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Qualitätsmanagement unterstützt nachhaltiges Handeln

Nachhaltigkeit
Qualitätsmanagement unterstützt nachhaltiges Handeln

Zwischen Nachhaltigkeit und Qualität gibt es viele Berührungspunkte. Sowohl die Experten als auch die Software-Systeme aus dem Qualitätsmanagement können daher eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, die Unternehmensstrategie auf ökologische und soziale Aspekte auszurichten.

» Markus Strehlitz

Nachhaltigkeit war früher ein Nice-to-have. Heute ist es ein Must-have“, sagt Nico Irrgang, der beim Zertifizierungs- und Risikomanagement-Anbieter DNV den Bereich Sustainability Services in Deutschland leitet. Kunden machen ihre Kaufentscheidungen verstärkt davon abhängig, ob ein Produkt auch ökologischen oder sozialen Anforderungen gerecht wird. Hinzu kommt, dass etwa das Lieferkettengesetz und die Überarbeitung der Richtlinie zur CSR-Berichtspflicht (Corporate Sustainability Reporting) dem Thema zusätzliche Dynamik gegeben haben. Unternehmen würden zunehmend angehalten, Nachhaltigkeitsinformationen offenzulegen, so Irrgang.

Damit wird Nachhaltigkeit auch relevant im Zusammenhang mit der Qualität eines Produkts und somit für das Qualitätsmanagement. Die klassische Definition von Qualität lautet: „Qualität ist der Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt.“ Laut Benedikt Sommerhoff, Leiter Themenfeld Qualität & Innovation bei der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ), greift diese Definition jedoch zu kurz. In einem Blogpost auf der Website der DGQ fordert er einen neuen Qualitätsbegriff. „Eine moderne Qualitätsdefinition darf sich nicht auf inhärente Merkmale beschränken“, so Sommerhoff. Die Kriterien müssen ausgeweitet werden – was auch globale ethische Themen einschließt. „Eine moderne Qualitätsdefinition muss die gesellschaftliche Gesamtbilanz und damit auch Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigen“, schreibt Sommerhoff.

Erwartungen der Kunden gehen über klassische Merkmale hinaus

„Wie ist es um die Qualität von Produkten und Dienstleistungen bestellt, die zwar von Kunden genutzt werden und ihre emotionalen Bedürfnisse befrieden, dies aber leisten, während andere dadurch geschädigt werden?“, fragt sich Sommerhoff im Blogpost. „Und ist das nicht noch schlimmer und verwerflicher, wenn eine gleichgute Anforderungs- und Bedürfniserfüllung mit Produkten und Dienstleistungen möglich wäre, die nicht oder signifikant weniger schaden?“

Thomas Hajduk, Nachhaltigkeitsbeauftragter bei Vorwerk, sieht das ähnlich. In einem Interview, das er der DGQ gegeben hat, spricht er von den hohen Erwartungen der Kunden an die Produkte von Vorwerk. „Neben klassischen Qualitätsmerkmalen wie Funktionalität und Design gehören hierzu auch Nachhaltigkeitsmerkmale wie Energieeffizienz, Haltbarkeit und Reparierbarkeit“, so Hajduk. „In diesem Sinne ist Nachhaltigkeit Bestandteil eines erweiterten Qualitätsversprechens.“

Nachhaltigkeit lässt sich nicht wegdelegieren

Doch was bedeutet dies für das Qualitätsmanagement im Unternehmen? Müssen die dortigen Experten sich nun auch um das Thema Nachhaltigkeit kümmern? Sommerhoff hat darauf zwar keine abschließende Antwort. Doch seiner Meinung nach lässt sich Nachhaltigkeit nicht an eine Stabsstelle delegieren, die dann allein dafür verantwortlich ist. Entscheidungen, die für Nachhaltigkeit relevant sind, beträfen eigentlich alle Bereiche im Unternehmen. „Im Idealfall ist Nachhaltigkeit eine kollektive Leitungsaufgabe“, sagt Sommerhoff gegenüber Quality Engineering.

Aus seiner Sicht dockt das Qualitätsmanagement an das Thema Nachhaltigkeit an – eben weil ökologische wie soziale Aspekte in dem erweiterten Qualitätsbegriff auch Kriterien für die Qualität eines Produktes und der Prozesse sind. Und weil Nachhaltigkeit wie die Qualität systemisch gemanagt werden muss. Es gehe jedoch nicht darum, den Qualitätsmanager nun in einem ohnehin schon umfangreichen Tätigkeitsfeld noch mit zusätzlichen Aufgaben zu belasten. „Ein Qualitätsmanager muss sich allerdings fragen, inwieweit er Kompetenzen und Inspiration in die Nachhaltigkeitsdiskussionen im Unternehmen einbringt, die Leitung und Eigner oft ohnehin schon führen“, so Sommerhoff. „Oder ob er bei diesem von immer mehr Unternehmen als strategisch bedeutend erkannten Thema außen vor bleibt.“

Das geht einher mit der sich ohnehin verändernden Funktion des Qualitätsmanagements. Dieses sei heutzutage mehr als das, was in vielen Unternehmen gelebt wird, meint Lutz Krämer, Mitglied der Geschäftsleitung von Babtec. „Wenn wir von Qualität sprechen, sollten wir besser von einem qualitätsorientierten Management sprechen.“

Er sieht Qualität nicht als reine Fachaufgabe für das Qualitätsmanagement. Werde sie nur so interpretiert, sei sie lediglich auf das nächste Audit, die nächste Zertifizierung oder Vermeidung von Störfällen fokussiert. „Qualität und ihre verantwortlichen Personen im Unternehmen spielen die Rolle eines Feuerwehrmanns. Eigentlich möchte man diesen nicht sehen. Aber es ist gut zu wissen, dass es ihn für den Notfall gibt.“

Qualität ist laut Krämer eine Aufgabe zur Entwicklung der Organisation. „Und eine Organisation ohne die Aspekte der Nachhaltigkeit zu entwickeln, geht heute schon nicht und morgen noch viel weniger. Daher ist Qualität quasi das Schweizer Taschenmesser für nachhaltiges Handeln“, so Krämer. Sowohl Nachhaltigkeit als auch Qualitätsmanagement seien eine Führungsaufgabe.

Er glaubt nicht, dass sich das Thema Nachhaltigkeit mit einem weiteren Managementsystem abdecken lässt – das also neben der Umwelt und Arbeitssicherheit im Unternehmen platziert und an eine verantwortliche Person delegiert wird. „Das wäre dann der Nachhaltigkeitsbeauftragte. Das wird per Definition nicht funktionieren, da Nachhaltigkeit langfristig schaut. Sie geht mit einem Wertewandel einher und betrifft alle Handlungen eines Unternehmens. Nachhaltigkeit ist vielschichtig und tritt global auf“, sagt Krämer.

Wilhelm Floer sieht das etwas anders. Der Leiter QM Audit bei Vorwerk Elektrowerke hält einen dezidierten Nachhaltigkeitsbeauftragten für notwendig (siehe Interview auf den Seiten 22 und 23). Und es sei sinnvoll, dass dieser Mitglied des Qualitätsmanagements ist, so Floer. Da ein Nachhaltigkeitsbeauftragter seine Informationen aus vielen unterschiedlichen Abteilungen holen muss, sollte er gut vernetzt sein in der Organisation. Außerdem benötigt er laut Floer eine gewisse Affinität zu Zahlen und einen Überblick über das Managementsystem. Dies alles treffe auf den Bereich Qualitätsmanagement zu.

Seiner Meinung nach bieten integrierte Qualitäts-, Energie- und Umweltmanagement-Systeme eine gute Möglichkeit, das Thema Nachhaltigkeit sowohl zu implementieren als auch zu adaptieren. Auch Krämer glaubt, dass das Qualitätsmanagement einen wichtigen Beitrag liefern kann. „Wir benötigen ein Organisationsmodell oder ein Managementsystem, das zum Unternehmen und zu den gelebten Werten passt“, meint Krämer. „Um dieses im Unternehmen wirksam zu machen und zu leben, kann sich die Führung und die operative Umsetzung an im Qualitätsmanagement bewährten Methoden und Werkzeugen bedienen.“

Zusammenarbeit in der Lieferkette ist entscheidend

Ein Bereich, in dem sich die Verbindung zwischen Qualität und Nachhaltigkeit sehr deutlich zeigt, ist die Lieferkette. „Gute Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten im gesamten Liefernetz ist für die Nachhaltigkeit ebenso entscheidend wie für die Produktqualität“, sagt Krämer. „Nachhaltigkeit ist keine Einzelaufgabe.“

Das hat auch Auswirkungen auf die eingesetzten Systeme. Diese müssen global einsetzbar sein, weil auch die Lieferanten in der Regel weltweit verteilt sind. Laut Floer kann ein klassisches Qualitätsmanagementsystem dies nicht leisten. Gefordert sei daher zusätzliche Software-Unterstützung.

Laut Krämer spielt Software bei diesem Thema eine wichtige Rolle. Zum Lieferantenmanagement gehöre auch die Lieferantenentwicklung. „Moderne Software kann hierbei einen wirkungsvollen Beitrag leisten“, sagt der Babtec-Mann. „Zum Beispiel unterstützt ein transparentes Onboarding – mithilfe zielführend eingesetzter Tools wie Audit, Maßnahmen- sowie Aufgabenmanagement, Erstbemusterung und digitale Dokumentenbereitstellung – die Beteiligten auf allen Seiten.“

Über das Onboarding hinaus wird die Zusammenarbeit im Qualitätsmanagement laut Krämer in vielerlei Hinsicht durch Software-Lösungen unterstützt. „Eine ausgelagerte Wareneingangsprüfung reduziert die Prozesskosten, vermeidet Blindleistungen wie etwa den Transport per Container von China nach Europa, sowie Verschwendung und Verschrottung. Das beidseitige Commitment für den fairen Umgang fördert das gegenseitige Vertrauen, kommt der Umwelt zu Gute und hilft dem Kunden.“

Software muss sich integrieren und vernetzen

Besondere Anforderungen gibt es aber nicht nur an die Software, die für Lieferantenmanagement und -entwicklung eingesetzt wird. Nachhaltigkeit ist wie das Qualitätsmanagement ein übergreifendes Thema. Software, die sowohl für das Qualitätsmanagement genutzt wird als auch das Thema Nachhaltigkeit abdeckt, muss entsprechend vernetzt sein. „Es geht um beste Integration der relevanten Qualitätsaufgaben in einer Lösung, bei gleichzeitig bester Konnektivität zu Drittsystemen“, erklärt Krämer. Zusätzlich sollte die Software die Möglichkeit bieten, firmenintern und -übergreifend zusammenarbeiten zu können. „Man braucht offene Systeme, die miteinander Daten teilen können.“

Das hört sich in der Theorie gut an. In der Praxis wird es für das eine oder andere Unternehmen jedoch eine Herausforderung darstellen, die Daten aus den unterschiedlichen Systemen zusammenzuführen. Denn Integration ist immer mit einem gewissen Aufwand verbunden. Je heterogener die Organisation aufgestellt ist, desto schwieriger ist diese Aufgabe.

Künftig werden die Firmen also viel damit zu tun haben, ihre Nachhaltigkeitsstrategie umzusetzen. Das gilt sowohl aus technischer als auch aus organisatorischer Perspektive. Die Frage, wo das Thema Nachhaltigkeit aufgehängt wird, muss jedes Unternehmen für sich beantworten. Die Experten sind sich einig: Es gibt leider keine Patentrezepte.


Studium zum Thema

Wer sich mit der kombinierten Sicht auf Nachhaltigkeit und Qualität intensiver beschäftigen möchte, kann an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin den berufsbegleitenden Master-Studiengang Nachhaltigkeits- und Qualitätsmanagement belegen. Dieser bietet laut Hochschule unter anderem einen umfassenden Blick auf umweltökonomische sowie auf qualitäts- und nachhaltigkeitsorientierte Belange, Praxisprojekte mit Unternehmen sowie integrierte Lehrgänge – zum Beispiel zum TÜV-Qualitätsbeauftragten. Der Studiengang läuft über 24 Monate und setzt sich aus zwölf Modulen zusammen.



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