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Vision-Systeme auf dem Sprung zur Mainstream-Technologie

Bildverarbeitung
Vision-Systeme auf dem Sprung zur Mainstream-Technologie

Vision-Systeme auf dem Sprung zur Mainstream-Technologie
Vision-Experte Michael Sackewitz: „Eine einfache Bedienung ist für die Anwender von Bildverarbeitungs-Systemen oft wichtiger als der Wunsch nach mehr Leistung.“ Bild: Fraunhofer
Für Michael Sackewitz, Koordinator des Fraunhofer Geschäftsbereichs Vision, ist die industrielle Bildverarbeitung derzeit von einem beispiellosen Forschungsboom getrieben. Die Nischen-Lösungen von einst entwickeln sich dank Machine Learning zur Mainstream-Technologie.

» Uwe Schoppen

Herr Sackewitz, was morgen die Welt verändern soll, muss heute entwickelt werden. Ist es denn möglich, künftige Anforderungen an die Bildverarbeitung zu erkennen, um bereits heute die richtigen Entwicklungsweichen zu stellen?

Für eine robuste Vorausschau müssen wir uns systematisch, intensiv und nachvollziehbar mit den relevanten Einflussfaktoren und Akteuren auseinandersetzen. Danach gilt es, die gefundenen Zusammenhänge und Wechselwirkungen hinsichtlich Plausibilität und Konsistenz zu überprüfen. Am Ende erkennt man, dass viele Dinge in der Zukunft heute bereits strukturell vorgeprägt sind und eine Einschätzung der Entwicklung zulassen.

Wird die Bildverarbeitung künftig noch näher an den Herstellungsprozess rücken?

Dieser Trend ist unübersehbar. Nur so lassen sich Qualitätsabweichungen bereits bei der Entstehung erkennen und frühzeitig korrigieren. Ein zentrales Kriterium für die Zukunftsfähigkeit von Bildverarbeitungslösungen ist deswegen die einfache Integration in den Prozess. Miniaturisierung, Modularität und insbesondere die Flexibilität sind die Trends der nächsten Jahre.

Wird die Bildverarbeitung in den kommenden Jahren mehr fertigungssteuernde Aufgaben übernehmen?

Vision-Systeme werden künftig komplexere Aufgaben übernehmen als die automatisierte Erfassung ausgewählter Inspektionsdaten an isolierten Überwachungspunkten. Die Systeme werden als Sinnesorgane einer vernetzten Produktion nahezu in Echtzeit die Material-, Produkt- und Prozessdaten zur Verfügung stellen und auswerten. Die Bildverarbeitung übernimmt damit zunehmend fertigungssteuernde Aufgaben. Die Mess- und Automatisierungstechnik verschmelzen dabei zusehends.

Werden in Zukunft immer mehr Sensortypen miteinander kombiniert?

Sensoren werden leistungsfähiger und die Kombination unterschiedlicher Sensortypen vielfältiger. Die smarten Datenlieferanten können zudem in das Innere vieler Objekte hineinschauen. So lassen sich Strukturen, aber auch optische und stoffliche Eigenschaften erfassen. Die Ergebnisse werden direkt bildgebend ausgewertet und visualisiert, wodurch sie sich leichter interpretieren lassen. Die Gefahr einer Fehldeutung verringert sich.

Welche Herausforderungen wird es in Zukunft beim Datenhandling geben? Wie werden die gewonnenen Messdaten sinnvollerweise aufbereitet und verarbeitet?

Die Herausforderung wird sein, alle Daten über ein Produkt entlang des gesamten Produktions- und Lebenszyklus konsistent zusammenzuführen. Dafür brauchen wir standardisierte Schnittstellen und einheitliche Datenmodelle, mit denen sich multimodale Sensordaten fusionieren und über alle Informationsebenen hinweg austauschen lassen. Die wesentliche Aufgabe besteht darin, die Datenströme aus verschiedenen Quellen und Formaten örtlich und zeitlich zu synchronisieren und in einem gemeinsamen Koordinatensystem gegeneinander auszurichten. Die Herausforderung liegt somit in der vollständigen horizontalen und vertikalen Integration. Es gibt heute bereits Standards im Rahmen von Industrie 4.0 wie etwas der offene Schnittstellenstandard OPC-UA.

Wird sich die Bildverarbeitung künftig automatisch der Messaufgabe und der Messumgebung anpassen können? Welche Rolle spielt dabei der Bediener?

Mess- und Prüfsysteme von morgen werden nicht mehr auf feste Arbeitsschritte oder Aufgaben ausgelegt sein, sondern werden sich an verschiedene Randbedingungen wie Prüfinhalte, Fehlerklassen oder Gestalt der Prüfobjekte frei anpassen lassen. Im Idealfall sind die Systeme so schlau, dass sie die Aufgabe ohne jeglichen Bedienereingriff übernehmen können. Hinzu kommen weitere Funktionen wie Selbstüberwachung, Störungserkennung, Störungsdiagnose, Selbstkalibrierung und Rekonfiguration.

Sind kleine, integrierte Vision-Systeme die Stars von morgen?

Embedded-Vision-Systeme gewinnen weiter an Bedeutung. Die flexiblen All-in-one-Lösungen sind mit kognitiver Sensorik, modernen Algorithmen, einem integrierten Rechner und einem Betriebssystem ausgestattet. Und das alles in einem Gehäuse. Die Technologie reduziert die Hardwarekosten von Vision-Systemen signifikant. Das klassische Single-PC-basierte System wird zunehmend in den Hintergrund treten.

Welche Bedeutung hat Machine Learning für die Bildverarbeitung?

Machine Learning, kurz ML, führt derzeit zu einem regelrechten Umbruch. Wir stehen in der Bildverarbeitung vor einer neuen Ära. Die Algorithmen, die dahinterstehen, können anhand von Beispielbildern lernen und eigenständig Daten analysieren und klassifizieren. Die Zutaten für die Rezeptur sind vorhanden, sprich hohe und billige Rechenleistung, Softwarebibliotheken sowie große annotierte Trainingsdatensätze. Trainieren statt Programmieren könnte die Devise der Zukunft lauten. Die ML-basierte Bildverarbeitung wird in viele neue Anwendungsbereiche vorstoßen, wo klassische Ansätze teuer, langsam, unflexibel und ineffizient sind. So gesehen wird die Bildverarbeitung getrieben von einem beispiellosen Forschungsboom und entwickelt sich derzeit von der klassischen Nischen-Lösung zur Mainstream-Technologie.

Welche Aufgaben könnten Vision-Systeme mit Machine Learning lösen, die heute noch nicht lösbar sind?

Machine Learning wird sich im praktischen Einsatz dort widerspiegeln, wo maschinelles Bildverstehen gefragt ist. Unzählige Anwendungen sind denkbar, viele liegen auch jenseits der Fabrikgrenzen wie etwa beim Handel. Ein Beispiel ist die automatische Kasse, wo Waren auf dem Kassenband über einen Video-Livestream markerfrei identifiziert und abgerechnet werden. Im industriellen Sektor könnte Machine Learning neue Möglichkeiten für die prädiktive Wartung eröffnen. Dadurch lassen sich Maschinenausfälle besser vorhersagen und so vorausschauend vermeiden. Die Lerndaten wären in diesem Fall dann keine Bilder, sondern repräsentative akustische Muster.

Welche Rolle wird die einfache Bedienung von Vision-Systemen in Zukunft haben?

Eine entscheidende. Eine einfache Bedienung ist für die Anwender oft sogar wichtiger als der Wunsch nach mehr Leistung. Die Vision-Systeme müssen in Zukunft so einfach gestaltet sein, dass auch Laien sie intuitiv bedienen können. Die stärksten Impulse kommen aus dem Consumerbereich. Insbesondere die technische Entwicklung der Smartphones beflügelt die Erwartungshaltung der Nutzer.

Fraunhofer Geschäftsbereich Vision
Flugplatzstraße 75
90768 Fürth
Tel. +49 911 58061–5862
www.vision.fraunhofer.de

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