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Was macht die Qualität aus?

Der Standard 1288 der European Machine Vision Association (EMVA 1288)
Was macht die Qualität aus?

Was macht die Qualität aus?
Der Autor Prof. Dr. Bernd Jähne, Vorsitzender EMVA 1288 Komitee, Heidelberg Collaboratory for Image Processing (HCI), Universität Heidelberg Bernd.Jaehne@iwr.uni-heidelberg.de
Die unüberschaubare Anzahl von Bildsensoren und Kameras macht die Auswahl schwer. Erschwerend kommt hinzu, dass die Datenblätter der verschiedenen Hersteller kaum vergleichbar sind und wichtige Parameter oft nicht angegeben werden. Der Standard 1288 der European Machine Vision Association (EMVA) ermöglicht jetzt einen objektiven und differenzierten Qualitätsvergleich. Namhafte Hersteller, Distributoren und Forschungsinstitute unter dem Dach der EMVA haben daran mitgearbeitet.

Seit Ende 2010 ist der Standard 1288 in einer sorgfältig dokumentierten und ausgereiften Release 3.0 verfügbar. Der Standard ist durch einen Vertrag zwischen der EMVA, der amerikanischen Imaging Association (AIA) und der japanischen Industrial Imaging Assocation (JIIA) global anerkannt. In diesem Beitrag wird an praktischen Beispielen illustriert, wie man anhand der nach dem Standard EMVA 1288 gemessenen Kameraparameter differenziert für verschiedene Anwendungsszenarien die beste Kamera auswählen kann. Wie diese EMVA 1288 Parameter gemessen werden und auf welchen Grundprinzpien der Standard beruht, wird ausführlich in dem Standarddokument [1] und weiteren Dokumente auf der EMVA Webseite (www.emva.org) beschrieben. Eine kurze Darstellung der Grundprinzipien ist auch in [2, 3] zu finden.

Ein reales Vergleichsszenario
Dazu werden in Tabelle 1 die wichtigen Parameter von einigen Kameras aufgelistet, die vom HCI gemessen oder aus EMVA 1288 kompatiblen Datenblättern genommen wurden. Da die Kameraauswahl für dieses Beispiel begrenzt sein muss, werden fairerweise die Hersteller nicht genannt. Es sei einfach davon ausgegangen, dass dies die Liste von Kameras ist, die aufgrund anderer für die Applikation notwendigen Kriterien unabhängig von den reinen Qualitätsparametern wie Schnittstelle, Größe des Kameragehäuses, Serviceleistungen des Herstellers, etc. übrig geblieben sind.
Da es die beste Kamera per se nicht gibt, werden im folgenden verschiedene typische Anwendungsfälle untersucht, welche der fünf Kameras dafür die beste ist.
Beste Signalqualität
Generell ist der zentrale Parameter für die Qualität eines Kamerasignals das Verhältnis des photoinduzierten Grauwertsignals µy – µy.dark zur Standardabweichung des zeitlichen Rauschen sy, definiert als das Signal/Rausch-Verhältnis:
Aus dem linearen Kameramodell des Standards EMVA 1288 kann das SNR als Funktion der Bestrahlungsstärke in Einheiten Photonenzahl/Pixel, µp, der Quantenausbeute ɳ und des Dunkelrauschens sd berechnet werden zu [1,3]:
Unter Vernachlässigung des Quantisierungsrauschens sq hängt das SNR nicht von der Kameraverstärkung K ab, was intuitiv einleuchtet, da Rauschen und Signal bei einer linearen Kennlinie gleichermaßen verstärkt werden.
Die kompliziert aussehende Formel wird verständlicher, wenn die Grenzfälle von viel und wenig Licht betrachtet werden. Dann ergibt sich
Diese Gleichungen besagen, dass das SNR bei hohem Signal nur von der Quantenausbete abhängt. Bei kleinem Signal wird das SNR vom Dunkelrauschen dominiert, da, wie Tabelle 1 zeigt, die Quantenausbeute nur wenig im Vergleich zum Dunkelrauschen von Kamera zu Kamera schwankt.
Für die Frage nach der besten Signalqualität gibt es interessanterweise drei verschiedene Antworten, je nach dem von welchen Beleuchtungsverhältnissen man ausgeht (Tabelle 2):
1. Wenn in einer Anwendung genügend Licht vorhanden ist, kommt es auf die absolute Bestrahlungsstärke überhaupt nicht an und entscheidend ist nur, welche Signalqualität die Kamera bei der Sättigungskapazität und relativ zur Sättigungskapazität erreicht. Der Qualitätsparameter ist der EMVA 1288 Parameter
Da die Quantenausbeute wenig variiert, wird die Signalqualität in diesem Fall durch die Sättigungskapazität dominiert, die hauptsächlich von der Pixelgröße abhängt. Daher liefern die Kameras D und E mit den größten Pixel in diesem Fall die besten Werte. Allgemein ist das SNR als Funktion des Sättigungsgrades
g = µp/µp.max gegen durch
und im Grenzfall kleiner und großer Sättigungen zu
In diesem Fall dominiert bis hinunter zu einem Sättigungsgrad von 10% die Sättigungskapazität das SNR und Kameras D und E sind deutlich besser als die übrigen.
  • 2. Anders sieht die Situation aus, wenn man von einer konstanten Bestrahlung pro Pixel ausgeht. Dann ergeben sich im Grenzfall hoher und niedriger Bestrahlungsstärke die Qualitätsparameter direkt aus Gleichung (3). Bei hoher Bestrahlungsstärke pro Pixel ist nur die Quantenausbeute von Bedeutung und alle Kameras bis auf die Kamera B zeigen vergleichbare Signalqualitäten. Bei niedriger Bestrahlungsstärke dominiert der Qualitätsparameter h µp/sd, so dass die Kameras mit niedrigem Dunkelrauschen im Vergleich gesehen immer bessere Signale liefern (Tabelle 2) und Kamera E der klare Gewinner ist.
  • 3. Schließlich kann man auch von einer konstanten Bestrahlungsstärke Ep = µp/A ausgehen. Das ist dann gegeben, wenn man unabhängig von der Pixelfläche A von Objektiven der gleichen Blendenöffnung ausgeht. Das SNR ergibt sich dann als Funktion der Bestrahlungsstärke zu
Mit dieser Gleichung ergeben sich im Grenzfall großer und geringer Bestrahlungsstärke folgende Werte:
(Jetzt spielt die Pixelfläche A eine wesentliche Rolle. Bei hoher Bestrahlungsstärke ist sie der dominante Faktor, bei niedriger ist es das Dunkelrauschen pro Fläche (Tabellen 1 und 2). Bei hoher Bestrahlungsstärke haben die Kameras D und E noch ein vergleichbares SNR, während zu kleineren Bestrahlungsstärken hin Kamera E immer besser wird.
Bei den Betrachtungen zur Signalqualität wurden die räumlichen Inhomogenitäten vernachlässigt, die natürlich die Signalqualität bezogen auf eine Variation von Pixel zu Pixel zusätzlich beeinträchtigen. Sowohl der Dunkelwert als auch die Empfindlichkeit schwanken von Pixel zu Pixel. Diese beiden Größen werden dark signal nonuniformity (DSNU) und photoresponse nonuniformity (PRNU) genannt. Diese Effekte konnten aber aus zwei Gründen vernachlässigt werden. Zum einen ist selbst bei der Sättigungskapazität die Standardabweichung der räumlichen Inhomogenität höchstens so hoch wie die Standardabweichung des zeitlichen Rauschens und damit kein dominierender Effekt bei keinem der betrachteten Kameras. Zum zweiten können die räumlichen Inhomogenitäten durch eine Nachkalibrierung (Shading-Korrektur) weiter vermindert werden, sodass sie keinen nennenswerten Einfluss mehr haben.
Bestmöglicher Signalumfang
Der Signalumfang (dynamic range, DR) ist das Verhältnis von Sättigungskapazität zur Emfindlichkeitsschwelle):
Der Signalumfang ist dann ein wichtiger Qualitätsparameter, wenn eine Szene aufgenommen werden muss die hohe Variationen in der Lichtstärke aufweist. Die Kamera mit dem besten Signalumfang kann direkt aus dem entsprechenden EMVA 1288 Parameter in Tabelle 1 abgelesen werden. Kamera E mit der Kombination aus hoher Sättigungskapazität und niedrigem Dunkelrauschen bzw. niedriger absoluter Empfindlichkeitsschwelle ist der klare Gewinner und zeigt einen fast zehnmal besseren Wert als die nächst bessere Kamera.
Maximale Belichtungszeit
Bisher wurde der Dunkelstrom noch nicht beachtet. Der Dunkelstrom ist nur dann relevant, wenn wegen sehr geringer Bestrahlungsstärken lange Belichtungszeiten notwendig werden. Das Dunkelsignal eines Bildsensors ist nicht konstant, sondern wächst linear mit der Belichtungszeit an:
Die Steigung dieser linearen Beziehung ist der Dunkelstrom µI in Einheiten e-/(pixel s), der mit Hilfe des Verstärkungsfaktors K auch in der Einheit DN/(pixel s) angegeben werden kann. Je nach dem wie viel zusätzliches Dunkelsignal man akzeptieren möchte, limitiert dies die maximale Belichtungszeit des Bildsensor. Wiederum ist es notwendig, zwei Fälle zu unterscheiden.
Bei hohem Sättigungsgrad möchte man, dass das Dunkelbild nur einen kleinen Sättigungsgrad erreicht. Daraus ergibt sich die Bedingung
Bei niedrigen Bestrahlungsstärken ist das Kriterium schärfer, da man nicht möchte, dass sich das SNR signifikant verschlechtert. Daher darf die Standardabweichung des Dunkelstrom-generierten Rauschen nicht größer sein als die Standardabweichung des Dunkelsignals. Daraus ergibt sich die Bedingung
Da Kamera E gekühlt wird, überrascht es nicht, dass diese mit Abstand die längsten Belichtungszeiten erlaubt und damit auch die geringste Bestrahlungsstärke messen kann.
Zusammenfassung und Ausblick
Der Beitrag zeigt, dass der Standard EMVA 1288 mit wenigen Parametern differenzierte und zuverlässige Aussagen ermöglicht über die beste Kamera für gegebene Einsatzfälle. Daher ist es nicht verwunderlich, dass seine Akzeptanz wächst. Er spielt schon eine wesentliche Rolle in den Entwicklungsabteilungen der Kamerahersteller und hat nachweislich mit dazu beigetragen, dass die Kameraqualität sich verbessert hat. Die Zahl der verfügbaren 1288 Datenblätter wächst kontinuierlich. Eine Reihe von Firmen bietet Testequipment bzw. 1288 kompatible Kameravermessung als Serviceleistungen an [4].
Der Standard ist zur Zeit als Release 3.0 verfügbar und wird bis Ende des Jahres 2011 nur durch minimale Erweiterungen bzw. geringfügigen Änderungen durch Release 3.1 abgelöst werden. Die Arbeiten am Release 4.0 werden im März 2012 beginnen. In dieser Release soll unter anderem die Beschreibung der Sensornichtlinearität präzisiert werden. Außerdem gibt es Pläne den Standard auf nichtlineare Kameras, High-Dynamic-Range Kameras und Time-of-Flight Kamerasysteme zu erweitern.
Literatur
[1] EMVA Standard 1288, Standard for Characterization of Image Sensors and Cameras, Release 3.0, European Machine Vision Organization, Nov. 2010, www.emva.org
[2] A Darmont, Using the EMVA 1288 standard to select an image sensor or camera, Proc. SPIE Electronic Imaging, Vol. 7536, 753609, 2010
[3] B Jähne, Der Standard EMVA 1288 – Objektive Charakterisierung von Bildsensoren und digitalen Kameras, Elektronik, Ausgabe 22/2011, im Druck.
[4] EMVA-1288 Standard: Camera test systems go on show at VISION, Vision Systems Design, Vol. 16, Issue 1, 2011, www.vision-systems.com/articles/print/volume-16/issue-1.html
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