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Persönliche Schutzausrüstung oder Medizinprodukt? CE-Kennzeichnung im Fluss

Persönliche Schutzausrüstung oder Medizinprodukt?
CE-Kennzeichnung im Fluss

Medizinprodukte und Schutzausrüstung benötigen eine CE-Kennzeichnung für den Marktzugang in Europa. Rechtliche Grundlage sind gleich mehrere Richtlinien, Verordnungen und Gesetze. Diese sind als Folge der Covid-19-Pandemie laufenden Änderungen unterworfen. Wir geben einen Überblick.

Für das Inverkehrbringen von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) und Medizinprodukten unterscheiden sich die gesetzlichen Grundlagen: 

  • Für persönliche Schutzausrüstung gilt die europäische Verordnung (EU) 2016/425 (PSA-Verordnung) vom 9. März 2016. Diese hat die EU-Richtlinie 89/686/EWG aufgehoben. EG-Baumusterprüfbescheinigungen nach der Richtlinie gelten allerdings noch bis zum 21. April 2023, sofern sie nicht vorher ablaufen. 
  • Für Medizinprodukte gilt die europäische Richtlinie 93/42/EWG (MDD).
  • Für Medizinprodukte ist zudem die europäische Verordnung (EU) 2017/745 (MDR) am 25. Mai 2017 in Kraft getreten. Diese soll die MDD mit einem Übergangszeitraum von 4 Jahren ersetzen. Der Geltungsbeginn der MDR ist der 26. Mai 2021. 

Zu den europäischen Richtlinien beziehungsweise Verordnungen kommen noch die Überführungen in das nationale Recht hinzu, in Deutschland vor allem das Medizinproduktegesetz (MPG), das Medizinprodukte-Durchführungsgesetz (MPDG) und das PSA-Durchführungsgesetz. Es gibt zudem europäische Verordnungen und Richtlinien über In Vitro-Diagnostika und aktive Implantate. Diese „speziellen Gruppen“ von Medizinprodukten sollten aber wenig Relevanz für Schutzprodukte haben.

Wann ist ein Produkt persönliche Schutzausrüstung oder Medizinprodukt? Die PSA-Verordnung definiert Schutzausrüstung vereinfacht ausgedrückt als Ausrüstung einer Person zum Schutz gegen Risiken für ihre Gesundheit oder Sicherheit. Die Medizinprodukterichtlinie beziehungsweise -verordnung zielen bei der Definition von Medizinprodukten vereinfacht ausgedrückt auf „Gerätschaften“ ab, die einem medizinischen Zweck dienen. Schützt ein Produkt also primär den Patienten, etwa im Zuge einer medizinischen Behandlung, sollte es sich um ein Medizinprodukt handeln. In welche der beiden oben genannten Kategorien ein Produkt letztlich fällt, hängt von dessen Zweckbestimmung ab, die wiederum der Hersteller selbst für ein jeweiliges Produkt formuliert.

Masken und Schutzbekleidung, die im Zuge der Covid-19-Pandemie stark nachgefragt sind, sind ein gutes Beispiel. So sind medizinische Masken (Mund-Nasen-Schutz, MNS) Medizinprodukte gemäß Medizinprodukteverordnung oder Medizinprodukterichtlinie. Sie dienen hauptsächlich dem Schutz der Patienten und haben einen medizinischen Zweck. Demgegenüber dienen Atemschutzmasken (partikelfiltrierende Halbmasken; FFP1, FFP2 oder FFP3) vor allem dem Selbstschutz des Anwenders und fallen unter die PSA-Verordnung. Ähnlich ist es bei Schutzbekleidung. Operationsbekleidung schützt vor allem den Patienten auf dem OP-Tisch während des medizinischen Eingriffs. Daher handelt es sich um ein Medizinprodukt gemäß Medizinprodukteverordnung oder Medizinprodukterichtlinie. Schutzkleidung, die den Anwender vor Virus-Kontamination schützen soll, fällt als persönliche Schutzausrüstung hingegen unter die PSA-Verordnung. 

Für den Marktzugang gelten die gleichen Anforderungen

Die prinzipielle Vorgehensweise ist in beiden Fällen die gleiche: Ein Hersteller muss durch eine Konformitätserklärung bestätigen, dass ein Produkt die grundlegenden Anforderungen der europäischen Verordnungen beziehungsweise Richtlinien erfüllt. Diese sind die:

  • „Grundlegenden Gesundheitsschutz- und Sicherheitsanforderungen“ bei persönlicher Schutzausrüstung gemäß PSA-Verordnung (Anhang II)
  • „Grundlegenden Anforderungen“ bei Medizinprodukten gemäß Medizinprodukterichtlinie (Anhang I) oder
  • „Grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen“ bei Medizinprodukten gemäß Medizinprodukteverordnung (Anhang I). 

Die Konformitätserklärung ist wesentliche Voraussetzung für die CE-Kennzeichnung eines Produkts durch den Hersteller oder Bereitsteller. Ohne Konformitätserklärung dürfen sowohl Medizinprodukte als auch persönliche Schutzausrüstung im Regelfall in Europa nicht in Verkehr gebracht werden. 

Welche Risikoeinteilungen gibt es? Sowohl bei persönlicher Schutzausrüstung als auch bei Medizinprodukten muss der Hersteller zunächst eine Einteilung eines Produkts in unterschiedliche Risikogruppen vornehmen. Diese Eingruppierung ist Grundlage für die Auswahl des Konformitätsbewertungsverfahrens. 

Bei persönlicher Schutzausrüstung gibt es die Risikokategorien I (geringe Risiken) bis III (hohe Risiken). Die Einteilungskriterien finden sich im Anhang I der PSA-Verordnung. Partikelfiltrierende Halbmasken oder Schutzanzüge, die für den persönlichen Schutz gegen SARS-CoV-2 Kontamination gedacht sind, fallen in die höchste Kategorie III, denn die Folgen einer Kontamination für die betreffende Person wären mit hohen Risiken verbunden. Generell fällt persönliche Schutzausrüstung, die vor schädlichen biologischen Agenzien schützt, in die höchste Kategorie.

Bei Medizinprodukten gibt es die Risikoklassen I (geringes Risiko) bis III (hohes Risiko). Die Einteilung von Medizinprodukten hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Zudem ändern sich die Einteilungskriterien beim Übergang der Medizinprodukterichtlinie zur Medizinprodukteverordnung erheblich. Im Zuge der Covid-19-Pandemie werden insbesondere nicht-invasive Medizinprodukte zu Schutzzwecken nachgefragt, insbesondere Mund-Nasen-Schutz, Handschuhe und medizinische Schutzkleidung. Diese fallen überwiegend in die Risikoklasse I. 

Risikoeinteilung entscheidet über Konformitätsbewertungsverfahren

Sowohl für persönliche Schutzausrüstung als auch für Medizinprodukte gibt es unterschiedliche Konformitätsbewertungsverfahren, die in Abhängigkeit von der Risikoeinteilung eines jeweiligen Produkts zur Anwendung kommen. 

Persönliche Schutzausrüstung, die vermehrt während der Covid-19-Pandemie benötigt wird, fällt im Regelfall in die höchste Kategorie III. Diese erfordert eine EU-Baumusterprüfung (Modul B, Anhang V) in Verbindung mit einer internen Fertigungskontrolle und überwachten Produktprüfungen in unregelmäßigen Abständen (Modul C2, Anhang VII) oder in Verbindung mit einer Überwachung eines Qualitätssicherungssystems (Modul D, Anhang VIII). 

Beide Verfahren setzen eine technische Dokumentation des Produkts voraus. Außerdem muss ein Hersteller in beiden Fällen eine Notifizierte Stelle einbeziehen, die das Konformitätsbewertungsverfahren zertifiziert. Die Notifizierte Stelle muss für die PSA-Verordnung akkreditiert sein. Bringt der Hersteller nach erfolgreich durchlaufenem Konformitätsbewertungsverfahren das CE-Kennzeichen am Produkt an, muss dieses die Kennnummer der Notifizierten Stelle tragen. 

Nicht-invasive und unsterile Medizinprodukte, die dem Schutz von Patienten dienen, fallen überwiegend in die Risikoklasse I mit geringen Gefahren. Hier kann der Hersteller oder gegebenenfalls ein Bevollmächtigter die Konformität mit den grundlegenden Anforderungen (Medizinprodukterichtlinie) oder den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen (Medizinprodukteverordnung) eigenständig erklären. Die Einschaltung einer Benannten Stelle ist nicht erforderlich. Es reichen im Wesentlichen die ordnungsgemäße Erstellung einer technischen Dokumentation, die Ausstellung der Konformitätserklärung und die nachfolgende CE-Kennzeichnung des Medizinprodukts. 

Welche Normen sind wichtig? Wollen Hersteller die Konformität mit den grundlegenden Anforderungen nachweisen, können sie produktspezifische, harmonisierte Normen verwenden. Harmonisierte Normen sind europaweit einheitlich und beinhalten wesentliche technische Spezifikationen sowohl für persönliche Schutzausrüstung als auch für Medizinprodukte. Beispiele für wichtige Schutzprodukte und dazugehörige Normen finden sich in der Infobox rechts. Akkreditierte Prüforganisationen testen, ob ein Produkt die technischen Spezifikationen der Normen erfüllt und stellen entsprechende Zertifikate aus. Diese sind Teil der technischen Dokumentation und des Konformitätsbewertungsverfahrens. 

Schutzprodukte sind zum Teil ohne CE-Kennzeichnung verkehrsfähig

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat eine Verordnung zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Produkten des medizinischen Bedarfs bei der durch das Coronavirus verursachten Epidemie (MedBVSV) erlassen. Damit sollen unter anderem PSA vorübergehend auch ohne CE-Kennzeichnung in Deutschland in Verkehr gebracht werden dürfen. Die MedBVSV erlaubt vorübergehend zwei solcher Wege.

Zum einen gilt PSA, die in den USA, Kanada, Australien oder Japan zugelassen ist, gemäß MedBVSV auch in Deutschland als verkehrsfähig. Voraussetzung ist jedoch die Einschaltung der jeweils zuständigen Marktüberwachungsbehörde. Zum anderen ermöglicht die MedBVSV, PSA dann in Deutschland in Verkehr zu bringen, wenn diese einem „Schnellprüfverfahren“ erfolgreich unterzogen wird. Der Prüfgrundsatz für das Schnellprüfverfahren wird durch die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik (ZLS) veröffentlicht. Auch in diesem Fall ist die Einschaltung der zuständigen Marktüberwachungsbehörde zwingend erforderlich, welche die schnellgeprüfte PSA mit einer Bestätigung versieht. Allerdings wurde dieses Verfahren zum 30.09.2020 zunächst ausgesetzt, da sich die Versorgungslage mit Masken zwischenzeitlich verbessert hat.

Eine weitere Möglichkeit, Medizinprodukte ohne CE-Kennzeichen in Verkehr zu bringen, ist die Sonderzulassung nach §7 Abs. 1 Medizinproduktedurchführungsgesetz (MPDG) und Artikel 59 MDR, für die beim BfArM ein formloser Antrag gestellt werden kann. Eine Sonderzulassung kommt dann in Betracht, wenn die Anwendung eines Medizinproduktes im Interesse des Gesundheitsschutzes liegt. Insgesamt sieht das BfArM für Masken zum Infektionsschutz in der aktuellen Covid-19-Pandemie allerdings keinen Versorgungsengpass mehr und damit auch keine Rechtfertigung für eine positive Antragsbewertung.

VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V.
Stresemannallee 15
60596 Frankfurt
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www.vde.com/health


Bild: VDE

Dr. Cord Schlötelburg

Division Manager
VDE Health

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Der CE-Check

Da seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie vermehrt Medizinprodukte und Schutzausrüstung mit gefälschtem CE-Zeichen angeboten werden, bietet der VDE seit dem Frühjahr 2020 einen Plausibilitätscheck für Medizinprodukte und Schutzausrüstung an. Der Check erlaubt eine schnelle Ersteinschätzung, ob ein angebotenes Produkt vermarktet werden darf und aus seriösen Quellen stammt.


Fazit

Die regulatorischen Anforderungen an Medizinprodukte und persönliche Schutzausrüstung sind umfangreich und zu Zeiten von Covid-19 laufenden Anpassungen unterworfen. Wie in Zeiten hoher Nachfrage zu erwarten, mehren sich Meldungen zu nicht legal in Verkehr gebrachten Produkten, gefälschten Zertifikaten und nicht ordnungsgemäß ausgestellten Konformitätserklärungen. Sicherheit und Nutzen sind für Patientinnen und Patienten aber von allergrößter Bedeutung. Zudem ergeben sich Haftungsfragen, wenn nicht-verkehrsfähige Schutzprodukte am Markt bereitgestellt werden.


Bei Operationskleidung ist die EN 13795 wichtig
Bild: sunisa/stock.adobe.com

Welche Norm greift?

Wichtige Schutzprodukte und dazugehörige Normen sind:

  • filtrierende Halbmasken zum Schutz gegen Partikel: EN 149 
  • medizinische Gesichtsmasken (Mund-Nasen-Schutz): EN 14683 
  • Augenschutz: EN 166 
  • Operationskleidung: EN 13795 
  • Schutzkleidung gegen Infektionserreger: EN 14126 
  • Schutzkleidung gegen flüssige Chemikalien: EN 14605 
  • medizinische Handschuhe: EN 455 
  • Schutzhandschuhe gegen Chemikalien und Mikroorganismen: EN 374 
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