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Drei auf einen Schlag

ISO 13485 als Brücke zwischen ISO 9001 und Europäischer Medizinprodukteverordnung
Drei auf einen Schlag

Drei auf einen Schlag
Investitionen in die Produktion zahlen sich für Interco aus. Im eigenen Maschinenpark werden sämtliche Komponenten für die Sitzsysteme direkt vor Ort hergestellt Bilder: Interco
Die einheitliche Philosophie von Normen erleichtert Unternehmen aus dem Bereich der Medizinprodukte die Arbeit: Die beiden ISO-Normen 9001 und 13485 lassen sich sehr gut gemeinsam auditieren. Man kann also auf effizientem Wege zwei vollwertige und im Markt anerkannte Zertifizierungen anstreben, wie das Beispiel von Interco zeigt.

Das TÜV Proficert-Verfahren betrachtet in nahezu allen relevanten Bereichen die jeweils gültigen Anforderungen an ein umfassendes Managementsystem. Die Mutter fast aller Managementsystem-Normen ist dabei natürlich die DIN EN ISO 9001, die das Qualitätsmanagement überprüft. Die einheitliche Philosophie erleichtert Unternehmen aus dem Bereich der Medizinprodukte die Arbeit: Die beiden ISO-Normen 9001 und 13485 lassen sich hervorragend gemeinsam auditieren. Man kann also auf effizientem Wege zwei vollwertige und im Markt anerkannte Zertifizierungen anstreben.

Aber das ist nicht alles: Im Fall von Medizinprodukten fällt dies auch in den gesetzlich geregelten Bereich für Design, Entwicklung, Produktion, Kundendienst und Montage von Medizinprodukten. Vor dem Hintergrund der ab dem 26. Mai 2020 gültigen neuen Medizingeräteverordnung kann die Prüfung der Konformität mit Managementsystemen zum Beispiel auch zur Darstellung der Konformität mit geforderten Aspekten der Europäischen Richtlinie über Medizinprodukte dienen.

Zertifizierung nach ISO 13485 als Vorbereitung
auf die kommende gesetzliche Regelung

Wie das folgende Praxisbeispiel von Interco zeigt, ist die Zertifizierung nach der ISO 13485 ein sehr gutes Instrument für die Vorbereitung auf die kommende gesetzliche Regelung: Mit einem Leben im Rollstuhl sind häufig große Anstrengungen bei Mobilität und Teilhabe verbunden. Selbst ohne eine erzwungene Fixierung können gewöhnliche Rollstühle einen Patienten in seiner Bewegungsfreiheit stark einschränken. Bei Menschen mit einer infantilen Zerebralparese, Korea-Huntington oder vergleichbaren Indikationen führt die Einschränkung zu Verspannungen, Druckstellen und Abschürfungen. Denn die Störung des Nervensystems und der Muskulatur führt zu einer unwillkürlichen Motorik. Die Symptome reichen von kaum merklicher Unbeholfenheit über erhebliche Bewegungsstörungen in einer oder mehreren Gliedmaßen bis hin zur Lähmung. Am häufigsten sind dabei spastische Mischformen und eine Muskelhypertonie, also eine unabsichtliche Steigerung der Muskelspannung. Deshalb müssen Patienten üblicherweise auch häufig neu positioniert werden, wenn sie nach unwillkürlichen Bewegungen verrutschen – wenigstens war das bisher der Fall.

Allerdings gibt es heute zahlreiche Methoden und Hilfsmittel, um die Beweglichkeit der betroffenen Kinder zu fördern. Dazu gehören auch Rollstuhlsysteme, die sich individuell an den Grad der Behinderung anpassen und speziell für Patienten mit unwillkürlichen Streckbewegungen entwickelt werden und die wir nun vorstellen. Seit über 20 Jahren widmet sich Michael Markwald mit seinem Unternehmen Interco der Konstruktion und Produktion von Sitzlösungen, die sich speziell den Bedürfnissen der Patienten anpassen. „Die Idee für diese Systeme entstand aus der praktischen Erfahrung, dass starre Rollstühle nicht alle Patienten optimal versorgen“, berichtet der Firmengründer. „Insbesondere Kinder und Erwachsene mit unwillkürlichen Streckbewegungen haben häufig Probleme. Denn der Drang, eine Bewegung auszuführen, wird von einer Fixierung unterdrückt.“ Um eine passende Versorgung der Patienten zu ermöglichen, hat Markwald deshalb das „dynamische Sitzen“ erfunden. Diese Form der Sitzversorgung – also dem Sitzen in speziell angefertigten Rollstühlen – verbindet erstmals die orthopädisch optimale Sitzposition mit einer geführten Bewegungsfreiheit. Nicht der Körper muss sich den Gegebenheiten des Stuhls anpassen, sondern der Stuhl passt sich dem Körper an. Der damit ermöglichte Wechsel zwischen den verschiedenen Körperhaltungen hat zudem positive Auswirkungen auf den gesamten Körper der Patienten, etwa Atmung, Kreislauf oder die Beweglichkeit der Körpergelenke.

Das System des „dynamischen Sitzens“ hat also einen hohen therapeutischen Nutzen, von dem der gesamte Organismus profitieren kann. Diese Kombination von Vorteilen wirkte sich auch auf die Marktstellung des anfangs noch kleinen Unternehmens aus: Seit der Gründung ist Interco mit Sitz in Eitorf stark gewachsen. Aus dem Familienunternehmen mit angrenzender Produktionshalle ist ein Mittelständler geworden, der weltweit gefragt ist. Bemerkenswert und auch für die Zertifizierung hilfreich ist die – auch für einen Mittelständler extrem große – Fertigungstiefe von 90 %.

Mehr als 50 % der Produkte liefert Interco an internationale Kunden. „Vor allem in Skandinavien sind wir sehr gefragt“, sagt Janina Markwald. Die Tochter des Gründers ist seit Anfang 2014 im Unternehmen für Vertrieb, Export und Marketing zuständig.

Geprüfte und standardisierte Prozesse garantieren
bei Interco, dass die Produkte sicher sind

Neben dem Wachstum liegt der Fokus des Familienunternehmens auf der Qualität. Sie ist die Basis für die Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten. „Speziell die Sicherheit unserer Sitzsysteme liegt uns sehr am Herzen“, betont Janina Markwald. „Deshalb sind wir bereits seit mehr als 20 Jahren zertifiziert. Wir wollen mit geprüften und standardisierten Prozessen garantieren, dass unsere Produkte sicher sind und wir gleichbleibende Qualität liefern können.“

Für Medizinprodukte ohne Zertifikat ist es in der Regel schwerer, auf internationalen Märkten zugelassen zu werden. Verzögerungen beim Markteintritt und Umsatzverluste sind die Folge. Speziell der Nachweis eines Qualitätsmanagementsystems gilt in vielen Ländern als Pflicht. Die Anforderungen an Design, Produktion, Dokumentation sowie alle weiteren Prozesse und Elemente eines spezifischen Qualitätsmanagements für Medizinprodukte legt die Norm DIN EN ISO 13485 fest.

Prüfung hilft Interco dabei, sich weiterzuentwickeln

Das Zertifizierungsverfahren startete mit einer intensiven Vorbereitung. „Wir nehmen die Prüfung unheimlich ernst, denn sie hilft uns dabei, uns weiterzuentwickeln. Deshalb wollten wir optimal vorbereitet sein“ sagt Janina Markwald. Überdies war das Audit für die Markwalds und ihr Team gleichzeitig eine Generalprobe: Es galt herauszufinden, ob Interco die Herausforderungen der Europäischen Medizinprodukteverordnung MDR (Medical Device Regulation) bereits heute erfüllt. Die neue amtliche Fassung der MDR wurde am 5. Mai 2017 im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Offizielles Inkrafttreten der europäischen Verordnung war 20 Tage nach der Veröffentlichung – also der 25. Mai 2017. Die MDR ist deshalb nach einer dreijährigen Übergangszeit ab 26. Mai 2020 verpflichtend anzuwenden.

Interne Audits und Weiterbildung der Mitarbeiter führen zu neuen Ideen und Produkten

Nach sämtlichen anspruchsvollen Prüfungen stand fest: Interco erfüllt alle Anforderung an ein Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 13485 und DIN EN ISO 9001. Zudem wird ein großer Teil der neuen MDR-Vorgaben bereits umgesetzt. Das Unternehmen hat also keinen großen Handlungsbedarf mehr und ist bestens für Mai 2020 in Sachen MDR gerüstet. Auditor Thorsten Karer von TÜV Hessen bestätigt: „Interco hat zahlreiche Aufgaben aus der neuen Medizinprodukteverordnung MDR bereits heute in den betrieblichen Alltag eingebunden, etwa in der Dokumentation oder bei der Kalkulation individueller Risiken.“

Der Erfolg des Familienunternehmens aus Eitorf begann mit einer guten Idee. Das dynamische Sitzen kommt im Markt an, weil es einfach sehr viel Sinn macht. Und die Entwicklung hört nicht auf: Das Unternehmen lernt ständig dazu, hört seinen Kunden und Partnern zu, forscht und entwickelt seine Sitzsysteme damit kontinuierlich weiter. Gesetzlichen Vorgaben folgend werden die Systeme nun auch Crash-Tests unterzogen. Doch auch interne Audits und die Weiterbildung der Mitarbeiter führen zu innovativen Ideen und Produkten. Das Zertifizierungsverfahren unterstützt die Weiterentwicklung natürlich ebenfalls: Denn es zeigt, wo Verbesserungsbedarf besteht. Bei Interco wurde so die Lieferantenbewertung optimiert. Das Bewertungssystem wurde leicht verändert, die verbesserten Ergebnisse erleichtern die gesamte Dokumentation. „So können wir sicherstellen, dass wir Fehler nicht wiederholen“, sagt Janina Markwald.

Regelmäßige Befragungen von Fachhandel und Endkunden bringen zusätzlichen Input, um Produkte zu verbessern oder Prozesse zu verändern. Damit Patienten mit infantiler Zerebralparese auch weiterhin gut versorgt werden können. Zu den aktuellen Neuheiten zählen verbesserte Sitzsysteme, bei denen die Sitzbreite und -tiefe verändert werden kann, während der Patient im Stuhl sitzt. Bei solchen Entwicklungen zahlt es sich aus, dass Interco sämtliche Komponenten im eigenen Haus herstellen kann. „Das ist ein Qualitätsmerkmal“, bestätigt Thorsten Karer, „individuelle Wünsche können so schnell und einfach realisiert werden.“ ■


Der Autor

Ottmar Walter

Bereichsleiter
Managementsysteme TÜV Hessen

www.tuev-hessen.de


Die DIN EN ISO 13485

  • Gegenstand: Qualitätsmanagementsystem für Medizinprodukte
  • Forderungen und Ziele: Mit der DIN EN ISO 13485 werden Anforderungen an ein umfassendes Managementsystem für Design und Herstellung von Medizinprodukten definiert. Das Ziel ist eine höhere Produktsicherheit. Die Norm richtet sich an Hersteller, Anbieter von Medizinprodukten und Dienstleistungen für Medizinprodukte. Dabei verfolgt die Norm einen prozessorientierten Ansatz.
  • Inhalte (Auswahl): Qualitätsmanagement, Verantwortung der Leitung, Ressourcenmanagement, Produktrealisierung, Messung und Optimierung
  • Anwender, Zielgruppe: Hersteller, Zulieferer, Dienstleister, Händler, Sanitätshäuser, Orthopädietechniker, Orthopädieschuhtechniker, Rehatechniker, Technischer Service
  • Geltungsbereich: weltweit
  • Aktuelle Version: ISO 13485:2016
  • Besondere Merkmale: Förderung von spezifischen Qualitätsrichtlinien, Einbindung des Risikomanagements, Nachverfolgbarkeit der Produkte, Validierung von Software für Produktion, Wartung und Monitoring, Klinische Validierung, Maßnahmen zur Sterilität und Reinigung, Einführung und Pflege einer technischen Dokumentation, Kontrollen der Arbeitsumgebung ■
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