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Interview mit Ulrich Mangold von Peakavenue

Interview mit Ulrich Mangold
Peakavenue-Chef: „Wir lassen das Beste aus zwei Welten zusammenfließen“

Firmen im Artikel
Software-Anbieter Peakavenue will mit seinen Lösungen Firmen dabei unterstützen, einen Digital Thread umzusetzen. Im Interview erklärt CEO Ulrich Mangold, was genau das bedeutet, wie die Produktstrategie seines Unternehmens aussieht und warum die Qualitätsabteilung häufig ein digitales Stiefkind ist.

» Markus Strehlitz

Herr Mangold, Sie sind CEO von Peakavenue – einem Unternehmen, das aus der Fusion von Plato und iqs hervorgegangen ist. Welche Strategie steckt eigentlich hinter diesem Zusammenschluss?

Plato und iqs sind zwei Spezialisten mit jahrzehntelanger praxisnaher Erfahrung auf den Gebieten Engineering- und Qualitätsmanagement. Wir lassen das Beste aus zwei Welten in einer modernen Cloud-Plattform zusammenfließen. Erklärte Ziele sind die Vernetzung der Daten im Produktlebenszyklus – dem Digital Thread – und die damit einhergehenden Verbesserungsprozesse. Mit dieser durchgängigen Lösung, von der Entwicklung über die Produktion bis in den Markt hinein, versetzen wir unsere Kunden in die Lage, Risiken zu managen und während des gesamten Produktlebenszyklus ein höheres Qualitätsniveau zu erreichen, um so zum Qualitäts-Champion zu werden. Unsere Kunden können sich darauf verlassen, dass ihre Investitionen in die aktuelle Technologie geschützt sind und vom Zusammenschluss profitieren, während gleichzeitig die Weichen für zukünftige Innovationen gestellt werden.

Wie lange bleiben die Produkte von Plato und iqs noch erhalten?

Sowohl Eins als auch das Quality Center zeigen hohe Wachstumsraten und bleiben unseren Kunden als eigenständige Produkte bis mindestens 2030 erhalten. Wir binden jedoch unsere Kunden frühzeitig in die Zukunftspläne der Peakavenue-Plattform für unseren gemeinsamen Weg in die Zukunft ein.

Sie haben den Begriff Digital Thread genannt. Können Sie noch etwas genauer darstellen, was sich dahinter verbirgt?

Der Digital Thread ist der digitale rote Faden, der Datenflüsse über viele verschiedene Prozesse verbindet und eine einfache und ganzheitliche Ansicht der Daten über den Produktlebenszyklus darstellt. Dabei bildet der Digital Thread einen geschlossenen Kreislauf und verändert die Art und Weise, wie Produkte entwickelt, hergestellt und gewartet werden. Durch die Verknüpfung der Anforderungen mit den wichtigsten Metadaten der nachgelagerten Prozesse schafft dieser rote Faden die Möglichkeit, den Stand des Produktentwicklungsprozesses zu verstehen, welche Risiken sichtbar sind und welche Korrekturmaßnahmen in Betracht gezogen werden sollten. Durch die Bereitstellung datengetriebener Lösungen schaffen wir einen nahtlosen und effizienten Digital Thread, der auf Qualität ausgerichtet ist: Informationen fließen, Menschen arbeiten effektiv zusammen, Lernprozesse werden unterstützt.

Was bringt das konkret?

Man ist in der Lage, einen Soll-Ist-Abgleich zu machen und den PDCA-Zyklus zu schließen. Wenn man mit einem integrierten System arbeitet, kann man einfach und konsistent tatsächliche Fehler mit der eigenen Planung abgleichen. Die Planung ist permanent auf dem neusten Stand und Fehler werden nachhaltig abgestellt. Hierbei unterstützt das durchgängige Maßnahmenmanagement in allen Phasen des Produktlebenszyklus. Dank dieser Durchgängigkeit erhöht sich der Reifegrad bei den Anwendern. Denn man arbeitet eben nicht mit Einzelinformationen, sondern hat einen roten Faden durch den gesamten Lebenszyklus, der dabei hilft, die Informationen miteinander – wo es sinnvoll ist – zu verknüpfen und daraus die richtigen Rückschlüsse zu ziehen.

Brauche ich für diesen Digital Thread ein System aus einer Hand? Denn in der Regel starten Unternehmen ja nicht auf der grünen Wiese, sondern arbeiten bereits mit verschiedenen Systemen, die dann entsprechend eingebunden werden müssen.

Das ist richtig. Wenn wir mit unseren Kunden sprechen, haben diese häufig schon ein bestehendes Drittsystem für einen Teilprozess – zum Beispiel dem APQP oder dem Reklamationswesen. Ein Teil der Anforderung an uns ist es dann, sich mit diesen Systemlandschaften zu vernetzen, sodass sich auch unter diesen Umständen der Vorteil eines integrierten Systems nutzen lässt. Die Stärke unserer Software-Produkte ist es, dass sie bereits jetzt darauf ausgerichtet sind – sowohl Eins als auch das Quality Center. Wir bieten Standardschnittstellen, um die Master Data einzubinden – zum Beispiel aus ERP- oder den MES-Systemen. Und in der neuen Plattform wird das natürlich mit den moderneren API-Schnittstellen auch an den richtigen Stellen so eingebaut werden, dass wir mit den Fremdprodukten vernetzbar sind.

Wann wird diese neue Plattform verfügbar sein?

Wir sind gerade in der sogenannten Mushrooming-Phase. Im Verlauf dieses Jahres werden wir die ersten Module auf den Markt bringen. Anschließend werden weitere Module wie Pilze aus der Erde schießen. Bis Ende 2026 planen wir, das Produktportfolio vollständig ausgebaut zu haben.

Und womit können wir als Erstes rechnen?

Eines der ersten Module wird ein Dokumentenmanagementsystem sein, das sowohl als integraler Bestandteil der neuen Plattform verfügbar sein wird als auch eigenständig genutzt werden kann.

Und wenn alle Pilze gewachsen sind, dann lässt sich die Vision des Digital Thread umsetzen?

Ganz viele Elemente davon lassen sich heute schon umsetzen. Eine CAQ-Software hat ja ein ähnliches Ziel. Und durch die Zusammenarbeit zwischen Plato und iqs erweitern wir die CAQ-Software in den Engineering-Bereich hinein. Dabei verfolgen wir bereits den Grundgedanken, Qualitätsprozesse miteinander zu vernetzen und ein lernendes System zu gestalten, bei dem man über Templates die Planung auf andere Produkte übertragen kann. Das lässt sich schon jetzt nutzen. Das Neue an unserer kommenden Plattform ist, dass diese mit den großen bekannten Cloud-Plattformen technisch standhält und wir eine offene, skalierbare SaaS-Plattform bereitstellen, die Standards setzt. Durch die Integration der verschiedenen Schwerpunkte verschiedener Unternehmen machen wir jedes einzelne Modul noch stärker.

Die neue Plattform wird in der Cloud bereitgestellt werden. Dieses Konzept scheint sich mittlerweile auch im Qualitätsbereich etabliert zu haben.

Die Cloud ist zum Standard geworden. Daher bin ich überzeugt davon, dass wir Cloud-Produkte anbieten müssen. Plato-seitig machen wir das bereits heute, iqs dagegen ist noch ein Client-Server-basiertes System. In der Peakavenue-Zukunftsplattform wird alles cloudbasiert sein.

Und die Anwender der Software profitieren dann von den typischen Cloud-Vorteilen?

Eine Cloud-Lösung bietet enorme Vorteile. Zunächst einmal gibt es für den Einstieg quasi keine Hürde mehr. Wenn ein Kunde sagt: „Das klingt spannend. Kann ich das mal ausprobieren?“ – dann erhält er innerhalb von Minuten einen Zugang und kann das System testen. Das ist ein automatisierter Prozess. Ein weiterer Vorteil für den Kunden ist, dass er sich nicht um den Betrieb der Lösung kümmern muss, sondern das Hosting als Dienstleistung nutzen kann. Der Aufwand für die Einrichtung und die Wartung wird durch eine schnellere Bereitstellung signifikant reduziert. Außerdem werden neue Funktionalitäten durch regelmäßige Updates automatisch hinzugefügt, sodass der State of the Art jederzeit gewährleistet ist. Subskriptionsbasierte Abrechnungsmodelle und geringe Vorabinvestitionen können sich ebenfalls als ein großer Vorteil erweisen.

Welche Rolle spielt KI – also künstliche Intelligenz – im Qualitätsmanagement?

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz ist ganz klar ein aktueller Trend. Die entscheidende Frage ist aber dabei: Was erwartet man von der KI? Wir bei Peakavenue erwarten, dass die KI den Anwender unterstützt. Wir nennen dies Peakavenue Copilot. Die KI wird also nicht der Pilot sein, der das Flugzeug allein fliegt. Denn der KI immanent sind sogenannte Halluzinationen – also mitunter falsche Ergebnisse. Gerade im Bereich Qualität wird es daher immer einen Menschen geben müssen, der die Verantwortung übernimmt. Aber die KI kann die Arbeit erleichtern – als Copilot eben. Die KI kann zum Beispiel als ein Moderator fungieren, der einen Anwender durch ein System oder einen Prozess führt.

Also ein Assistent?

Schauen Sie sich mal an, wie viel Geld Unternehmen für die Ausbildung von FMEA-Moderatoren ausgeben, die dann in der Methodik geschult werden. Wenn eine KI den Anwender durch den Prozess führt und ihm bei jedem Schritt sagt, was er zu tun hat, dann hilft das enorm. Dann müssen sich die FMEA-Moderatoren zwar technisch gut auskennen, aber vielleicht weniger in der Methodik und in der Software. So kann das Unternehmen den Schulungsaufwand stark herunterfahren. Wenn es Probleme mit einem Produkt gibt, kann eine KI auch Vorschläge für die entsprechenden Maßnahmen unterbreiten. Generell bietet KI viel Potenzial und wir werden uns anschauen, wie wir dies an den richtigen Stellen nutzen. Die KI-Funktionen werden Bestandteil der neuen Plattform sein.

Wie weit sind Unternehmen, wenn es darum geht, die neuen Möglichkeiten – etwa durch KI oder den Digital Thread – zu nutzen?

Meine Beobachtung ist, dass die Digitalisierung in der Qualität etwa fünf Jahre hintendran ist. Es wird viel Geld in die Digitalisierung der Fertigung, der Prozesse im Einkauf oder der Entwicklung gesteckt, aber der Qualitätsbereich ist diesbezüglich noch ein Stiefkind.

Was heißt das?

Es gibt natürlich Kunden, die weiter sind als andere. Aber man sieht sehr oft, dass Prozesse manuell durchgeführt werden, die sehr aufwendig sind. Ein Beispiel sind Zeichnungen, die an einen Lieferanten geschickt werden. Der muss diese dann selbst manuell stempeln. Dann wird für den Erstmusterprüfbericht eine Liste in Excel erstellt. Das Unternehmen muss dann wiederum abgleichen, ob die Liste vollständig ist und ob zum Beispiel die Toleranzen richtig abgeschrieben wurden. Bei einem einfachen Produkt wie einem Füller mag das noch möglich sein. Aber bei einem Getriebe beispielsweise stehen 800 Merkmale in der Liste. Da braucht man Heerscharen von Leuten, die das prüfen. Das führt auch zu viel Frust bei den Qualitätsmitarbeitern, zu Ineffizienz und Fehlern.

Woran liegt es aus Ihrer Sicht, dass die Qualitätsabteilung beim Thema Digitalisierung so stiefmütterlich behandelt wird?

Ich glaube, weil sie zwar erheblich, aber nur indirekt zum Unternehmenserfolg beiträgt. Der Ursache-Wirkungs-Zusammenhang ist oft nicht transparent. Wenn man zum Beispiel im Einkauf zwei zusätzliche Leute einstellt und die erfolgreich das Einkaufsvolumen um fünf Prozent nach unten drücken, dann sieht man da einen direkten Zusammenhang. Der lässt sich messen. Ich habe vor kurzem einen Vortrag gehört, bei dem es um das Dilemma in der Qualität geht. Wenn es ein Qualitätsproblem gibt und dieses gelöst wird, dann werden die Leute als Firefighters, als Helden gefeiert. Die Quality Champions dagegen verhindern den Brand, bevor er entsteht. Doch die werden nicht gefeiert. Sie werden nicht wahrgenommen, weil es ja gar kein offensichtliches Problem gibt. Das führt sehr oft dazu, dass man sagt: „Von denen sehe ich und höre ich nichts, dann kann ich ja bei denen sparen.“ Und dann braucht man wieder die Firefighters, weil es wieder zu Problemen kommt. Aber wir als Peakavenue sagen: „We make the Quality Champions.“ Wir versetzen unsere Kunden in die Lage, während des gesamten Produktlebenszyklus ein höheres Qualitätsniveau zu erreichen.

Und das heißt?

Der Redner, der den Vortrag gehalten hat, hat berichtet, dass es in seinem Unternehmen in 80 Prozent der Zeit darum geht, Probleme zu lösen. Nur in 20 Prozent beschäftigt man sich damit, die Probleme zu vermeiden. Wir wollen dazu beitragen, das Verhältnis umzudrehen. Wir wollen, dass die Firmen durch viel proaktives Arbeiten gar keine Qualitätsprobleme haben. Aber für diese Ausrichtung brauchen Unternehmen eine starke Führung, die sagt: „Wir brauchen exzellente Qualitätsprozesse.“ Und wenn es erst mal in den Köpfen der Führungskräfte ist, dann gibt es guten Chancen, dies umzusetzen – mit aufschlussreichen, gezielten und wertvollen Qualitätsdaten entlang des Digital Thread, damit die Mitarbeiter fundierte Entscheidungen treffen können, die sich positiv auf die Qualität ihrer Produkte auswirken.


Zur Person

Ulrich Mangold ist CEO des Software-Anbieters Peakavenue. Bis Juni 2023 bekleidete er die Position des Geschäftsführers bei iqs. Davor war er unter anderem in unterschiedlichen Positionen bei Bosch tätig.

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