Qualitätsmanagement (QM) gilt nicht als das attraktivste und spannendste Thema in Firmen. Seine Wichtigkeit steht jedoch außer Frage: Dank Qualitätsmanagement bekommt die Kundschaft das, was sie sich wünscht. Dabei erfüllt QM eine Support-Funktion, die Kunden einfordern, aber nicht extra bezahlen. Nur wer den Kundenwunsch kontinuierlich erfüllt, verdient auf Dauer Geld. Daher ergibt es Sinn, alle Prozesse und Abläufe der Organisation an ihm auszurichten und ein prozessorientiertes Qualitätsmanagement (PQM) aufzubauen. Praxisnähe und Anwenderfreundlichkeit finden darin ihren Platz.
Ursprünglich basierten QM-Systeme auf den strikten Vorgaben der ISO-9001-Norm und strukturierten sich eher formal nach normativen Kapiteln. Diese Herangehensweise stellte Mitarbeitende oft vor Herausforderungen. Sie fanden sich schwer in den abstrakten Normkapiteln zurecht. Für viele war die Norm selbst weniger relevant. Vielmehr lag ihr Interesse darin, die eigenen Arbeitsprozesse und Abläufe zu verstehen und zu optimieren.
Das führte bei Analysten zu der Erkenntnis, dass ein QM-System, das sich direkt an den alltäglichen Tätigkeiten der Mitarbeitenden orientiert und deren spezifische Prozesse abbildet, deutlich effektiver ist. Beschreibt man Prozesse klar und ergänzt sie um notwendige QM-Maßnahmen wie Nachweisführungen oder Freigabeprozesse, steigt die Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen Umsetzung. Die Übersicht wesentlicher Prozesse in einer sogenannten Prozesslandkarte zu visualisieren, stärkt die Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Qualitätsmanagement. Verantwortliche verankern dann QM-Aspekte in den spezifischen Prozessen und tragen dazu bei, dass die Organisation letztlich ihre Kundenwünsche effektiv erfüllt und somit wirtschaftliche Ziele erreicht.
PQM versteht sich als Grundlage für andere Managementthemen. Denn ob Risikomanagement, Information Security, Nachhaltigkeit oder ESG – der Fokus liegt auf den Geschäftsprozessen.
QM ist integraler Teil
des Arbeitsprozesses
Um Qualität in einem Unternehmen zu gewährleisten, muss sie direkt an der Quelle entspringen – nämlich bei den Mitarbeitenden selbst. Strategen betrachten Qualitätsmanagement nicht als abstrakte Aufgabe der Geschäftsführung oder eines speziellen Qualitätsmanagers, sondern als integralen Bestandteil des täglichen Arbeitsprozesses der Mitarbeitenden. Begreifen alle Firmenmitglieder, was sie durch ihr Tun zum Erreichen des übergeordneten Unternehmensziels beitragen, übernehmen sie euphorisch Verantwortung.
Diese Begeisterung vermitteln Qualitätsmanager durch ein klar gezeichnetes Bild des jeweiligen Tätigkeitsspektrums – spitze Positionierung fördert einen hohen Grad an Identifikation. Qualität zu erbringen wird also nicht delegiert, sondern beim tatsächlichen Leistungserbringer als positives Mindset geweckt: „Ich will von Anfang an die Dinge richtig machen, um für meine Organisation das Bestmögliche zu erzielen.“ Entscheidend ist dabei, den Mitarbeitenden den Zugang zu Qualitätsmanagement-Elementen zu erleichtern. Die Art der Präsentation entspricht optimalerweise deren spezifischen Arbeitsabläufen.
In der heutigen Zeit wachsen die Anforderungen an Mitarbeitende stetig und die Aufgaben gewinnen an Komplexität. Daher ist es wichtig, Qualitätsmanagementsysteme einfach und verständlich zu gestalten. Mitarbeitende stehen unter Druck, eine Vielzahl von Aufgaben zu bewältigen. Im täglichen Tun behalten sie unmöglich alle Vorgaben und Normen im Kopf.
Daher muss das QM-System so gestaltet sein, dass es sich nahtlos in die bestehenden Arbeitsabläufe integriert und das Team nicht zusätzlich belastet. Für problemloses Verständnis und erfolgreiche Umsetzung braucht es eine Übersetzung der Anforderungen und Vorgaben des Qualitätsmanagements in die Sprache der Mitarbeitenden. Es gilt, die Komplexität des QM zu reduzieren. Wenn sich alle konzentriert ihren Kernaufgaben widmen und gleichzeitig die Arbeitsqualität stimmt, hat das geklappt.
QM begreift sich nicht nur als regulatorische Pflicht, sondern als hilfreiches Werkzeug zur Verbesserung der täglichen Arbeit und zur Erfüllung der Kundenbedürfnisse. Stabile und klar definierte Prozesse tragen zur Verringerung von Unsicherheiten und Stress bei. Die Mitarbeitenden wissen, was sie zu tun haben – das fördert die Zufriedenheit und Gesundheit des Personals.
Der Qualitätsmanager fungiert als Dirigent
Die Rolle des Qualitätsmanagers lässt sich am besten mit der eines Dirigenten vergleichen: Er spielt nicht selbst alle Instrumente, sondern koordiniert und leitet die Musiker an, um ein harmonisches Gesamtbild zu schaffen. Viele Unternehmen betrachten den Qualitätsmanager oft als zentrale Fachperson. Mit umfangreichem Detailwissen ausgestattet, trägt sie dort Verantwortung für die Qualitätssicherung. Doch diese Herangehensweise kann zu Missverständnissen führen. Wenn die Geschäftsführung den Qualitätsmanager lediglich mit dem Auftrag versieht, Qualität sicherzustellen, ohne die notwendige Unterstützung und Integration im gesamten Unternehmen zu gewährleisten, bleiben Erfolge Stückwerk.
Übernimmt der Dirigent auch das Geigen- und Posaunenspiel, bleibt die Sinfonie unvollendet. Für Qualität zeichnen die tatsächlichen Leistungserbringer verantwortlich. Diese Mitarbeitenden wissen am besten, wie ihre spezifischen Prozesse ablaufen und wo Verbesserungspotenzial schlummert. Der Qualitätsmanager unterstützt sie dabei, indem er ihnen Werkzeuge, Methoden und Richtlinien zur Verfügung stellt. Anspornen ja, jedoch ohne selbst die Ausführung der Qualitätsmaßnahmen zu ergreifen.
Ein handfestes Beispiel manifestiert diese Philosophie: Ein Taschenspiegel mit der Frage „Wer ist für Qualität verantwortlich?“ und der Antwort, die sich im Spiegel selbst reflektiert. Es verdeutlicht, dass jeder im Unternehmen – von der Putzkraft bis zum General Manager – einen qualitativen Beitrag leisten kann.
Autoritäre Führung gehört der Vergangenheit an
Früher war es üblich, dass Führungskräfte detaillierte Anweisungen gaben und ein stark hierarchisches Verhältnis pflegten. Mitarbeitende folgten diesen Anweisungen oft ohne viel Widerstand, getrieben von einer Form der Gehorsamkeit gegenüber autoritären Vorgaben. Ein kritisches Hinterfragen von Notwendigkeit und Sinn fand weniger statt als heute.
Der Führungsansatz hat sich heute grundlegend verändert und prägt das PQM. Eine moderne Führungskraft agiert nicht mehr als autoritäre Figur, sondern als Coach und Mentor. Sie inspiriert die Teammitglieder und bindet sie in Entscheidungsprozesse ein, um ihre Überzeugung und Motivation zu stärken. Dabei spielt es eine zentrale Rolle, dass Führungskräfte selbst von den Prinzipien des PQM überzeugt sind und diese authentisch vertreten. Mitarbeitende legen zunehmend Wert auf Transparenz und Sinnhaftigkeit. Sie wollen verstehen, warum bestimmte Prozesse und Maßnahmen wichtig sind und wie sie zur Erreichung der Unternehmensziele beitragen.
Kunden erwarten ständige Erhöhung der Standards
Als ein zentrales Element des prozessorientierten Qualitätsmanagements gilt der tief verankerte, kontinuierliche Verbesserungsgedanke. In einer dynamischen Geschäftswelt gehört Streben nach kontinuierlicher Verbesserung unerlässlich dazu. Was Menschen heute als innovative Leistung betrachten, sehen sie morgen schon als Standard und übermorgen als veraltet an. Beispiele wie ABS oder Servolenkung im Automobilbereich zeigen, wie einst luxuriöse Technologien heute zur Selbstverständlichkeit zählen. Kunden erwarten dauerhaft eine Erhöhung der Standards.
Für Unternehmen stellt Zufriedenheit mit dem Status quo eine gefährliche Haltung dar. Im PQM geht es nicht nur um das Erzielen einmaliger Erfolge, sondern auch um das ständige Suchen nach Wegen, Erfolge zu übertreffen. Nach einer Prozessoptimierung taucht zwangsläufig die nächste Baustelle auf. Diese ständige Weiterentwicklung beschreibt einerseits ein Merkmal erfolgreichen Unternehmertums und andererseits einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Unternehmen, die sich in einem ständig wandelnden Markt auf ihren Erfolgen ausruhen, riskieren, an Relevanz einzubüßen und den Anschluss zu verlieren.
Die ISO 9001-Norm erkennt diesen Bedarf an kontinuierlicher Verbesserung ausdrücklich an und fordert Unternehmen auf, ihre Prozesse stetig zu hinterfragen und zu optimieren. Diese Anforderung bildet das Fundament für nachhaltigen Erfolg im Qualitätsmanagement. Ein modernes PQM setzt sich zum Ziel, diesen Verbesserungsprozess am Laufen zu halten. Denn nur durch Wachsamkeit und Anpassungsfähigkeit behaupten Unternehmen ihre Position am Markt.
Dr. Roman Käfer
Geschäftsführer und Gesellschafter
Procon Unternehmensberatung