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Qualitätsprognosen bei Miele

Predictive Quality
Qualitäts-Vorhersagen für den Shopfloor

In einem Pilotprojekt hat Miele erste Erfahrungen mit Predictive Quality gemacht – im Technology Center Drives in Euskirchen, in dem das Unternehmen Motoren sowie Antriebe entwickelt und herstellt. Für bestimmte Prüfgrößen erlaubt die eingesetzte Software qualitätsrelevante Prognosen. Und mit einer erweiterten Datenbasis soll noch mehr möglich sein.

» Markus Strehlitz

Predictive Quality kann einen Boost für die gesamte Entwicklung des Qualitätsmanagements bedeuten“, sagt Guido Nilgen, Qualitätsleiter des Technology Center Drives (TCD). Die Möglichkeit, tatsächlich Prognosen zur Qualität eines gefertigten Produkts geben zu können, sei etwas völlig Neues. Seine Aussage stützt Nilgen unter anderem auf Erfahrungen, die er im eigenen Unternehmen gemacht hat. In einem „Proof of Concept“ haben er und sein Team untersucht, wie und ob sich Predictive Quality in der Fertigung von Miele umsetzen lässt.

Erste Erfahrungen mit den Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz hatte das Unternehmen bereits im Kundendienst gesammelt. Dort unterstützt ein Assistenzsystem die Techniker vor Ort, indem es vorausschauend auf die Gefahr von Fehlern beim Austausch bestimmter Komponenten hinweist. „Ich habe mir gedacht, so etwas könnte bei uns auch auf dem Shopfloor sehr nützlich sein“, berichtet Nilgen. Zusammen mit Marcus Ohlenforst von Iconpro startete er ein entsprechendes Projekt. Ohlenforst ist Geschäftsführer des Software-Herstellers Iconpro, der mit Ares eine Lösung für prädiktive Qualität und Prozessoptimierung anbietet. Mit dieser lassen sich genaue Modelle für die vorausschauende Qualitäts- und Prozessoptimierung für typische Produktions- und Qualitätsdaten erstellen.

Die Voraussetzungen für den Einsatz der Software sind im TCD von Miele besonders günstig. Entlang der Fertigungsprozesse werden bereits Produktionsdaten erhoben, um diese für Kennwerte wie Ausschussraten oder Anlageneffektivität auszuwerten. Über entsprechende Schnittstellen werden die Daten gesammelt und auf einer Cloud-Plattform zusammengeführt. „Solche Daten nicht nur lokal, sondern in der Cloud zu speichern, damit sie analysiert werden können, ist schon sehr fortschrittlich. Es gibt Unternehmen, die diesbezüglich noch deutlich konservativer sind“, sagt Ohlenforst.

Die Frage war: Reicht die
Datenbasis aus?

Für Predictive Quality gab es somit schon eine gewisse Basis. Doch ob diese ausreicht und sich damit tatsächlich eine Prozessoptimierung sowie vorausschauende Qualitätssicherung durchführen lassen, diese Frage sollte das Pilotprojekt beantworten. Für dieses wurde die Fertigungslinie für eine Umwälzpumpe ausgewählt, die in einer Geschirrspülmaschine zum Einsatz kommt. Die Daten aus dieser Linie sollten mit Ares ausgewertet werden. Ziel war es zu erkennen, ob sich damit Vorhersagen zu elektrischen Prüfgrößen, der Akustik sowie weiteren funktionalen Parametern treffen lassen.

Für das Projekt wurden laut Ohlenforst folgende Meilensteine definiert: Dokumentation von Prozessen und Parametern, Extraktion von Produktionsdaten, Datenvorverarbeitung und -strukturierung, Korrelation und Analyse von Qualitäts- sowie Produktionsdaten, Potenzialanalyse bezüglich Ausschuss- und Qualitätsoptimierung sowie abschließend ein Predictive-Quality-Management-Summary.

Ohlenforst hebt dabei besonders die Dokumentation der Parameter hervor. Dies sei eine wichtige Grundlage für alles Weitere gewesen. Zu jedem einzelnen Prozessschritt wurden die Parameter festgehalten, die für die Qualität relevant sind – zum Beispiel die Positionierung von Rotor und Stator zueinander bei der Montage. Diese wurden nach verschiedenen Kriterien beurteilt. Zum Beispiel: Sind die Daten zu diesem Parameter vorhanden? Lässt er sich beeinflussen? In welchem Maße hat er Auswirkungen auf die Qualität?

Entscheidend für den Erfolg sei unter anderem die Zusammenstellung des Teams gewesen, sagt Nilgen. „Man braucht mehrere Parteien und muss verschiedene Ansätze zusammenbringen: Zum einen die IT-Experten, die sich unter anderem um die Systemarchitektur und die Konnektivität kümmern“, so Nilgen. Dann benötigt man die Data Scientists – also die Leute, die mit den Daten umgehen können. Die seien vor allem von Iconpro gestellt worden. „Und sehr wichtig sind natürlich die Mitarbeiter aus dem Qualitätsmanagement, die das Domainwissen mitbringen.“ Diese könnten zum Beispiel beurteilen, ob die Auswahl der Parameter sinnvoll ist. Und sie könnten auch sagen, wie die Ergebnisse einzuschätzen sind, die man erhält. „So reduziert man etwa die Gefahr von Scheinkausalitäten. Dass also aufgrund der Korrelation von bestimmten Daten falsche Schlüsse gezogen werden“, so Nilgen.

Prozessparameter lassen sich
frühzeitig steuern

Über den Zeitraum von etwa einem Jahr durchlief dieses Team die gesamten Meilensteine und schloss den „Proof of Concept“ ab. Eines der Ergebnisse: „Für die Vorhersage elektrischer Prüfgrößen konnten systematische Korrelationen basierend auf Produktionsdaten gefunden werden“, berichtet Ohlenforst. Was das konkret bedeutet, erklärt Qualitätsleiter Nilgen: „Bisher wird am Ende eines aufwendigen Produktionsprozesses in einer nicht minder aufwendigen Endprüfung entschieden, ob die Pumpe funktioniert, wozu auch die Einhaltung elektrischer Prüfgrößen gehört. Sollte das nicht der Fall sein, müssen Teile der Pumpe getauscht oder andere Nacharbeiten verrichtet werden, um so eine einwandfreie Produktqualität für den Kunden sicherzustellen. Durch Predictive Quality lassen sich über 40 Prozessparameter wie die von Rotor und Stator oder die Magnetisierung des Rotors nach der Montage so frühzeitig und präzise steuern, dass Nacharbeiten größtenteils vermieden werden können.“

Mithilfe der Datenanalyse per Ares-Software lässt sich also zumindest teilweise jetzt schon Predictive Quality im TCD von Miele umsetzen. Wichtiger ist aber: Das Pilotprojekt hat gezeigt, dass noch mehr möglich ist, wenn man die Datenbasis vergrößert. „Wir sind zunächst mit Prozess- und Qualitätsdaten gestartet“, so Nilgen. „Wir haben aber dann festgestellt, dass wir noch mehr Informationen – etwa auch Produktdaten – benötigen, um auch für die Qualitätssicherung in Bezug auf die funktionalen Größen und die Akustik entsprechende Ergebnisse zu erzielen.“

Miele will daher den Weg in Richtung Predictive Quality weitergehen. Dieses Jahr soll gemeinsam mit Iconpro ein Anschlussprojekt starten, „in dem die Datengrundlage hinsichtlich der identifizierten weiteren benötigten Prozessinformationen erweitert werden soll“, wie Ohlenforst berichtet. „Übergeordnetes Ziel ist die Implementierung und Integration von Predictive Quality und Prozessoptimierung in den Prozess, was Live-Vorhersagen und Prozesskorrekturen für minimalen Ausschuss ermöglicht“, so der Iconpro-Geschäftsführer. Parallel dazu sei außerdem ein ähnliches Projekt im Miele-Werk im polnischen Ksawerów gestartet. „In diesem konnte bereits eine beträchtliche Ausschussminimierung erzielt werden.“

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