit bei einem Unternehmen der Automobilbranche in der Anwendung von HS-Video aufwendig geschult, und dementsprechend hoch sind seine Ansprüche.
Die Kamera ist das Gehirn
Die Anforderungen an das neue Prüflabor gingen weit über das Bestehende hinaus und waren deshalb viel komplexer. Für den Fahrer- und Beifahrer-Airbag gilt, dass die ersten zehn Millisekunden von besonderem Interesse sind, um sie so genau wie möglich zu analysieren. Beim Seitenairbag geht es nur mehr um den Zeitraum von fünf Millisekunden. Zu den laufenden Entwicklungstests kam der erheblich angestiegene Anteil der Serientests aus der laufenden Produktion mit Anforderung höherer Flexibilität. Weiterer wichtiger Aspekt für die Zukunft war die Einbeziehung präziser Messtechnik und ein dementsprechender Bedarf an Megapixelauflösung. In der Auswahl des High-Speed-Videosystems im Herbst 2001 war die Messlatte sehr hoch gesteckt. Unter den verschiedenen Anbietern erwies sich das System SpeedCam Visario der Weinberger AG mit Abstand in Leistung und Preis als das Geeignetste.
Es sind vor allem die herausragenden Leistungsmerkmale der von der Weinberger AG entwickelten und in Deutschland produzierten speziellen CMOS Kamera. Die zentrische Reduzierung der Bildauflösung erfolgt in vier Stufen. Die Kamera verfügt über eine Vollbildfrequenz von 1000 B/s bei 1536 x 1024 Pixel Auflösung und eine Farbtiefe von 30 Bit. Im Monochrome-Betrieb hat sie eine Grauwertauflösung von 10 Bit. Bei 2000 B/s liefert sie eine Auflösung von 1024 x 768 Pixel und liegt damit immer noch deutlich über der Qualität nach TV-Norm. Bei 4000 B/s sind es 768 x 512 Pixel, und bei der extremen Zeitdehnung von 10000 B/s steht immer noch eine gute Auflösung von 512 x 196 Pixel zur Verfügung.
Als CMOS-Kamera kennt sie keinen Überstrahlungseffekt (Blooming) und kann sehr hohe Beleuchtungskontraste bewältigen. Damit setzt sie in Auflösung, Dynamik und Rauschen neue Maßstäbe für Hochgeschwindigkeits-Videosysteme, und ist dadurch für viele spezielle Anwendungen noch interessanter geworden. In Kamera-Standardausführung verfügt der interne Bildspeicher über eine Kapazität von 1 GB und kann bis 4 GB aufgerüstet werden. Das reicht für eine bis vier Sekunden Aufzeichnung im RGB-Vollbildformat. Die Bilddaten können in unterschiedlichen Formaten als auch im AVI-Format gespeichert und dadurch auf jedem PC sofort angesehen und die wichtigsten Bildergebnisse per Internet versandt werden. Trotz dem enormen Leistungsumfang ist die Kamera sehr kompakt und verfügt über eine mechanische Stabilität für Beschleunigungen bis zu 100 g. Dies ist zum Beispiel bei Crashtests in der Automobil- oder Flugzeugindustrie für die Kamera überlebenswichtig, weil sie sich beim Test im Fahr- oder Flugzeug befindet. Über nur ein dünnes und flexibles Kabel erfolgt die Signalübertragung als auch die Kamera-Energieversorgung bis 15 m Entfernung. Hinzu kommt das leicht ausbaubare modulare Konzept aus Kamera, LinkBox (bis 100 m Entfernung), dem Control-PC mit Windows 2000 Betriebssystem und interaktiver Bedieneroberfläche für einfachste Installations- und Konfigurationseinstellungen per Parametereingabe. SpeedCam Visario erschließt den autonomen Betrieb von bis zu 20 Kameras und zeichnet sich durch hohe System-Flexibiltät aus. Hinzu kommt weitere unterstützende Software wie z.B. die Reduzierung des Bildes auf die Airbag-Kontur, um anschließend eine Volumenberechnung als Funktion der Zeit zu erhalten. Diese Berechnung ist für die Beurteilung des Airbagverhaltens sehr wichtig.
Die Einschätzung der Kameraleistung drückt Gerald Grötzinger in markanter Weise so aus: „Für uns ist die Kamera das Gehirn der Versuchsanlage. Nur mit deren hoher Zuverlässigkeit, Flexibilität und herausragenden Bildqualität können wir die notwendigen Aussagen sehr präzise und schnell erzielen.“
In der Airbag-Entwicklung wird die Bedeutung von zwei oder mehr Ansichten zunehmend wichtiger. Das erschließt den Schritt zur dreidimensionalen Auswertung der Tests und liefert die realen Basisdaten für die kommenden Computer-Simulationsverfahren. Das erfordert aber immer umfangreichere und hochpräzise Messdaten. Mit einer von Weinberger zur Verfügung gestellten dritten Kamera hat man bereits testweise gearbeitet, um weitere Möglichkeiten in der Prüfung und Auswertung zu erproben.
Die Entscheidung für SpeedCam-Visario liegt auch in der bisherigen guten partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit Weinberger Deutschland GmbH in Karlsruhe und dessen Know-how sowie zuverlässigen schnellen Service. Im Dezember 2001 wurde die neue Prüfkammer in Betrieb genommen und seit Januar 2002 erfolgen die Tests für Entwicklung und der Serie.
Rationelle Serientests
Beim Aufbau der neuen Prüfkammer lagen die Anforderungen von HS-Video deutlich über den Anwendungsaspekten für Forschung und Entwicklung. Aus der laufenden Produktion muss ein vorgegebener Prozentsatz der kompletten Konsolen den Test durchlaufen und als statistische Qualitätskontrolle einwandfreie Ergebnisse erzielen. Erst dann werden die entsprechenden Chargen für den Einbau in die Fahrzeuge frei gegeben. Das verlangt eine wesentlich rationellere Arbeitsweise und höhere Flexibilität vom HS-Videosystem. Damit bewegt man sich entschieden in Richtung der Qualitätskontrolle wie in der industriellen Bildverarbeitung. Dies erfordert nicht nur die hohe Leistungsfähigkeit der reinen Bildaufzeichnung. Immer wichtiger ist, dass die HS-Videodaten Just-in-time aufbereitet und mit hoher Präzision analysiert werden können. Die Bedienungsoberfläche des Systems und die unterstützende effizient arbeitende Auswertungssoftware werden eminent wichtig. Die modulare Systemkonzeption erzielt eine hohe Flexibilität in der Arbeitsweise. Durch mehrere in der Prüfkammer installierte Link-Splitter können bis zu vier Kameras durch einfaches Umstecken sehr schnell mit kurzer Verkabelung anders positioniert werden.
Neben den Test für Forschung und Entwicklung fallen monatlich etwa 150 Serienversuche der verschiedensten Hersteller an. In Anlaufphasen werden auch bis zu 250 Serientests erreicht. Mit zwei Kameras aus unterschiedlichen Richtungen erfolgen die HS-Videoaufnahmen. Das erschließt auch Aussagen über das auftretende Airbagvolumen in zeitlicher Abhängigkeit. Ein wichtiger Aspekt im Hinblick auf die zunehmende Anforderung der sogenannten „out-of-position“. Die Aufnahmefrequenz von 2000 B/s mit 1024 x 768 Pixel Auflösung hat sich als gewisser Standard etabliert und wird von den Kunden hoch geschätzt. Von zunehmender Bedeutung ist aber die Echtfarben-Aufnahme mit 4000 B/s und einer Auflösung von 768 x 512 Pixel. Das liegt deutlich über der Standardauflösung von Kameras in der industriellen Bildverarbeitung und bietet hohe Bildqualität für messtechnische Zwecke.
In der Vergangenheit musste bei hohen Bildfrequenzen mit sehr starkem Scheinwerferlicht gearbeitet werden. Das konnte durch Wärmeeintrag nachteiligen Einfluss auf die Prüfergebnisse haben. Durch die neue Kamera mit seiner hohen Dynamik konnte die benötigte Scheinwerferenergie auf ein Drittel gesenkt werden. Die Bilder werden in einem Ringspeicher fortlaufend neu überschrieben bis das zeitlich definierte Triggersignal die Aufnahmen stoppt. Die gewünschte Anzahl der Bilder vor und nach dem Triggersignal sind sehr einfach einstellbar. Unmittelbar nach der Aufnahme erfolgt die Auswertung des Bildmaterials entsprechend den Vorgaben der Kunden. Darüber hinaus wird der Kunde auch von Beobachtungen informiert die von der Prüfabteilung der Firma Faurecia als relevant betrachtet wird. Dies schließt auch die nachfolgende visuelle gründliche Teilekontrolle durch das Prüfteam ein. Festgehalten und Dokumentiert wird, ob sich etwas am Luftsack oder am Airbag-Modul unvorschriftsmäßig ereignet hat, wie Nahtrisse und anderes. Die Filmdaten werden auf Grund der hohen Sicherheitsrelevanz im Airbagbereich auf 15 Jahre gelagert.
Ein starkes Team als Partner
Die unmittelbare schnelle Auswertung der Ergebnisse hat auch große Vorteile für die Kunden in der Entwicklungsphase. Beim Test der Prototypen kann man in Anwesenheit der Entwicklungsingenieure des Kunden schnell notwendige Änderungen für den nächsten Test vornehmen. Das umfangreiche Wissen und die Erfahrungen des Prüfteams können rasch in das Knowlege-Management der laufenden Entwicklung einfließen. Gerald Grötzinger bemerkt dazu: „Der Kunde ist König und wir sind hochflexibel. Mit dieser Anlage und unserem technologischen Know-how zeigen wir, dass wir für die gegenwärtigen und zukünftigen Anforderungen bestens gerüstet sind.“
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