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So wird Nachhaltigkeit berichtet, verifiziert und validiert

Corporate Sustainable Reporting Directive
So wird Nachhaltigkeit berichtet, verifiziert und validiert

Ab dem Geschäftsjahr 2025 wird die neue Corporate Sustainable Reporting Directive (CSDR) der EU deutlich mehr Unternehmen als bisher zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichten. Wer ist betroffen? Was bedeutet die CSDR konkret? Und was müssen Unternehmen tun?

Wie können Unternehmen ihren Kunden und Märkten nicht nur zeigen, dass sie guten Willens sind, sondern dass auch ihre Strategie(n) und Prozesse für Gegenwart und Zukunft nachhaltig richtig – und eventuell sogar durchaus benchmarkfähig sind? Fragen wie diese erweisen sich zwar als reichlich komplex, aber dennoch realistisch, sagt Jürgen Bruder, Mitglied der Geschäftsleitung bei TÜV Hessen mit seiner Zertifizierungseinheit TÜV Proficert: „Wir alle leben in sehr bewegten und unsicher erscheinenden Zeiten. Umso wichtiger wird das Vertrauen in unser Wirtschaftssystem, unsere Unternehmen und Prozesse. Daraus ad hoc für existierende und teils ganz neu gedachte Prozesse und Konzepte ingenieurmäßig robuste Prüf- und Nachweismodelle zum Beispiel zur Reduzierung von klimaschädlichen Emissionen zu verdichten, ist nicht ganz trivial. Aber heute können wir sagen: Es ist möglich.“

Wie so oft, erweist sich die alte Regel aus Josef Schumpeters Werk „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ als hilfreich: Marktfähige Innovationen müssen gar nicht immer ganz neu sein. Entwicklung heißt bei Schumpeter: Die Durchsetzung neuer Kombinationen von vorhandenen Dingen und Kräften. Das bedeutet: Man muss gar nicht alles neu erfinden, sondern nur bereits vorhandenes neu zusammenbauen. Und es dann vor allem systematisch durchsetzen. Und genau das haben die großen Organisationen der Welt jetzt getan.

Den Startpunkt der Entwicklung setzten die Vereinten Nationen als oberste Instanz. Mit den zum 1. Januar 2016 für eine Laufzeit von 15 Jahren in Kraft getretenen 17 Sustainable Development Goals decken sie alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens und Arbeitens ab. Dazu formulierten sie Grundlinien, die idealerweise – also in der Zukunft – für alle Menschen dieser Erde gelten sollen. Diese Ziele sollten heute weitläufig bekannt sein. Was dabei allerdings lange Zeit noch nicht ganz klar schien: Um Beiträge zu diesen globalen Zielsetzungen prüf- und messbar zu machen, braucht es zum Teil Anpassungen der „vorhandenen Dinge und Kräfte“ – also von bereits vorhandenen und weltweit gültigen Normierungen, Regeln und Prozessen.

„Für die Feststellung und Bewertung der Auswirkungen eines Unternehmens auf die Umwelt wurde bereits vor 30 Jahren die 14000er Reihe installiert“, sagt Bruder. „Sie wird seitdem in vielen Unternehmen eingesetzt. Das war ein gutes Instrument, um Ist-Zustände im Unternehmen zu erfassen und nachzuweisen. Was jetzt kommt, wird allerdings sehr viel weiter gehen. Nun geht es darüber hinaus, so kann man es ausdrücken, um die Beurteilung der Konsistenz und Plausibilität von Soll-Zuständen.“

Vor nicht allzu langer Zeit – am 14.12.22 – stellte dann die „Richtlinie (EU) 2022/2464 zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD / Corporate Sustainability Reporting Directive) zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 und der Richtlinien 2004/109/EG, 2006/43/EG und 2013/34/EU hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen des europäischen Parlaments und des Rates“ in Punkt 9 fest: „Wenn Unternehmen eine bessere Nachhaltigkeitsberichterstattung durchführen würden, würde dies letztendlich Bürgerinnen und Bürgern (…), einschließlich Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretern, zugutekommen, indem sie angemessen informiert wären( …).“

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung wird also zur Lösung für die mündigen Bürger und Gesellschaften. Diese neue und sehr konkrete Verpflichtung zur Erfüllung „substanzieller Nachhaltigkeitsberichtspflichten“ basiert mehrheitlich wie gewohnt auf konkreten Zahlen, Daten und Fakten. Allerdings erlaubt und legitimiert diese Feststellung ein in dieser Form nie da gewesenes methodisches Vorgehen. Für einen Großteil der Unternehmen – und wir sprechen hier nicht nur von Großkonzernen – bedeutet das konkret: Ab 2026 wird die Berichterstattung für das Berichtsjahr 2025 inklusive der externen Verifizierung verpflichtend werden. Dazu gleich mehr…

Wir resümieren an dieser Stelle kurz: Weil es um die Zukunft (der Menschheit) geht, muss auch die Aufdeckung und Überprüfbarkeit von in der Zukunft liegenden Strategien und operativen Pläne, zur gesellschaftlichen und nachhaltigen Notwendigkeit erklärt und den Bürgern zugänglich gemacht werden. Die Welt macht jetzt mit der Operationalisierung von nachhaltigen Prozessen über alle industriellen, gesellschaftlichen operativen Eben hinweg wirklich ernst. „Bemerkenswert ist dabei, dass hier innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit alle norm- oder systemgebenden Instanzen auf die Entwicklungen und Notwendigkeiten der heutigen Zeit reagiert haben. Das gilt vor allem für die International Standard Organisation – ohne die hier gar nichts, mit der aber sehr viel gemacht werden kann“, sagt Bruder.

Verifizierung ist nicht gleich Validierung

Der Beitrag der ISO, auf den Bruder anspielt, ist tatsächlich grundlegend: Denn in der Tat etablierte die International Standard Organisation (ISO) nahezu parallel zu den bereits genannten Entwicklungen die ISO 17029 – eine Zugangsberechtigung und Akkreditierung prüfender Institute zur Verifizierung und Validierung von Systemen, die sich an einem Punkt grundlegend von den bisherigen Standard-Prozeduren unterscheidet: Wenn man das so sehen will, formuliert und definiert die ISO 17029 dabei einen weiteren echten Game Changer. Denn mit ihr können prüfende Organisationen nicht nur konkret vorfindliche – also die Gegenwart oder die Vergangenheit betreffende – Tatsachen beziehungsweise Angaben und Zahlen verifizieren, sondern auch in der Zukunft liegende Planungen – die Norm selbst spricht von „Behauptungen“ – validieren.

Damit geht die ISO auch ingenieurmäßig auf die neuen Notwendigkeiten ein. Bruder: „Dieser Weg erscheint heute noch eher ungewöhnlich. Aber wir können davon ausgehen, dass allein die Dringlichkeit des Nachhaltigkeitsthemas in Zukunft – es genügt ein Blick in die EU-Taxonomie – weltweit zu massiven Investitionen in neue und alte Prozesse und Technologien führen wird. Es geht also in jeder Beziehung um sehr viel.“

Um es einfach zu sagen: Die Rettung der Welt muss nicht nur finanziert werden, sondern auch kalkulierbar und plausibel bleiben. Die neue ISO 17029 und ihre Methode kann und sollte man deshalb sowohl betriebs- als auch volkswirtschaftlich gesehen als ein Instrument zur Existenz- und Investitionssicherung betrachten. Und eben weil es um so viel geht, ist der Schritt zur institutionalisierten Validierung – also der Prüfung von Annahmen oder Behauptungen, die sich auf die Zukunft beziehen, durchaus plausibel und konsequent. Allerdings ist das ingenieurmäßig nur solange konsistent, wie man Vergangenheit und Zukunft ebenso sauber trennt wie gemessene Zahlen und geschätzte (oder gar nur gewünschte) Annahmen.

„Dabei gilt für diese Öffnung der Prüfbarkeit von Annahmen durchaus: Neben der Begeisterung fürs Thema braucht es einfach, wie überall sonst auch, das, was man früher ‚robuste Prozesse‘ nannte“, so Bruder. „Und die müssen strukturierbar, nachvollziehbar und am Ende auch operationalisierbar sein. Sonst weiß man zwar, wohin man um jeden Preis will – aber nicht, ob und wie man jemals dorthin kommen wird. Das wäre dann wohl tatsächlich wie die Redewendung sagt „als gäbe es kein Morgen…“

Wir lernen also: Verifiziert werden bereits erzielte Ergebnisse. Es handelt sich um reale Daten aus der Vergangenheit, die auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden können und sollen. Validiert hingegen werden Aussagen und Daten, die sich auf die Zukunft beziehen. Es handelt sich also um Annahmen, deren Plausibilität überprüft werden kann und muss.

Wichtig ist und bleibt dabei: Die beiden Bereiche und ihre Methoden betrachten quasi zwei verschiedene Welten und Wege: Vorhandenes liegt in der Vergangenheit. Man kann es messen, prüfen und verifizieren. Für die Zukunft Geplantes und seine Auswirkungen kann man zwar auch nachkalkulieren, in seiner inneren Logik validieren und plausibilisieren – aber nicht verifizieren.

Nachhaltigkeitsberichte nach ESRS erstellen

Nun bleibt im Grunde noch die Frage: Wie genau wird die ersten Generationen von Nachhaltigkeitsberichten aussehen – und auf welchen Ebenen werden sie zu prüfen sein? Die European Sustainable Reporting Standards (ESRS) formulieren die Antwort sinngemäß so: Das Vorliegen und die Würdigung aller substanziellen Informationen bezüglich

  • Impacts
  • Risiken
  • Möglichkeiten
  • definierter ESG-Elemente

werden die Basis für den Deep Dive sein. Die Informationen, Fakten, Annahmen, Behauptungen und Berechnungen, die hier zusammengetragen werden, sollen ein Verständnis für den Impact eines Projekts oder einer Strategie sowohl auf die Umwelt als auch auf die Entwicklung, die Leistungsfähigkeit und Positionierung des Unternehmens sein. „Und an dieser Stelle schließt sich der Kreis“, so Bruder. „Die Prüfung der Konsistenz und Korrektheit der in den Nachhaltigkeitsberichten niedergelegten Inputs stellt den Kern der Beurteilung dar. Sie werden dann auch mit den auf die Zukunft bezogenen Elementen verknüpft und auf Plausibilität und wirtschaftliche, unternehmerische und Impact-bezogene Machbarkeit geprüft. Es muss umfassend, logisch, plausibel und konsistent sein. Wenn es das ist, kann man das auch erkennen und bestätigen.“

Bruder weiter: „Die zentralen Bausteine der Zukunft von Unternehmen und anderen Organisationen sind schon heute die Nachhaltigkeitsberichte. Diese umfassenden Berichte über Wirkungen, Auswirkungen, Ziele und Maßnahmen der Unternehmen werden für lange Zeit immer auch eine Vielzahl von auf die Zukunft gerichteten Aspekten und Zielsetzungen enthalten. Und deshalb wird da vieles nicht nur zu verifizieren, sondern nun sinnvollerweise auch zu validieren sein. Wir sind bei TÜV Hessen auf diese Entwicklung vorbereitet.“

Ingenieurmäßige
Machbarkeit von Visionen

Dass man dafür nicht nur Organisationen wie die ISO und die EU als Inkubatoren für weltweit gültige Regeln zum Einsatz von Technologien und zum Prozessmanagement brauchen wird, dürfte klar sein. Denn was sie erfinden, muss in der Welt nachgehalten werden. Bruder: „Jeder Paradigmenwechsel hat seine Väter und Mütter. Zu Beginn der Industrialisierung waren es die Technischen Überwachungsorganisationen, deren strenge Prüfungen die mit Dampfkesseln maschinisierte Welt sicher machten. Sie retteten nicht nur Leben, sondern waren immer auch Ermöglicher des Neuen und Besseren.

Die massiv steigende industrielle Produktivität und der mit ihr wachsende Wohlstand wären ohne sie kaum möglich gewesen. Und auch heute sind die Technischen Überwachungsorganisationen und Zertifizierungseinheiten wie TÜV Proficert der Schlüssel zu der aktuell für die Welt nötigen Veränderung. Heute geht es gewissermaßen nicht mehr nur um die Einhaltung von Normen und Zielwerten; jetzt geht es um die ingenieurmäßige Machbarkeit von Visionen. Auch sie muss man überprüfen und bestätigen.“

Auch selbst gesetzte Ziele und Zielwerte einzelner Unternehmen oder ganzer Branchen bedürfen der Überprüfung und Bestätigung durch unabhängige Dritte. Treiber sind jetzt meist nicht mehr die nationalen oder internationalen Gesetzgebungen, sondern die Märkte selbst. Sie tun das, damit es für sie selbst und für alle „noch ein Morgen gibt“.


Elmar Stark

Bereichsleiter
Managementsysteme
TÜV Hessen
www.tuev-hessen.de


Wer wird nach CSDR berichten?

  • Großunternehmen, die zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen: mindestens 250 Mitarbeiter, Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro und Nettoumsätze von mehr als 40 Millionen Euro
  • Unternehmen mit Börsenlistung, wenn sie eine Bilanzsumme von mindestens 350.000 Euro und Nettoumsatzerlöse von mindestens 700.000 Euro vorweisen und mehr als zehn Mitarbeiter haben

In Summe sind in der EU rund 50.000, in Deutschland rund 15.000 Unternehmen betroffen.


Infoveranstaltung

Am 14.12.2023 informiert der TÜV Hessen in einer Veranstaltung in Frankfurt/Main über das Thema Nachhaltigkeit einschließlich der Nachhaltigkeitsberichtserstellung nach der CSRD-Richtlinie.



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