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Control-Rückblick: KI durchdringt die Qualitätssicherung

Control-Rückblick
KI durchdringt die Qualitätssicherung

Auf der Control 2023 hat sich eindrucksvoll gezeigt, dass künstliche Intelligenz (KI) die Mess- und Prüftechnik längst erreicht hat. Insbesondere Bildverarbeitungslösungen werden damit zunehmend automatisiert und damit in der Praxis leichter einsetzbar.

» Sabine Koll

Für Dr. Marco Huber, Professor für Kognitive Produktionssysteme an der Universität Stuttgart, steht fest: „Künstliche Intelligenz ist gekommen, um zu bleiben. Insbesondere bei der Qualitätssicherung in der Fertigung mit Bildverarbeitungssystemen spielt KI eine zentrale Rolle, um Prozessparameter vollkommen autonom anzupassen. Dadurch erleben wir gewissermaßen eine Demokratisierung von Aufgaben in der Qualitätsprüfung“, sagte Huber, der auch das KI-Fortschrittszentrum am Fraunhofer IPA in Stuttgart leitet, auf der Eröffnungs-Pressekonferenz der Control.

Er nannte ein Praxisbeispiel für die Kombination aus Bildverarbeitung und KI: Beim Automatisierungsexperten Pilz erfolgte die Qualitätsprüfung von Platinen in der Vergangenheit mit einem Automated Optical Inspection (AOI) System, bei dem Pseudofehler an der Tagesordnung waren. „Diese erforderten manuelle Nachprüfungen, die für die Mitarbeiter langwierig und ermüdend waren“, so Huber. „Durch den Einsatz von KI ist dies heute Vergangenheit, die KI erkennt 96 Prozent der Pseudofehler.“

Bildverarbeitung wird durch KI zum Mainstream

„Getrieben von einem beispiellosen Forschungsboom entwickelt sich die Bildverarbeitung nicht zuletzt durch den Einsatz von KI von der Nischen- zur Mainstream-Technologie“, bestätigt auch Michael Sackewitz, Koordinator des Fraunhofer-Geschäftsbereichs Vision im Interview mit Quality Engineering. „Mess- und Prüftechnologien von morgen werden nicht mehr auf feste Arbeitsschritte oder Aufgaben ausgelegt sein, sondern sich an verschiedene Randbedingungen wie Prüfinhalte, Fehlerklassen oder Gestalt der Prüfobjekte frei anpassen lassen.“ In vielen Fällen haben die Systeme nach Aussagen von Sackewitz die notwendige Intelligenz von vornherein bereits implementiert, so dass sie selbstlernend arbeiten können, ohne jeglichen Bedienereingriff. „Trainieren statt Programmieren könnte also die Devise der Zukunft lauten“, fährt Sackewitz fort. „Machine Learning (ML) als leistungsstarkes Werkzeug führt derzeit regelrecht zu einem Umbruch und leitet eine neue Ära ein. ML-basierte Bildverarbeitung wird künftig in viele neue Anwendungsbereiche vorstoßen, wo klassische Ansätze zu teuer, langsam, unflexibel oder ineffizient waren.“

Allerdings sieht Huber beim Einsatz von KI in der Qualitätssicherung noch einige Herausforderungen: „KI ist oftmals eine Black Box. Wir benötigen in der Qualitätssicherung aber unbedingt erklärbare KI. Der Mensch muss verstehen, was die KI macht.“ So sei es dem Bildverarbeitungsspezialisten IDS beispielsweise gelungen, neuronale Netze zur Erkennung von Datenverzerrungen zu visualisieren. Die meisten KI-Tools benötigen außerdem viele NIO-Daten, um zu lernen. Ein Ansatz, um dieses Problem zu lösen, ist generative KI wie zum Beispiel Generative Adversarial Networks (GAN). Solche Programme verwenden Bilder, um neue kohärente und überzeugende Inhalte zu erstellen. Die Computer sind in der Lage, das zugrundeliegende Muster in Bezug auf die Eingabe zu erlernen und es dann zu verwenden, um ähnliche Inhalte zu erzeugen. „Bei einem Mangel an NIO-Daten werden mit der KI also synthetische Defektbilder erzeugt“, sagte Huber.

„Die Kunden haben gegenwärtig sehr hohe Anforderungen an QS-Lösungen mit KI. Sie wollen wissen, wie unsere Systeme mit KI messen und welche Normen diese Lösungen erfüllen“, erzählte Markus Riedi, CEO von Opto, einem Hersteller von Digitalmikroskopen. Mit KI will Opto die Mikroskopie so automatisieren und für die Anwender vereinfachen, dass die Geräte „neben jeder Fräs- und Drehmaschine schnell installiert werden können“, so Riedi. „Für uns als Hersteller sowie für die Kunden ist KI allerdings ein Lernzprozess: KI funktioniert in Nischen heute schon perfekt, ist aber nicht pauschal noch nicht der große Wurf. Wir plädieren sehr für offene Plattformen und Partnerschaften, um den Einsatz von KI in der Qualitätssicherung zu fördern.“

Auch für Schneider Messtechnik ist KI ein Mittel, um die Messtechnik zu automatisieren. Geschäftsführer Andreas Strobel nannte als Grund für die Entwicklung im Interview mit Quality Engineering den Fachkräftemangel: „Es muss auf der einen Seite mehr gemessen und dokumentiert werden, auf der anderen Seite gibt es immer weniger Fachpersonal für die Messräume. Unser Fokus liegt daher auf der Entlastung des Bedienpersonals durch maßgeschneiderte Software- und Hardwarepakete und KI zur sinnvollen Unterstützung.“ Auf der Control zeigte der Messtechnikhersteller drei Produkte, die mit KI arbeiten: eine Software zur mobilen Prozessanalyse, einen Systemmonitor für das Condition Monitoring von Messgeräten über OPC UA sowie eine Software für das automatische Erstellen von Messprogrammen.

Auch Messtechnik
profitiert von der KI

An anderen Ständen auf der Control gab es ebenfalls Produkte mit KI-Bestandteilen – zum Teil sichtbar, zum Teil unsichtbar, da noch in der Entwicklung. „Künstliche Intelligenz wird auch in der Messtechnik Einzug finden. So arbeiten wir an der Perfektionierung einer Inspektionssoftware, die Kunden mit KI bei der optischen Teileinspektion unterstützt“, verriet Wolfgang Zeller, Geschäftsführer von Mitutoyo Deutschland, im Interview mit Quality Engineering.

Additive Soft- und Hardware hat ebenfalls KI-Komponenten in seinen Produkten – und kombiniert KI dabei mit statistischen Verfahren. „Die Qualitätssicherung schreitet in großen Schritten in Richtung Automatisierung und damit noch mehr Digitalisierung“, erklärte Additive-Geschäftsführer Andreas Heilemann im Interview mit Quality Engineering. „Wir bieten dafür ein breites Produktportfolio an, um die Umbauprozesse nicht nur zu begleiten sondern konkret umzusetzen.“ So wurde der Additive Qualitätsserver (AQUA) nun um Komponenten für Maschinelles Lernen erweitert: Bei Minitab Workspace, einer Projektmanagementlösung für Qualitätsverbesserungsprojekte, werden mit der Monte-Carlo-Simulation noch bessere Simulationsergebnisse zur Produkt- und Prozessverbesserung erzielt. Und die Software Wolfram Mathematica unterstützt das Themenumfeld KI/Maschinelles Lernen/Neuronale Netze seit vielen Jahren.

KI bewertet Bilder in
Prüfautomaten

Wie sich KI und Bildverarbeitung ergänzen, zeigte Kistler auf der Control anhand der neuesten Version seines optischen Prüfautomaten KVC 821: Er nutzt moderne optische Messtechnik, um präzise Daten zu Maßhaltigkeit, geometrischen und Oberflächeneigenschaften der Prüfteile zu erheben. Die Verarbeitung der Bilder übernimmt die Software KI-Vision, die Bewertung der Teile künstliche Intelligenz: Die Bildverarbeitungssoftware auf Basis von Deep Neural Networks nutzt Anomaliedetektion, um auch bislang unbekannte, kleinste Defekte auf den Oberflächen der Prüfteile zu erkennen.

Der Bediener trainiert die KI kontinuierlich

Ein vergleichbares Universal-Prüfsystem war auf der Messe bei Kitov zu sehen: Ein an einem Roboterarm montiertes Kamerasystem nimmt Bilder auf und präsentiert diese dem Bediener an einer Review-Station als Soll-Ist-Vergleich. Der Bediener kann dann entscheiden, ob die Unregelmäßigkeiten noch in der Toleranz liegen. Das System lernt anhand der Entscheidungen mit und optimiert die Bild- und Fehlerauswahl, die es dem Bediener vorschlägt. Auf Basis künstlicher Intelligenz werden die Fehlerinterpretation unterstützt und alle 3D-Oberflächenfehler erkannt. Dabei spielt es keine Rolle, welche Materialien oder Etiketten verwendet wurden. Ferner kann es sich bei den zu inspizierenden Bereichen um 1D- und 2D-Barcodes, Beschriftungen, Schrauben, Steckverbinder, Anschlüsse oder Ähnliches handeln. Durch den automatischen Inspektionsprozess und durch das mitlernende System lässt sich die Taktzeit optimieren und jede Inspektion mit minimalem Zeitaufwand durchführen.

Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
Nobelstr. 12
70569 Stuttgart
www.ipa.fraunhofer.de

Fraunhofer Geschäftsbereich Vision
Flugplatzstr. 75
90768 Fürth
www.vision.fraunhofer.de

Opto GmbH
Lochhamer Schlag 14
82166 Gräfelfing
www.opto.de

Dr. Heinrich Schneider Messtechnik GmbH
Rotlay-Mühle
55545 Bad Kreuznach
www.dr-schneider.de

Mitutoyo Deutschland GmbH
Borsigstrasse 8–10
41469 Neuss
www.mitutoyo.de

Additive Soft- und Hardware für Technik und Wissenschaft GmbH
Geschäftsbereich: Software
Max-Planck-Str. 22b
61381 Friedrichsdorf
www.additive-net.de

Kistler Group
Eulachstrasse 22
8408 Winterthur/Schweiz
www.kistler.com


Bild: Uwe Schoppen
Bild: Uwe Schoppen

Expertentalks auf der Control

Quality Engineering hat auf seinem Stand auf der Control erneut Video-Interviews mit den Ausstellern geführt. Dabei ging es um die aktuellen Trends in der Qualitätssicherung sowie um die Produkt-Highlights, welche die Aussteller nach Stuttgart mitgebracht hatten. Zu Gast waren in diesem Jahr unter anderem:

  • Frank Stanzel, Zygo Ametek
  • Jan-Hendrik Lott, API
  • Carsten Strebel, CAQ
  • Karl Jürgen Lenz, OGP Messtechnik
  • Matthias Ruff, SKZ
  • Angelo Muscarella, LK Metrology
  • Michael Klausnitzer, Insize + Micronise
  • Dr. Markus Ohlenforst, Iconpro
  • Christian Klostermann, Klostermann
  • Dr. Heike Wenzel, Wenzel Group
  • Stefan Molitor, 3D Global
  • Denis Dontsov, Sios Messtechnik
  • Benjamin Zengerling, Diondo
  • Adrian Junt, Accretech
  • Chiara Schramm und David Eitle, Keyence
  • Stefan Hoheisel, Creaform
  • Callum Williams-York, Nikon Metrology
  • Harald Wuest, Visometry
  • Michael Molderings, Hitachi
  • Walter Nackaerts, Deltaray
  • Niels Stenzel, Shining 3D
  • Petra Thanner, AIT
  • Max Stuck, Aesub
  • Kevin Huber, Spreitzer

Alle Interviews finden Sie im Youtube-Channel des Konradin-Verlags:


Auf der Control wagte so mancher Besucher ein Spielchen auf dem sogenannten Air-Hockey-Tisch des Fraunhofer IDMT.
Bild: Uwe Schoppen

KI hilft, Geräusche richtig zu identifizieren

Auf dem Gemeinschaftsstand des Fraunhofer-Geschäftsbereichs Vision in Halle 7 auf der Control zeigte das Fraunhofer IDMT eine ungewöhnliche Anwendung von künstlicher Intelligenz: An einem sogenannten Air-Hockey-Tisch wurde den Besuchern der Messe bei einer Partie Air-Hockey gezeigt, wie akustische Ereigniserkennung in einer realen Umgebung funktionieren kann. Die Lösung basiert auf Luftschallanalyse in Kombination mit Methoden des maschinellen Lernens. Dabei wurden Pucks aus unterschiedlichen Materialien anhand ihrer typischen Geräusche während des Spiels erkannt – echtzeitnah und robust gegenüber störenden Umgebungsgeräuschen.

„Mit dem Air-Hockey-Tisch zeigen wir das Potenzial des akustischen Monitorings für die Produktion auf“, erklärte Projektleiter Peter Hofmann. „In Produktionsumgebungen treffen wir auf unterschiedlichste Geräuschkulissen, die sich aus Maschinenlärm, Prozessgeräuschen und anderen Geräuschen zusammensetzen. Die Herausforderung für uns besteht darin, die spezifischen akustischen Ereignisse aus anspruchsvollen Umgebungen ‚herauszuhören‘ und zuverlässig zu analysieren.“ Der Demonstrator erkennt die spezifischen akustischen Ereignisse – in diesem Fall die verschiedenen Pucks – dank maschineller Lernverfahren sehr zuverlässig. Die akustische Unterscheidung der verschiedenen Materialien der Pucks demonstriert die automatisierte Erkennung vordefinierter Klassen, also Fehlerbilder oder Zustände. In realen Produktions- und Fertigungsumgebungen hilft die Lösung somit, Probleme mit unerwarteten Maschinenstillständen und qualitativ schlechten oder zerstörten Produkten zu vermeiden. Ein zusätzlicher Mehrwert besteht darin, dass die berührungslose akustische Erfassung dort eingesetzt werden kann, wo andere Überwachungsverfahren – zum Beispiel optische – an ihre Grenzen stoßen. Die KI-basierte Analyse von Industriegeräuschen kann entlang der gesamten Fertigungskette eingesetzt werden: zur Prozessüberwachung, zur Inline- und End-of-Line-Qualitätskontrolle von Produkten bis hin zur vorausschauenden Wartung von Maschinen.

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