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Wissen mit System

Prozessorientiertes Wissensmanagement unterstützt erfolgreiches Qualitätsmanagement
Wissen mit System

Die effiziente und effektive Durchführung von wissensintensiven Geschäftsprozessen – wie beispielsweise die Vertriebs-, Entwicklungs- oder Beschaffungsprozesse – erhalten einen immer höheren Stellenwert für den Wettbewerbserfolg. Der Produktionsfaktor „Wissen“ muss dafür aktuell und umfassend zu Verfügung stehen, um fehlerfreie und verschwendungsfreie Aufgaben zu erledigen.

Prof. Dr.-Ing. Hartmut F. Binner

Auch in der DIN EN ISO 9001 ist in Kapitel 6 „Ressourcenmanagement“ eine Wissensforderung formuliert. Hierbei geht es um die Forderung nach Festlegung und Bereitstellung von benötigten Informationen und Prozesswissenissen. Umgesetzt wird dies durch Verfahren zur Informationslenkung und Überwachung, die in den Unternehmen installiert werden müssen, damit das in der für die Prozesslenkung sowie für die Sicherstellung fehlerfreier Produkte erforderlichen Wissen erhalten und aktualisiert werden kann. Wobei der Zugang und der Schutz der Daten sicherzustellen ist. Als Dokumentationsbeispiel sind in diesem Zusammenhang genannt: Datenbanken, Fachzeitschriften, Normen, Gesetze, Daten von Kunden und Lieferanten.
In Kapitel 5 „Verantwortung der Leitung“ der DIN EN ISO 9001 ist ebenfalls eine in diese Richtung gehende Normenforderungen enthalten. Es handelt sich hierbei um die Forderung nach der Festlegung der internen Kommunikation. Gemeint sind damit Verfahren und Medien zur internen Kommunikation auf allen Ebenen für eine Tätigkeit, die zur Aufrechterhaltung des Qualitätsmanagementsystems erforderlich sind. Zur Umsetzung dieser Anforderungen sind diese Verfahren und Medien einzurichten und zu erhalten. Benötigt werden dazu praktikable Vorgehensmodelle und Tools. Im Folgenden wird ein praxisorientierter Ansatz für zur Implementierung von wissensbasierten Qualitätsmanagementsystemen vorgestellt.
Ganzheitliches Vorgehen
Das ganzheitliche Vorgehensmodell enthält – wie Bild 1 zeigt – folgende Komponenten:
  • ein systematisches Vorgehensmodell zur Entwicklung von prozessorientierten Wissensmanagementsystemen in zwölf Schritten
  • eine Standardsoftware zur wissensbasierten Prozessoptimierung
  • ein webbasiertes Wissensmanagementportal als frei konfigurierbare zentrale Kommunikationsplattform.
Als erster Schwerpunkt bzw. an erster Stelle steht übergeordnet ein systematisches Vorgehensmodell zur Entwicklung und Umsetzung eines Wissensmanagementsystemkonzeptes in Form eines Wissens-frameworks, unterteilt in folgende drei Ebenen:
Ebene 1 beschreibt die Einführung der prozessorientierten Wissensorganisation auf Grundlage von prozessorientierten Wissensanalysen bei der Prozessgestaltung und Prozessdurchführung (Aufbau der Wissensbasis).
Ebene 2 erläutert die praktische Umsetzung der Wissensorientierung und Wissensnutzung durch das wissensbasierte Prozessmanagement (Wissensverteilung) bei der qualitätsgerechten Planung, Steuerung, Durchführung und dem Controlling der Prozesse im Tagesgeschäft. Ebene 3 bezieht sich auf die Beschreibung und Anwendung der Methoden und Vorgehensweisen zur wissensbasierten Prozessverbesserung und -bewertung (Wissensnutzung und -bewertung) im Sinne von KVP.
An zweiter Stelle steht die unter Punkt 3 beschriebene Prozessoptimierung unter Einsatz der integrierten Prozessmanagementstandardsoftware sycat. Die wissensbasierte Analyse, Modellierung und Dokumentation der Prozesse geschieht mit dem sycat Process Designer auf Basis der von Prof. Binner Anfang der 80er Jahre entwickelten Organisationsprozessdarstellung (OPD), heute weltweit als Swimlane bezeichnet. Durch dieses prozessorientierte sycat Modulspektrum wird die Entwicklung und Umsetzung des Wissenserwerbs, des Wissensaustauschs und der Wissensnutzung wesentlich unterstützt.
An dritter Stelle des ganzheitlichen Vorgehensmodells steht das Wissensmanagementportal, das mit dem strukturiert ermittelten Prozesswissen gefüllt ist. Das Wissensmanagementportal ist eine Web basierte freikonfigurierbare zentrale Kommunikationsplattform für verschiedene Zielgruppen, die ein Eingangstor zu allen Unternehmensinformationen über unterschiedliche Informationsmodule darstellen. Im Wissensmanagementportal werden dem Mitarbeiter die Informationen strukturiert und übersichtlich zur Verfügung gestellt, Neuigkeiten werden zentral kommuniziert. Jedes Infomodul stellt einen bestimmten Wissensbereich dar.
Der Wissensmanagement Portalexplorer mit Wissensnavigator ermöglicht den Zugriff auf Kontextwissen über eine hierarchische Baumstruktur, die alle Wissenskategorien mit den dazu gehörenden Wissensobjekten und Dokumenten verwaltet. Die Wissensstrukturen für das Kontextwissen auf Basis symantischer Themennetze ergeben sich aus den, bei der prozessorientierten Wissensanalyse eingesetzten Beschreibungsmodellen.
Prozessorientierte Wissensermittlung
Bezugspunkt für den Wissensspeicheraufbau, die Wissensnutzung und Verteilung ebenso wie für die Qualitätsmanagementsystemimplementierung die eingeführte Prozessorganisation mit einer detaillierten Best Practice Prozessbeschreibung der vorhandenen Führungs-, Leistungs- und Unterstützungsprozesse mit der dahinter stehenden prozessorientierten Aufbau-, Ablauf- und Führungsorganisationsstruktur. Die organisationale Wissensbasis ergibt sich aus der Zuordnung und Bündelung der mitarbeiterorientierten Erkenntnisse aus den von jedem Unternehmen ohnehin durchzuführenden integrierten Unternehmens-, Organisations-, Personal- und Evaluierungsaktivitäten bzw. -analysen. Das Wissensmanagement steht deshalb nicht am Anfang dieser Entwicklungsaufgabe sondern begleitet sie wissensbasiert (Der Weg ist das Ziel). Alle in einer Organisation aus unterschiedlichsten Anforderungen und Aufgaben resultierenden Dokumentations- und Informationsverarbeitungsstrukturen bilden den Ausgangspunkt für die Implementierung der organisationalen Wissensbasis, beispielsweise:
  • Elektronische Managementsystemdokumentation
  • Elektronische Prozesshandbücher
  • Elektronische IT Anwendungshandbücher
  • Dokumentierte Ergebnisse aus Managementkonzepten, Strategien und Methodenanwendungen
  • Dokumentenmanagementsysteme
  • Elektronische Verzeichnisse.
Für die qualitätsrelevante Prozess- und Wissensdatenerfassung selber sind unterschiedliche Methoden und Techniken, wie Bild 2 zeigt, einsetzbar. Bezugspunkt ist dabei immer die sycat Organisationsprozessdarstellung im Sinne einer Wissensmetastrukturvorgabe.
Bei dem dazu durchgeführten Workshop beschreiben die Prozessbeteiligten gemeinsam die für eine Qualitätsmanagementsystemzertifizierung ausgewählten Prozesse und entwickeln dabei ein gemeinsames Prozessbewusstsein. Der Vorteil hierbei besteht darin, dass zwischen den Workshopteilnehmern ein Konsens nach der Analyse darüber besteht, wie der Prozess tatsächlich abläuft.
Das Interview ist dagegen eine zielgerichtete und strukturierte Befragung einer oder mehrerer Personen, das in der Regel auf Grundlage eines vorbereiteten Frageprogramms durchgeführt wird. Bei anderen Befragungstechniken wird nicht so strukturiert vorgegangen, sondern den Befragten überlassen, wie sie ihr Wissen über den Prozess mitteilen. Bei schriftlichen Befragungen werden ebenfalls in der Regel mithilfe von Fragebogen die Informationen bei den Prozessbeteiligten des definierten Prozesses erhoben. Hierbei können schnell viele und wenn gewünscht auch anonyme Informationen erhoben werden. Allerdings kann man im Gegensatz zur mündlichen Befragung hier auf Besonderheiten im Prozessablauf nicht so flexibel reagieren.
Weitere Erhebungstechniken sind beispielsweise Beobachtungen, die dann durch Ergebnisse der Multimomentaufnahme unterstützt werden. Weiter gibt es Selbstaufschreibungstechniken, wie zum Beispiel das Laufzettelverfahren, bei dem jeder zu bearbeitende Vorgang mit einem Laufzettel ausgestattet ist, auf dem die dafür zuständigen Mitarbeiter bestimmte Informationen schriftlich festhalten. Ähnlich sind die täglichen Arbeitsaufzeichnungen. Hier werden ebenfalls die Aufgaben bzw. aktivitätsbezogenen Daten pro Arbeitstag schriftlich erfasst. Nachteilig ist hierbei, dass nicht der übergreifende Ablauf, sondern nur der einzelne Arbeitsplatz im Fokus steht. Mithilfe der Schätztechnik lassen sich relativ schnell Daten von Experten erheben. Allerdings mit einer geringeren Aussagekraft.
Bei der Informationserhebung im betrachteten Einzelfall kommt es wesentlich darauf an, welcher Genauigkeitsanspruch erhoben wird und welcher Aufwand getrieben werden kann. Die zuerst genannte Workshopmethode führt gerade mit Softwareunterstützung zu sehr schnellen und abgestimmten Ergebnissen zwischen den Beteiligten.
Alle diese in der Prozess-Ist-Analyse zu erfassenden Informationen, beispielsweise nach Hauptgruppen getrennt, lassen sich jetzt wieder durch übergeordnete Prozessparameter bzw. Kennzahlen präzisieren, zum Beispiel die kostenbezogene Sicht für das Produkt, für die Prozessstruktur, für den Arbeitsfluss, für den Materialfluss, für den Informationsfluss, für die Mitarbeiter, für die Ressourcen oder für die hier im Focus stehenden Qualitätsmanagementkosten. Eine andere Sicht für diese Hauptgruppen ist die Kennzahlensicht, weiter gibt es dann die Vorschriften und Anweisungen, die jeweils zu beachten sind oder auch die Defizite, die in jeder Hauptgruppe einzeln lokalisiert werden können. Natürlich müssen auch alle Anforderungen und Prozessziele auf die jeweilige Prozesssicht bekannt sein bzw. zugeordnet werden können. Dies gilt auch für die Zuordnung der Erfolgspotenziale und Erfolgsfaktoren, ebenso wie die möglichen Prozesspotenziale, die zu aktivieren sind.
Implementierung einer Wissensportallösung
Aus diesen Analysen, Fragestellungen und Beantwortungen ergeben sich jetzt prozessbezogene Hinweise auf Wissenslücken und Defizite sowie die Anforderungen an die Schaffung einer IT gestützten Wissensinfrastruktur.
Hierbei sind beispielsweise folgende Vorgaben zu erfüllen:
  • Festlegen, welche Kommunikationssysteme erforderlich sind;
  • Festlegen, welche Informationssysteme eingesetzt werden;
  • Festlegen von informellen Kommunikationsstrukturen;
  • Festlegen, welche Mitarbeiter miteinander kommunizieren müssen;
  • Festlegen, wie die Informationen bereit gestellt werden;
  • Festlegen der Verantwortlichkeit für den jeweiligen Wissensmanagementbereich;
  • Festlegen von Qualifizierungsmaßnahmen;
  • Festlegen von Motivationsmaßnahmen;
  • Festlegen von IT Tools zur Wissensbereitstellung.
Das nach diesen Vorgaben zu konfigurierende Wissensmanagementportal ist eine webbasierte freikonfigurierbare zentrale Kommunikationsplattform, die ein Eingangstor zu allen Unternehmensinformationen für verschiedene Zielgruppen über verschiedene Infomodule ist. Im Portal werden den Mitarbeitern die Informationen strukturiert und übersichtlich zur Verfügung gestellt, Neuigkeiten werden zentral kommuniziert. Das Wissensmanagementportal ist eine Softwarelösung, die unterschiedlichen Interessen entspricht und zur Erledigung zahlreicher Aufgaben dient.
Auf der obersten Ebene des Portals existiert ein breites Spektrum von Infomodulen. Jedes Infomodul stellt ein bestimmtes Wissensbereich dar. Dabei wird – wie Bild 3 zeigt – zwischen internen und externen Infomodulen unterschieden.
Jedes Infomodul ist eine Webanwendung, die aus einem oder mehreren InfoBoards und InfoBoxen besteht. In der mittleren Portalebene, werden die Funktionalitäten dieser Anwendung integriert und ausgeführt. Ein InfoBoard ist eine komplette Inhaltsseite im Portal, die wiederum ein oder mehrere InfoBoxen enthalten kann. InfoBoxen sind die Bausteine der InfoBoards und beinhalten zusammenhängende Daten, Informationen, Formulare usw.
Der Eingang in das Wissensmanagementportal ist personalisiert, das heißt jeder Benutzer betritt es mit einer individuellen Zugangskennung und kann sich das Aussehen des Wissensmanagementportals ganz individuell gestalten, indem er die für ihn relevanten InfoBoards und InfoBoxen frei auswählt und konfiguriert.
Der Aufbau des Wissensmanagementportals erfolgt grafisch unterstützt ohne Programmierung. Es können frei Rollen und Berechtigungen vergeben werden.
Zusammenfassung
Das vorgestellte ganzheitliche Vorgehensmodell zur prozessorientierten Wissensmanagementsystem-Entwicklung mit Unterstützung der Standardsoftware und einen webbasiertes Wissensmanagementportal unterstützt die prozessorientierte Qualitätsmanagementsystemeinführung und -zertifizierung durch folgende Eigenschaften.
  • Das Wissen für die qualitätsgerechte Prozessdurchführung „zur richtigen Zeit am richtigen Ort in der richtigen Qualität und beim richtigen Mitarbeiter zur Verfügung gestellt“.
  • Nicht genutzte Wissenspotenziale werden zur Qualitätsverbesserung aktiviert.
  • Vorhandenes Erfahrungswissen wird nutzbar gemacht.
  • Die Akzeptanz der Beteiligten wird durch gezielte Wissensbereitstellung gefördert.
  • Die Wissensbeteiligten werden durch aktive Mitbeteiligung an der Wissensoptimierung zur Wissensbereitstellung motiviert.
  • Der Wissensaustausch zwischen Anwendern wird über eine interaktive Wissensportalfunktion gefördert.
  • Die Kernkompetenz wird durch eine Wissenserweiterung verbessert.
  • Es wird eine gezielte Unterstützung zur Erreichung der Unternehmensqualität und –ziele gegeben.
Weiter lassen sich für den KVP Ablauf unterschiedliche, in der Praxis bewährte Bewertungs- und Verbesserungsmethoden ebenso wie bei der prozessorientierten Qualitätsmanagement- und Arbeitsorganisation auch bei der Wissensorganisation einsetzen, zum Beispiel:
  • Wissensmanagement-Audit,
  • Wissensmanagement-FMEA,
  • Wissensmanagement-Potenzialanalyse,
  • Wissensmanagement-Benchmarking und
  • Wissensmanagement-Verbesserungsmatrix.
Literatur
Binner, H.F.: Pragmatisches Wissensmanagement – Steigerung des intellektuellen Kapitals. 1. Auflage,
ISBN 978–3–446–41377–1.
Binner, H.F.: Handbuch der prozessorientierten Arbeitsorganisation. 2. Auflage,
ISBN 3–446–40395–7.
Binner, H.F.: Auf dem Weg zur Spitzenleistung – Management-Leitfaden für die EFQM-Modellumsetzung. 1. Auflage.
ISBN 3–446–40481–3.
Prof. Binner Akademie, Hannover
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