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Automatisierung und KI beflügeln die Messtechnik

Control-Rückblick
Automatisierung und KI beflügeln die Messtechnik

Die Mess- und Prüftechnik ist eine Schlüsseltechnologie, um steigenden Qualitätsanforderungen und Fachkräftemangel zu begegnen. Automatisierung, Digitalisierung und künstliche Intelligenz (KI) treiben hier die Entwicklung voran, wie auf der Control 2024 deutlich wurde.

» Dr. Frank-Michael Kieß, Sabine Koll, Markus Strehlitz

Es sind herausfordernde Zeiten für die Fertigungsindustrie – das war auch auf dem Branchenhighlight der Qualitätssicherung, der Control 2024 in Stuttgart, überall zu spüren. „Kostendruck, Fachkräftemangel und geopolitische Verwerfungen betreffen uns alle“, sagt Bettina Schall, Geschäftsführerin des Messeveranstalters P. E. Schall. Diese Faktoren seien einerseits die Ursache für Unsicherheit und Zurückhaltung, aber andererseits auch ein Treiber für positive technologische Entwicklungen. „Und Qualitätssicherung ist die Stellschraube, wenn es um Effizienz, Ressourcenschonung und Kosteneinsparung geht.“

Digitalisierung ist hier ein wesentlicher Innovationstreiber. „Die Weiterentwicklung von Datenanalyse und -management galoppiert“, berichtet Fabian Krüger, Projektleiter der Control. Qualitätssicherung sei für Unternehmen essenziell und zukunftsbestimmend. Deshalb liege die Branche auf Wachstumskurs, was auch die positive Stimmung auf der Control getriggert habe.

Die Marschrichtung ist klar: Prüfprozesse werden schneller und effizienter, sie erfolgen zunehmend inline und integriert in unterschiedlichste Abläufe. KI-Systeme unterstützen die Beschleunigung von Messprozessen und der Messdatenauswertung sowie die fortschreitende Automatisierung – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Null-Fehler-Produktion.

„Das Ziel muss eine ganzheitliche Sicht auf Qualität sein“, betont Andreas Dangl, Geschäftsführer von Fabasoft Approve. Eine Entwicklung sei dabei die Weiterführung von Maschinendaten in die Cloud, wo die Informationen direkt in Qualitätsprozesse eingespeist werden. „Cloud-native CAQ-Software und Daten-Ökosysteme, die auf offenen Standards basieren, bieten der Qualitätssicherung große Vorteile: Sie lassen sich optimal in existierende IT-Landschaften einbinden und können Informationen aus unterschiedlichen Systemen vernetzen.“ Mit mobilen Endgeräten seien sie zudem ortsunabhängig auch auf dem Shopfloor bedienbar.

Wie automatisierte Abläufe im Qualitätsmanagement zählbaren Nutzen für Unternehmen bringen, zeigte Fabasoft am Beispiel des Pumpenherstellers KSB. Durch die Automatisierung von Dokumentationsprozessen spart das Unternehmen 7700 Arbeitsstunden pro Jahr ein.

Konkret bedeutet das, dass die Lieferanten-, Kunden- und Qualitätsdokumentation mit dem SaaS-System (Software as a Service) des österreichischen Anbieters umgesetzt wird. Die Software generiert automatisiert – den gültigen Normen entsprechend – einen sogenannten Quality Control Plan (QCP). Dieser gibt die Prüfanforderungen vor, die für einzelne Produktkomponenten durchgeführt werden müssen. Über digitale Prüf-, Abstimmungs- und Freigabeprozesse sind auch Zulieferer direkt im System eingebunden.

Ein weiteres wichtiges Element des Systems ist der Einsatz künstlicher Intelligenz. Diese erkennt automatisiert technische Dokumente und deren Inhalte, extrahiert und analysiert daraus Informationen und verknüpft diese intelligent zu einer 360-Grad-Sicht.

KI lernt täglich dazu und macht Vorschläge

Der besondere Vorteil der Software sei, dass diese nicht aufwendig trainiert werden muss, sagt Dangl. „Die KI lernt einfach in der täglichen Nutzung, im Rahmen der Prozesse, für die sie eingesetzt wird“. Wenn das System zum Beispiel bei der Mangelbearbeitung eingesetzt wird, definiert der Nutzer in einem ersten Durchgang die Vorbeugemaßnahmen, mit denen sich ein Mangel verhindern lässt. Im weiteren Verlauf macht die KI dann schon eigene Vorschläge für entsprechende Maßnahmen.

Dangl weist allerdings darauf hin, dass es immer noch der menschliche Nutzer sein sollte, der letztendlich die Entscheidungen trifft. Die KI sei lediglich ein Hilfsmittel, das den Mitarbeiter bei seiner Tätigkeit unterstützt. „Ganz wichtig bei diesem Thema ist, dass die Software immer eine Quellenangabe macht“, erklärt Dangl. So lässt sich stets nachvollziehen, auf welcher Wissensbasis die KI einen Vorschlag unterbreitet.

Digitalisierung treibt Automatisierung

Digitalisierung treibt nicht zuletzt auch die Automatisierung voran. Jenoptik-Geschäftsführer Jan Vogt beobachtet dies vor allem in der Automobilindustrie. Dies bedeute, dass manuelle Prüftätigkeiten durch hochautomatisierte Qualitätsprüfungen ersetzt werden. Die automatisierte, durch KI gestützte Prüftechnik sei – von den Kostenvorteilen ganz abgesehen – manueller Sichtprüfung in puncto Verlässlichkeit deutlich überlegen.

„Das Konzept der integrierten Messtechnik, das die Einbettung von Mess- und Inspektionstechnologien direkt in die Fertigungsabläufe umfasst, gewinnt zunehmend an Bedeutung“, ergänzt Jérôme-Alexandre Lavoie, Director of Product Management bei Creaform. Dabei biete die 3D-Scantechnologie signifikante Vorteile. Sie verbessere Präzision, Effizienz und Umfang in Qualitätskontrollprozessen.

Wie Creaform die Automatisierung in der Qualitätssicherung vorantreibt, zeigte das Unternehmen auf der Control: Die tragbaren 3D-Scanner Handyscan 3D und Metrascan 3D können mit dem Automation Kit, das einen Cobot umfasst, nun auch als stationäre Lösung genutzt werden. Die Komplettlösung lässt sich nahtlos in die digitale Zwillingsumgebung der Programmiersoftware VX-Scan-R einbinden. So wird sie zu einem benutzerfreundlichen System, das von jedermann bedient werden kann – auch von Mitarbeitern in der Fertigung.

Ein solches schlüsselfertiges Paket eignet sich besonders gut für kleine und mittlere Unternehmen, die ihre ersten Schritte im Bereich der Automatisierung machen. „In den vergangenen Jahren hat die Automatisierung in der Qualitätssicherung erheblich zugenommen, dennoch dominieren manuelle Prozesse immer noch einen erheblichen Teil der Prozesse“, sagt Lavoie.

Bei der Automatisierung gehe es letztlich immer um einen Produktivitätszuwachs. „Robotersysteme beschleunigen sowohl die Mess- als auch die Nachbearbeitungsphase, indem sie die Datenerfassung optimieren und relevante Merkmale effizient extrahieren. Durch die Automatisierung dieser Prozesse werden Personalressourcen freigesetzt, die sich auf höherwertige Aufgaben wie die Datenanalyse konzentrieren können, wodurch die betriebliche Effizienz maximiert wird.“

Die größte Herausforderung für die Anwender bei der Automation ist laut Lavoie die Komplexität beim Aufbau einer Roboterzelle: „Vielen KMU mangelt es an Erfahrung in der Bereitstellung vollautomatisierter Lösungen. Deshalb bieten wir nun schlüsselfertige Lösungen an. Darüber hinaus wird die Komplexität, die mit der Implementierung und dem Einsatz solcher Zellen verbunden ist, durch den Einsatz von Cobots gemindert.“

Optische Messtechnik spielt ihre Stärken aus

Einen Trend zur optischen 3D-Messtechnik sieht Thomas Minten, Sales Director Europe bei Scantech Digital. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Hangzhou bietet tragbare 3D-Handscanner, optische 3D-Messsysteme und automatisierte Messsysteme an und ist laut Minten Marktführer für handgeführte optische Messtechnik in China. Die optische Messtechnik erlaube schnelle und präzise Messdatenerfassung. Als Beispiel zeigte er die Inspektion eines Flansches für Windkraftanlagen. Der Vorteil gegenüber taktilen Verfahren sei, dass die resultierende Punktewolke auch Informationen zwischen den Messpunkten enthält. Die taktile Messung behalte aber aufgrund der höheren Genauigkeit ihre Berechtigung.

Gerade im Zuge des Technologiewandels im Kraftfahrzeugsektor entstehen auch neue Einsatzbereiche für die Koordinatenmesstechnik mit Multisensorik und Computertomografie. „Beispiele finden sich bei der Qualitätssicherung von Brennstoffzellen und von Lithium-Ionen-Akkus“, sagt Dr. Ralf Christoph, geschäftsführender Gesellschafter von Werth. „Die Vernetzung von Fertigung und Qualitätssicherung in Regelkreisen und die Herstellung moderner Produkte, die einen immer größeren Funktionsumfang auf kleinerem Raum bieten, leben von einer möglichst vollständigen messtechnischen Erfassung der immer komplexeren Geometrien. Durch detaillierte, aus vielen Messpunkten erstellte digitale Werkstückmodelle sind Optik, CT und Multisensorik heute gegenüber herkömmlichen Tastern häufig im Vorteil.“

Fachkräftemangel treibt die Branche um

Fachkräftemangel und steigende Qualitätsanforderungen sind für David Skuratowicz, Geschäftsführer von A3DS, aktuell die größten Herausforderungen an Fertigungsunternehmen. Der Braunschweiger Messdienstleister ist auf automatisiertes 3D-Scanning spezialisiert. Er betreibt aktuell über zehn Zeiss-Messsysteme und fünf automatisierte optische Messzellen, die er als Service anbietet oder auch vermietet. Auf der Control zeigte Skuratowicz mit seinem Team eine Robotermesszelle für große Bauteile mit einem Zehn-Tonnen-Drehtisch.

„Wir haben von Anfang an automatisiert gemessen“, so Skuratowicz. Im vergangenen Jahr hat man die bislang größte Messzelle für die Qualitätsprüfung von Schiffsmotoren gebaut. Ein Roboter auf einer Linearachse erfasst die Daten automatisch und auch ein digitaler Zwilling wird gleich erstellt. „Die Messtechnik war dort bislang der Flaschenhals. Was bisher sechs Schichten benötigte, misst man nun einer Schicht.“ Trotzdem sei immer noch Fachpersonal nötig. Die Messmaschine in Kombination mit den Fertigungsmaschinen automatisiert zu beschicken, darin sieht Skuratowicz die Zukunft – ebenso wie im Geschäftsmodell Messtechnik on demand. „Wir wären bereit dafür.“

Auch für Minten ist Automatisierung eine Schlüsseltechnik. Sie werde nicht nur durch den Fachkräftemangel getrieben, sondern auch durch das Bestreben, monotone Tätigkeiten zu reduzieren. Allerdings rechnet sich die Automatisierung bei optischen 3D-Messsystemen aus seiner Sicht aktuell meist erst bei Losgrößen über 20 Teilen.


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