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Fundament für die smarte Messtechnik

Roundtable von Quality Engineering zu OPC UA
Fundament für die smarte Messtechnik

Die Industrie-4.0-Standard für die Messtechnik ist da, ein Dashboard wird auf der Control präsentiert. Auf einem Roundtable hat Quality Engineering mit Experten von Hexagon, Wenzel und Zeiss über die Vorteile und die ersten Use Cases der OPC UA Companion Specification GMS gesprochen.

Markus Strehlitz, Sabine Koll

Die OPC UA Companion Specification für die geometrische Messtechnik ist veröffentlicht. Welche Use Cases sind darin definiert?

Dietrich Imkamp: Die Use Cases beziehen sich zunächst einmal auf die dynamischen und statischen Maschinendaten. Zu den statischen zählen etwa Informationen zum Hersteller und der installierten Software-Version. Die dynamischen Daten geben zum Beispiel Auskunft darüber, ob das System gerade in Betrieb ist oder auf Aufträge wartet und ob es fehlerfrei läuft. Daraus kann man dann ein Condition Monitoring ableiten oder – was gerade in aller Munde ist – die Overall Equipment Effectiveness. Und wenn wir jetzt noch einen Schritt weitergehen, dann kommen wir zum Jobmanagement und zum Part-Data-Management. Damit bewegen wir uns dann in Richtung Automatisierung.

Sind das die Einsatzszenarien, die von Beginn an anvisiert waren?

Imkamp: Wir hatten durchaus eine längere Liste von Use Cases. Wir haben diese Liste aber begrenzt, um das Dokument fertigzustellen und auf den Markt zu bringen. Das heißt nicht, dass es nicht Aufgaben für OPC UA geben wird, die darüber hinausgehen. Aber der Arbeitsgruppe war es wichtig, mit einem verbindlichen Standard schnell in die Öffentlichkeit zu gehen. Dies soll Anwendern die Sicherheit geben, dass sie bei einer Implementierung nicht irgendwann mit einem geänderten Standard konfrontiert sind.

Frank Herr: In der aktuellen Companion Specification ist zunächst nur die Überwachung von Jobs implementiert. Die anderen Aspekte wie das Jobmanagement sind in der Version 1.0 noch nicht abgedeckt. Die dafür notwendigen Grundvoraussetzungen sind im Bereich Machinery bisher noch nicht erfüllt. Das heißt aber nicht, dass man diese Use Cases nicht realisieren kann. Sie lassen sich bisher aber nur mit herstellerspezifischen Lösungen umsetzen.

Konnte man dann diese Use Cases vor der Entwicklung des Standards nicht auch schon umsetzen?

Herr: Die Use Cases waren auch vorher abbildbar. Das waren aber eben immer kundenspezifische beziehungsweise herstellerspezifische Lösungen. Das heißt, wenn bei einem Kunden Produkte von verschiedenen Herstellern im Einsatz waren, musste er mit jedem Anbieter eine individuelle Lösung vereinbaren. Ein Ziel der Companion Specification ist ja, das weitestgehend zu harmonisieren, sodass sich Lösungen übertragen lassen.

Heiko Wenzel-Schinzer: Wir sprechen hier auch von zwei unterschiedlichen Ansätzen. Beim Condition Monitoring möchte man ja Herstellerunabhängigkeit. Weil man auf einen Blick sehen will, wenn man mit verschiedenen Anbietern arbeitet, welchen Zustand die unterschiedlichen Maschinen haben. Wenn man über Automation redet, dann bleibt man sehr in der spezifischen Welt. Denn alle Hersteller haben ihre eigenen Automationslösungen und dies wird auch so bleiben. Aber die Realisierung dieser Lösungen beim Kunden fällt dank OPC UA leichter.

Von welcher Seite kam denn die Forderung nach einem verbindlichen Standard? Von den Anwendern oder von den Herstellern?

Daniel Fischer: Von beiden Seiten. Wir haben in einigen Gesprächen mit Kunden versucht, Lösungen auf einzelne Use Case einzugrenzen. Der Wunsch von den Kunden kam dann aber oft: „Gebt uns doch mal alle Daten. Dann schauen wir uns die an und überlegen uns, was wir damit machen.“ Ein solcher Ansatz ist aber nur schwer greifbar und endet meistens im Nirgendwo. Daher ist es jetzt gut, ein klares Datenmodell und eine eindeutige Struktur zu haben, in der sich einzelne Aufgabenstellungen wiederfinden.

Herr: Bei Standards gibt es immer zwei Seiten, die daran interessiert sind. Die Anwender möchten standardisierte Lösungen, damit sie nicht in einer heterogenen Landschaft tätig sein müssen. Sie möchten Systeme von verschiedenen Anbietern nutzen können und trotzdem eine identische Lösung haben und nicht 20 verschiedene aufsetzen müssen. Der Treiber dort ist vor allem die Produktion. Daneben gibt es aber auch das Interesse der Hersteller. Denn für uns bedeuten Standards ja Ressourcenschutz. Wir müssen dann nicht für jeden Kunden eine individuelle Lösung gemeinsam mit einem anderen Marktbegleiter entwickeln. Wir sparen uns also Aufwände. Und der Kunde wird flexibler.

Inwiefern ist die Produktion der Treiber?

Herr: Die Messtechnik rückt ja immer dichter an die Produktion heran. Und die Produktion möchte Daten visualisieren. Die Verantwortlichen möchten zum Beispiel wissen: Wie läuft die Fertigung? Wo gibt es freie Kapazitäten? Wo kann man einen Auftrag hinsteuern? Dafür braucht man Standards. Denn in einer Produktionslinie steht zum Beispiel eine Maschine von Wenzel, in einer zweiten eine von Hexagon und in der dritten eine von Zeiss. Um einen Überblick zu erhalten, möchte der Fertigungsleiter nicht auf die verschiedenen Dashboards der unterschiedlichen Hersteller schauen, sondern auf ein zentrales.

Herr Wenzel-Schinzer, Sie haben vor drei Jahren in einem Interview mit Quality Engineering sinngemäß gesagt, dass die Digitalisierung der Produktion aufgrund von fehlenden Standards noch eine große Herausforderung ist. Ist diese nun bewältigt?

Wenzel-Schinzer: Ich bin zunächst mal wirklich positiv überrascht von dem, was wir bisher geschafft haben. Ich finde es sehr gut, dass gerade die großen Hersteller mitgemacht haben. Diese hätten ja auch geneigt sein können, einen herstellerspezifischen Standard zu etablieren. Der branchenspezifische Standard, den wir nun haben, wird sich schneller durchsetzen, weil sowohl die großen als auch die kleinen und mittleren Anbieter darauf einsteigen. Aber wenn man sich die Specification genau anschaut, dann ist diese erst mal nur ein Fundament. Tools, die man jetzt einfach per Plug and Play nutzen kann, sehe ich immer noch nicht.

Wer müsste diese zur Verfügung stellen?

Wenzel-Schinzer: Die muss jeder einzelne Hersteller entwickeln – was wir auch tun werden. Wenzel hat ja bereits ein entsprechendes Werkzeug entwickelt, das nun mit der Spezifikation ausgestattet wird.

Fischer: Aber der Vorteil von OPC UA ist ja, dass wir über Daten reden und nicht mehr über Tools oder Applikationen. Eine Maschine kann jetzt über Daten wunderbar in die Industrie-4.0-Szenarien integriert werden.

Imkamp: Wir haben jetzt – wie Herr Wenzel-Schinzer schon gesagt hat – einen Startpunkt gesetzt, insbesondere auch mit einem verbindlichen Umfang. Wenn jetzt jemand sagt, dass er eine OPC-UA-Schnittstelle nach der Companion Specification GMS hat, dann ist er verpflichtet, einen bestimmten Mindestumfang an Informationen zur Verfügung zu stellen. Ich bin zuversichtlich, dass man dadurch ein Plug and Play zumindest grundlegend bereits jetzt realisieren kann.

Welchen Vorteil hat denn OPC UA für die Koordinatenmessgeräte, die im Messraum stehen?

Fischer: Aus planerischen Gesichtspunkten ist es durchaus interessant zu wissen, ob in einem Messraum gerade Messkapazität frei ist. Oft gibt es ja in den Messräumen mehrere Maschinen mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Und wenn nun eine Stichprobe gemessen werden soll, hat man die Information, wo eine entsprechende Maschine zur Verfügung steht.

Wenzel-Schinzer: Ein weiterer Use Case wäre, wenn man das Condition Monitoring als Basis für Predictive Maintenance nutzt – also für eine vorausschauende Wartung. Diese ergibt im Messraum genauso viel Sinn wie in der Linie.

Herr: Bisher erfolgt eine Wartung ja in der Regel nach einem festen Intervall. Wenn ich aber die statischen und dynamischen Maschineninformationen erfasse, kann ich das datenbasiert machen.

Viele Anwenderunternehmen wollen aber nicht, dass ihre Maschinen Daten zu den Herstellern schicken – was ja für Predictive Maintenance notwendig ist.

Herr: Es gibt auch Predictive-Maintenance-Lösungen, die nicht in der Cloud, sondern onpremise – also beim Anwender – laufen. Die Maschine muss außerdem nicht permanent mit dem Hersteller kommunizieren. Es reicht ja, wenn sich zumindest ein Trend erkennen lässt.

Wenzel-Schinzer: Wir müssen natürlich den Kunden einen Gegenwert bieten, wenn wir Daten von den Maschinen haben möchten. Mit Predictive Maintenance lassen sich Ausfälle oder auch Kosten für Reparaturteile reduzieren. Wenn man diesen Nutzen kommuniziert, wird der Kunde auch mitgehen.

Was ist denn mit Altgeräten? Lassen diese sich ebenfalls in Industrie-4.0-Konzepte einbinden?

Fischer: Wir sind bestrebt, auch Bestandsmaschinen nach Möglichkeit mit OPC UA zu befähigen. Letztendlich lässt sich vieles irgendwie über Retrofits digitalisieren. Grundsätzlich sollten alle Systeme, welche hoch performant in der Produktionslinie arbeiten, aktuell und modern genug sein, um , solche Schnittstellen zu unterstützen.

Herr: Ich schließe mich Herrn Fischer voll an. Im Prinzip kann man jedes Gerät mit den entsprechenden Schnittstellen nachrüsten. Die Frage ist aber: Wo ist die technische und finanzielle Schmerzgrenze, ab der eine Retrofit-Investition in ein Gerät keinen Sinn mehr ergibt? Und man muss ganz ehrlich sagen: Es sind sehr viele Messmaschinen draußen im Markt, die ihren Lifecycle bei weitem überschritten haben.

Ein großes Ziel in der Messtechnik, das immer so ein bisschen wie die Suche nach dem heiligen Gral erscheint, ist der Closed Loop. Der wurde bei den Use Cases für OPC UA noch nicht erwähnt.

Herr: Alle bisherigen Closed-Loop-Ansätze basieren im Moment noch auf den SDKs der jeweiligen Steuerungshersteller, von denen jeder eine eigene Schnittstelle bietet. Über OPC UA ist bis jetzt nur ein Monitoring möglich. Man kann aber noch nicht über OPC UA direkt in die Steuerung schreiben. Außerdem geht es bei dem Thema auch um Vertrauen. Ein Maschinenhersteller lässt nicht gerne irgendwelche Korrekturwerte in seine Steuerung schreiben. Er muss wissen, dass das Ganze Hand und Fuß hat, was da gemacht wird. Dann wird er auch bereit sein, seine Tür zu öffnen.

Wenzel-Schinzer: Bisher geht man bei jeder einzelnen Anwendung noch nach dem Try-and-Error-Prinzip vor. Man tastet sich gemeinsam an die Lösung heran. Daher ist das noch nicht über einen Standard möglich.

Fischer: Diesen Aufwand möchte im Moment kaum jemand betreiben. Der Closed Loop wird in Einzelfällen umgesetzt, lässt sich aber nur schwer skalieren.

Imkamp: Grundsätzlich muss man sagen: Ein Messgerät kann zum Beispiel die Abweichung eines Durchmessermaßes bestimmen. Aber die Fragen zu beantworten, wie die Bearbeitungsmaschine ihre Parameter verändern muss, damit dieser Durchmesser wieder passt, ist nicht die Aufgabe der Messtechnik.

Welche Produkte hinsichtlich OPC UA können wir denn von den Herstellern jetzt erwarten?

Wenzel-Schinzer: Ich habe das ja bereits angedeutet. Wir werden unseren SYS-Analyzer, der auf MQTT-Kommunikation basiert, jetzt mit OPC UA ausstatten. Das System ermöglicht Condition Monitoring und stellt die Grundlage für Predictive Maintenance. Daneben bieten wir auch ein Tool für die Automatisierung, das wir ebenfalls entsprechend erweitern werden.

Fischer: Wir haben den Fokus auf die Overall Equipment Effectiveness – also OEE – gelegt. Es geht darum, Anlagen zu überwachen, die Verfügbarkeit, die Auslastung, und die Performance abzubilden. Diese Möglichkeit wollen wir breit über unser gesamtes Spektrum anbieten. Unsere Kunden erwarten, dass alle Systeme OPC UA sprechen können – ein optisches System genauso wie ein taktiles, ein Computertomograph oder ein Industriemikroskop.

Und Hexagon?

Herr: Wir werden künftig für unsere Maschinengenerationen bezüglich Konnektivität eine ganz andere Schnittstellenbreite anbieten. Der Kunde kann dann selbst frei entscheiden kann, welche Schnittstelle er nutzen möchte – OPC UA, MT-Connect, MQTT oder was auch immer.

Wird denn die Arbeit an OPC UA fortgesetzt werden? Wird es eine Version 1.1. oder 2.0 der Companion Specification für die Messtechnik geben?

Imkamp: Ich bin mir sicher, dass die Arbeit fortgesetzt wird. Wir haben jetzt bewusst ein Dokument herausgebracht, auch als verbindlichen Standard, damit dieser Verbreitung findet. Aber es gilt nun im Bereich Machinery gerade die Themen Jobmanagement und Part-Management weiter voranzutreiben – insbesondere um auch die Automatisierung zu ermöglichen. Wir müssen uns in dieses Umfeld einbetten und sind an den Aktivitäten im Bereich Machinery aktiv beteiligt. Und wenn die entsprechenden Festlegungen dort veröffentlicht sind, dann werden wir diese auch in einem neuen Release der Companion Specification aufnehmen.


Dashboard auf der Control

In Abstimmung mit der OPC UA Foundation hat ein VDMA-Arbeitskreis die „OPC UA Companion Specification für geometrische Messsysteme“ definiert. Ziel ist die Bereitstellung von Informationen für den Datentransfer von und zu geometrischen Messsystemen über eine einheitliche Schnittstelle. Im Arbeitskreis waren die Unternehmen Hexagon, Jenoptik, Mahr, Marposs, Mitutoyo, OGP, Wenzel und Zeiss IQS aktiv. Der VDMA Mess- und Prüftechnik hat mit deren Unterstützung einen Informationsstand auf der Control realisiert. Dort informieren Verband und Experten aus den Unternehmen über die Standardisierungsprojekte und präsentieren das Dashboard zur OPC-UA-Spezifikation.

VDMA, Halle 5, Stand 5508


Noch mehr Standards

Mit OPC UA Cutting Tools wurde Ende 2022 ein weiteres Vorhaben gestartet. Ziel ist der Austausch von Werkzeugparameterdaten zwischen CAM-System, Werkzeugschleifmaschine und Werkzeugmessmaschine bei der Herstellung oder Überarbeitung von Zerspanungswerkzeugen. Die neue OPC Companion Specification baut auf den Spezifikationen für geometrische Messsysteme auf und entwickelt diese für das Werkzeugschleifen weiter. Der Standard soll auch eine automatisierte Anpassung der Maschineneinstellungen aufgrund der Messergebnisse ermöglichen. Dieser Closed Loop stellt laut VDMA eine wesentliche Erweiterung dar und kann als Baustein auch bei einer Überarbeitung der CS GMS verwendet werden. 

Ein weiterer Standard ist I++ DME, der ursprünglich von der Automobilindustrie initiiert wurde. Die Weiterentwicklung erfolgt nun durch Hersteller von Koordinatenmessgeräten. Der universelle und herstellerneutrale Schnittstellenstandard ermöglicht es, Messmaschine und Messsoftware unabhängig voneinander zu beschaffen oder auszutauschen. Die Anwender können sich für die individuell beste Kombination aus Hard- und Software entscheiden.


Die Diskussionsteilnehmer

  • Frank Herr, Director Application Technology & Support EMEA, Hexagon
  • Prof. Dr. Heiko Wenzel-Schinzer, Geschäftsführer und Chief Digital Officer, Wenzel
  • Dr. Dietrich Imkamp, Head of Metrological Qualification, Zeiss IQS, und Vorsitzender der OPC-UA-Arbeitsgruppe Geometrische Messsysteme beim VDMA
  • Daniel Fischer, Produktmanager Metrology Software, Zeiss IQS

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