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Quantentechnologie: Verschränkte Photonenpaare für präzisere Messungen

Quantentechnologie
Verschränkte Photonenpaare für präzisere Messungen

Verschränkte Photonenpaare für präzisere Messungen
Das Projekt „Quantum Methods for Advanced Imaging Solution“ (Quilt) unter der Leitung des Fraunhofer IOSB erforscht innovative Detektions- und Abbildungsverfahren mit Fokus auf dem sogenannten Quantum Ghost Imaging. Durch die Nutzung von verschränkten Photonenpaaren können Informationen über ein Photon selbst bei unterschiedlichen Wellenlängen gewonnen werden. Ziel ist es, mithilfe dieser Technologie eine Bildgebung über große Entfernungen zu realisieren. Bild: Fraunhofer IOSB/Indigo
Messen mit extrem hoher Präzision und Bildgebung in extremen Wellenlängenbereichen für die Mikroskopie – das ermöglichen Quantentechnologien. Deutsche Forschungsinstitute treiben deren Entwicklung voran. Doch dauert es noch, bis sie Eingang in industrielle Lösungen finden.

» Sabine Koll

Max Planck und Albert Einstein legten bereits Anfang des 19. Jahrhunderts die theoretischen Grundlagen für die Quantentechnologien, also die Nutzung von physikalischen Effekten und Gesetzen auf atomarer Ebene. „Doch erst heute haben wir die technologischen Werkzeuge zur Verfügung, um einzelne Teilchen zu erzeugen, zu manipulieren und für neuartige Lösungen zu nutzen“, sagt Dr. Kevin Füchsel, Gründer von Quantum Optics Jena, einem Spin-off des Fraunhofer IOF, im Wirtschaftsspiegel Thüringen. „Die Entwicklung des Lasers oder der Leuchtdiode war der erste Schritt in diese Richtung. Die nächste Stufe dieser Entwicklung ist nun die Erzeugung, Manipulation und Detektion von einzelnen Photonen oder Atomen in kommerziellen Produkten.“ Füchsel gliedert die Entwicklungen der Quantentechnologien in die drei Bereiche Quantencomputer, Quantenkommunikation und Quantensensorik. Zur Quantensensorik zählen auch neue bildgebende Verfahren.

Quantentechnologie in bestehende Mikroskopie-Systeme zu integrieren, ist denn auch das Ziel des Fraunhofer IOF. Die Forscher aus Jena wollen damit die Hürden der Quantentechnologie für Anwender aus der Industrie senken. „Kein Mensch will schließlich mit mehreren oder überdimensionierten Systemen arbeiten“, erklärt Markus Gräfe, Forschungsgruppenleiter „Quantenverstärkte Bildgebung“ am Fraunhofer IOF. „Deshalb sind wir in ständigem Austausch mit Mikroskopherstellern wie Carl Zeiss Jena und arbeiten gemeinsam an praktikablen Lösungen.“

Seine Forschungsarbeit bei der Quantenbildgebung bündelt das Fraunhofer IOF mit den Kompetenzen fünf weiterer Fraunhofer-Institute im Leitprojekt „Quantum Methods for Advanced Imaging Solutions“, kurz Quilt. Mit Fokus auf dem sogenannten Quantum Ghost Imaging werden neue Detektions- und Abbildungsverfahren erforscht. Durch die Nutzung von verschränkten Photonenpaaren können Informationen über ein Photon selbst bei unterschiedlichen Wellenlängen gewonnen werden. Ziel ist es, mithilfe dieser Technologie eine quantenbasierte Bildgebung über große Entfernungen zu realisieren und neue Anwendungsszenarien für Bildgebung, Spektroskopie und Analytik zu erschließen.

Ein erstes Ergebnis ist ist ein tragbares Demonstrator-Mikroskop für Life-Science-Anwendungen. Zudem entwickelte ein Forscherteam am Fraunhofer IPM in Freiburg im Rahmen von Quilt erstmals ein Quantenspektrometer für den mittleren Infrarotbereich. Neben dem Medizinbereich lassen sich solche Ansätze zum Beispiel auf die Materialwissenschaften übertragen. So könnten in der Automobilbranche bessere Detektoren Lackschichten im Terahertzbereich genauer prüfen.

„Messaufgaben, etwa in der Interferometrie, können mit verschränkten Zuständen sehr viel präziser gemacht werden“, erklärt Dr. Falk Eilenberger, ebenfalls Quantenforscher am Fraunhofer IOF. „Bei der Messung jeder Eigenschaft eines Quantensystems ist ein gewisses Rauschen unvermeidlich. Durch die Verschränkung der beiden Systeme können wir dieses Rauschen reduzieren.“ Eilenberger ist es mit einem internationalen Forschungsteam gelungen, eine neue Messmethode zu entwickeln, die hochpräzise Messungen selbst in diesen winzigen Systemen ermöglichen.

Verschränkung bedeutet dabei, dass Paare miteinander verschränkter Teilchen – also zum Beispiel Photonen, also Lichtteilchen – erzeugt werden. Jedes Teilchen weiß dabei stets um den exakten Zustand seines „Zwillings“; selbst dann, wenn dieser weit entfernt ist. Werden nun die zwei miteinander verschränkten Teilchen gemessen, so können deren Eigenschaften exakter bestimmt werden, als wenn jedes Objekt für sich allein gemessen worden wäre, so die Erkenntnis der Forscher.

„Bis dato gab es zum Rauschen bei Messungen mit verschränkten Systemen nur theoretische Vorhersagen zu Grenzen“, sagt Fraunhofer-IOF-Forscher Tobias Vogl. „Wir zeigen nun einen konkreten Weg auf, diese Grenze zu erreichen und demonstrieren damit, dass sie mit Einzelphotonenquellen und Quantencomputern erreichbar ist.“ Die Forscher hoffen, eines Tages sogar drei oder mehr Quantensysteme miteinander verschränken zu können. Auf diese Weise wäre eine noch höhere Präzision der Messung möglich.

Besondere Anwendungspotenziale für die Forschungsergebnisse des Fraunhofer IOF ergeben sich wie gesagt in der Interferometrie. Langfristig betrachtet sei aber auch denkbar, die neue Technologie im Rahmen der Mikroskopie einzusetzen.

Bildgebungstechnik auf Basis der Quantenverschränkung machen sich auch Forscher des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in Berlin zunutze, um im Anfang 2023 gestarteten Projekt „Quantum Enhanced Early Diagnostics“ (QEED) eine sehr leistungsfähige Mikroskopietechnik zu entwickeln, welche bei der Diagnostik von Krebs und anderen Krankheiten zum Einsatz kommen könnte. Die Methodik auf Basis der Quantensensorik soll Analysen von Gewebeproben ohne Einfärbung ermöglichen und die Messdauer für eine 10-MP-Aufnahme auf 2 min reduziert. Die einfache Präparation und schnelle Messung ermöglichen einen hohen Probendurchsatz und erstmals das Einbinden in klinische Arbeitsabläufe.

Um Krebs mit dem Mikroskop zu finden, könnte die mittlere Infrarotstrahlung (MIR) eine Alternative sein. „Unsere Projektpartner konnten zeigen, dass sich Krebszellen damit zuverlässig identifizieren lassen und sogar bestimmte molekulare Subtypen erkennbar sind“, sagt Dr. Hendrik Bartolomaeus, Wissenschaftler am Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung des Max Delbrück Centers und der Charité. MIR lässt sich aber technisch nur mit hohem Aufwand erzeugen und messen. Im Projekt geht es daher darum, die Messinformationen aus dem MIR in das gut und besonders schnell detektierbare nahe Infrarot (NIR) zu übertragen. Es wird also ein neuartiges, spektral auflösendes Bildgebungsverfahren, basierend auf verschränkten Photonenpaaren, entwickelt. Bartolomaeus: „Der Charme der neuen Methode liegt darin, dass wir dabei sowohl auf eine Infrarotlichtquelle als auch einen Sensor im mittleren Infrarotbereich verzichten können. Die Messung funktioniert allein mittels einer ultrahellen Photonenpaarquelle, welche quantenverschränkte Photonen erzeugt.“

Sill Optics ist einer der Partner im Forschungsprojekt QEED. Das Unternehmen entwickelt und produziert das Scannermodul für die Lösung, bestehend aus einem Spiegelscanner und angepassten Mikroskopobjektiven. „Im Bereich der quantenbasierten Messtechnik steckt eine Menge Innovationskraft“, sagt Julian Perlitz, Projektmanager bei Sill Optics. „Wir wollen mit unserer Projektbeteiligung einen Beitrag dazu leisten, die Probenanalyse in der Krebsdiagnostik deutlich effektiver zu gestalten.“



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