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Virtuelle Systeme erobern die Industrie

Industrial Metaverse & Co.
So helfen virtuelle Technologien in der Qualitätssicherung

Virtuelle Technologien erobern die Industrie – und profitieren dabei auch von einer stärkeren Aufmerksamkeit durch den Begriff Industrial Metaverse. Für die Qualitätssicherung eröffnet das neue Möglichkeiten. Augmented-Reality-Systeme können bei der Inspektion assistieren und dabei zunehmend automatisiert agieren. 3D-Plattformen helfen bei der Zusammenarbeit.

» Markus Strehlitz

Nicht jede Marketing-Idee wirkt so, wie sich ihre Erfinder das gedacht haben. Unter dem Begriff Metaverse wollte Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ein neue virtuelle Welt etablieren und dem Trend entgegenwirken, dass seine Social-Media-Plattform zunehmend an Relevanz verliert. Doch der Erfolg dieser Strategie ist bislang überschaubar.

Aber Anbieter von IT und Produktionstechnologien haben den Ball aufgenommen. Unter dem Label Industrial Metaverse zeigten zum Beispiel viele Aussteller auf der Hannover Messe, was schon derzeit mit virtuellen Technologien möglich ist sowie künftig möglich sein wird. Auf seiner Kundenkonferenz in Boston präsentierte PLM-Anbieter PTC mit Burkhardt Compression sogar ein erstes Anwenderunternehmen einer Metaverse-Lösung. Dieses nutzt die Technik, um die eigenen Service-Techniker bei Wartungsarbeiten beim Kunden zu unterstützen.

Somit hat der vermeintliche Hype-Begriff zumindest indirekt dazu geführt, dass die Themen Virtual und Augmented Reality im Produktionsumfeld Aufwind bekommen haben. Die Anbieter entsprechender Systeme machen sich nun daran, die Einsatzgebiete in der Industrie zu erobern. Und dazu zählen auch Anwendungen rund um die Qualitätssicherung.

So kann Augmented Reality (AR) dem Werker bei der Qualitätskontrolle assistieren. PTC etwa bietet mit Step Check ein System an, das Mitarbeitende mit kontextsensitiven Arbeitsanweisungen Schritt für Schritt durch die Inspektionsaufgaben führt. Der Anwender blickt durch die Kamera seines Tablets auf das zu prüfende Bauteil. Die Software erkennt dann unsachgemäße Montagen, fehlende oder falsch ausgerichtete Teile. Die entsprechenden Anweisungen werden dabei per Augmented Reality auf dem Tablet eingeblendet.

Step Check ist in PTCs Augmented-Reality-Lösung Vuforia integriert und nutzt Künstliche Intelligenz (KI). „Vieles, was visuell prüfbar ist, kann das System vollständig übernehmen“, erklärt Dr. Nils Petersen, Senior Director of Product Management bei PTC. Der Facharbeiter könne sich dann mehr Zeit für die komplexen Checks nehmen.

Digitaler Zwilling wird auf das Prüfobjekt überlagert

Ähnliche Möglichkeiten wie Step Check bietet das Startup Visometry mit seinem System Twyn. Durch die Kamera eines Tablets lokalisiert, registriert und verfolgt Twyn Prüfteile in Echtzeit direkt dort, wo diese produziert oder gelagert werden. Anhand von CAD-Daten und Augmented Reality wird dann ein digitaler Zwilling direkt auf das Objekt überlagert. Ziel bei Visometry ist es, die Entwicklung in Richtung Automatisierung zu treiben. So bietet Version 2.0, die vor kurzem auf den Markt gebracht wurde, entsprechende neue Funktionen. Dazu zählt die Möglichkeit, genaue Prüfpläne zu definieren, um den Prüfer an der Baugruppe durch exakt replizierbare Prozesse zu führen. Dies wird so automatisiert, dass Twyn den Prüfer Schritt für Schritt an vorgegebene Prüfposen führt. Aus diesen können die abzusichernden Bauteile in Relation zur gesamten Baugruppe registriert werden, sodass Bauteile, die korrekt montiert sind, grün markiert werden. Fehlende oder falsch platzierte Bauteile werden rot angezeigt. Gleichzeitig werden die Anwender laufend über die bereits durchgeführten Prüfschritte informiert und erhalten einen Überblick über den Fortschritt und die Klassifizierungsergebnisse.

Bisher arbeitet Twyn in vielen Anwendungsfällen ohne KI. Das hat laut Visometry-Gründer Jens Keil den Vorteil, dass ein aufwändiges Teaching entfällt. Denn je nach Fall dauere die Vorbereitung lange und rechne sich innerhalb der Prüfprozesse dann nicht. Für gut strukturierte Bauteile wie zum Beispiel Schweißanbauteile, Schweißpunkte oder die Absicherung von Bohrlöchern funktioniere die Automatisierung ohne KI daher sehr gut.

Wenn es aber darum geht, Fehler zu erkennen, die nicht über einen Geometrieabgleich detektiert werden, können KI-basierte Verfahren ergänzt werden. Das gilt etwa für die automatisierte Kontrolle von Kratzern, Lackschäden oder Hinweisschildern. Deswegen arbeitet Visometry daran, jetzige AR-Tracking-Verfahren mit KI zu kombinieren. „Das sind perspektivisch spannende Themen für die Weiterentwicklung unserer Technologie“, sagt Keil. „Denn diese Anwendungen lassen sich nicht ohne Machine-Learning-Algorithmen umsetzen.“

So arbeiten die Anbieter daran, die Möglichkeiten ihrer System auszuweiten. Step Check etwa bietet seit kurzem die Funktion, automatisiert Protokollbilder aufzunehmen. Um den Aufwand für das Teaching der Software zu reduzieren, kann das System außerdem eigenständig lernen – quasi durch Beobachten. „Man gibt dem Facharbeiter das System in die Hand und dieser prüft seine Bauteile“, erklärt Petersen. Step Check erfasst dann, wie das Bauteil aussieht und was die dazugehörige Entscheidung des Werkers war. Nach einer gewissen Zeit hat es genug Daten gesammelt, um selbstständig arbeiten zu können.

Grundsätzlich sieht Visometry-Gründer Keil Augmented Reality mittlerweile so weit ausgereift und auf dem Level der Produktivität angekommen, wie es auch der berühmte Gartner Hype Cycle beschreibt. Sowohl der überzogene Hype als auch die Desillusionierung sind also überwunden. „Wir merken im Gespräch mit unseren Kunden, dass der Mehrwert von AR im Vergleich zu Aufwand und Nutzen passt“, so Keil. Gleichzeitig eröffne sich aber durch Weiterentwicklungen in KI und Bildverarbeitung ein riesiges Potenzial, das es noch auszuschöpfen gelte.

Intelligentes Dokumenten- und
Datenmanagement als Basis

Die Möglichkeiten virtueller Technologien erkennt auch Andreas Dangl, CAQ-Spezialist und Geschäftsführer von Fabasoft Approve. „Produzierende Betriebe haben längst erkannt, dass sich mit immersiven 360-Grad-Umgebungen sowie der Visualisierung interaktiver Informationen Prozesse wie die Qualitätskontrolle optimieren lassen“, so Dangl. Seiner Meinung nach stellt ein intelligentes Daten- und Dokumentenmanagementsystem (DMS) dafür die Grundlage dar. „Es verwaltet relevante Informationen an einer Stelle, sorgt für Aktualität sowie Sicherheit und dokumentiert alle Qualitätsprozesse.“

Dabei sieht er ein breites Spektrum an Anwendungsszenarien für die Kombination von DMS und virtuellen Technologien. So biete ein intelligentes DMS zum Beispiel eine sichere Umgebung, um digitale Checklisten zu verwalten. „Mitarbeitende in der Werkstatt oder im Wareneingang beispielsweise nutzen diese Checklisten und sehen auf dem Display ihrer AR-Brille Anweisungen oder Hilfestellungen“, so Dangl. „Dies ermöglicht eine effiziente Durchführung der erforderlichen Qualitätsprüfungen. Notwendige Korrektur- oder Sofortmaßnahmen können bei Auftreten eines Mangels ebenfalls über digitale Workflows eingeleitet werden.“

Virtuelle Technologien für eine bessere Zusammenarbeit zu nutzen, ist das Ziel, das Hexagon mit seiner Plattform Nexus im Visier hat. Die Plattform, die der Anbieter mit dem Label Metaverse versehen hat, ermöglicht es Ingenieuren, Entwicklern und Qualitätsexperten gemeinsam an 3D-Modellen zu arbeiten und Daten auszutauschen.

Eine Lösung, die auf Nexus läuft, ist die App Metrology Reporting. Diese verbindet Messdatenquellen von Hexagon und Drittanbietern in der Nexus-Cloud-Umgebung. Jeder Nutzer kann interaktive dreidimensionale CAD-basierte Berichte und Trenddarstellungen, KPIs und Compliance-Dokumente erstellen und aktuelle Daten mit Kollegen, Kunden oder Lieferanten austauschen.

Hexagon hat erst kürzlich die Verknüpfung von Nexus mit Omniverse von Nvidia bekannt gegeben – einer Entwicklungsplattform zum Erstellen und Betreiben von industriellen Metaverse-Anwendungen. Gemeinsam wollen die Unternehmen Lösungen für industrielle digitale Zwillinge ermöglichen. Diese lassen sich dann in Echtzeit mit realen Objekten vergleichen, um zum Beispiel Fehler an Produkten oder Maschinen aufzudecken.

In Zukunft werden sicher noch viele virtuelle Lösungen in der Industrie zu erwarten sein. Auf der PTC-Konferenz in Boston zeigte sich Helmut Draxler, Chief Digital und Information Officer des Anwenderunternehmens Burkhardt Compression, begeistert von den Möglichkeiten der Technologien. Es gebe kaum Anwendungen, die davon künftig nicht profitieren könnten.


Visometry-CEO im Interview

Auf der Control hat Harald Wuest, Mitgründer und CEO von Visometry, im Video-Interview die Möglichkeiten von Augmented Reality für die Qualitätskontrolle erklärt.


Bild: PTC/Magna International
Bild: PTC/Magna International

Augmented Reality in der Praxis

Wie Automobilzulieferer Magna sowohl seine Qualitätssicherung als auch die Schulung von Mitarbeitenden mithilfe von PTCs Vuforia unterstützt, zeigt dieses Video:

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