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Change Management

Anatomie eines mehrdeutigen Begriffs
Change Management

Bis in die sechziger Jahre hinein orientierte sich das Management am kybernetischen Regelkreis als grundlegendes Steuerungsmodell. Abweichungen vom Regelfall wurden mittels „richtiger“ Methoden als steuer- bzw. regulierbar betrachtet. Doch die Veränderungen wurden tiefgreifender, umfassender und vollzogen sich immer schneller. Die „Störung“ wurde so zum Normalfall und die Regelung bzw. Behebung immer aufwändiger. Das Unternehmen kommt nicht mehr zur „Ruhe“, sondern ist Objekt ständiger Anpassungen an veränderte Bedingungen.

Prof. Dr. Walter Simon, Leiter der Business Training University, Bad Nauheim

Was vor 20 Jahren noch sanft „Wandel“ genannt wurde, hat eine rasante Beschleunigung erfahren, so dass man besser von „Revolution“ sprechen sollte. Die Wirtschaftsgeschichte schlug ein neues Kapitel auf. Neuartige Phänomene sind zu beschreiben: Globalisierung, Internet, Multimedia etc.
Plötzlich mussten sich Mitarbeiter und Führungskräfte intensiv und hautnah mit dem Themenkreis „Change“, „permanentes Lernen“, „Umbruch“ und „Chaosbewältigung“ beschäftigen. Das führte zu einem Verlust an Vertrautheit und Kontrolle und bewirkte Unsicherheit.
In dieser Situation wurde ein neues Rezept, das Change-Management erfunden. Man wollte Veränderungen nicht mehr nur ausgesetzt sein, sondern diese auch aktiv mitgestalten. Mitarbeitern musste man nicht nur die Angst vor dem Neuen nehmen, sondern sie als Verbündete für das Neue gewinnen, denn dieses bliebe ansonsten chancenlos.
Begriffsklärung
Der Begriff Change-Management ist als eine Art „Containerbegriff“ nicht so eindeutig definierbar wie Projekt- oder Qualitätsmanagement. Management jedweder Art zielt auf Veränderung, weil der Wettbewerb ständiges Anpassen erfordert. Insofern waren und sind alle großen „Entwürfe“ der Wirtschaftsgeschichte ein Stück Change-Management, der Taylorismus ebenso wie Lean-Management oder das Wissensmanagement. Mehr noch: Bei jeder Fusion, Reorganisation, bei gut geführten Mitarbeitergesprächen, bei jedem Verbesserungsvorschlag oder jeder QZ-Sitzung geht es um Veränderungen. Insofern stellt sich die Frage: Was ist nicht Change-Management? Es gibt bis heute keine eigenständige, kompakte bzw. integrierte Theorie des Change-Managements. Das verfügbare Wissen hierzu besteht eher aus einer bunten Sammlung von Bruchstücken, die aus unterschiedlichen Herkunftsgebieten stammen, der Konflikttheorie, dem Innovationsmanagement, der Organisationsentwicklung, um nur einige als Beispiel zu nennen. Change Management repräsentiert einen Instrumentenkasten, der in das Gesamtinstrumentarium des strategischen und operativen Managements integriert ist, ohne dass eine eigene Kontur erkennbar ist.
In der angelsächsischen Literatur versteht man unter Change-Management primär die menschliche Dimension einer Veränderung. Im deutschsprachigen Raum werden auch technische Aspekte berücksichtigt. Folglich handelt es sich beim Change-Management um technische, strategische, organisatorische, betriebswirtschaftliche und menschlich-soziale Veränderungen, die in einer multiplen Verknüpfung harter und weicher Faktoren realisiert werden.
Die Aufgabe des „Change-Managers“ besteht darin, Menschen, Informationen, Ressourcen und Prozesse zielgerichtet zu steuern, um Veränderung oder Anpassung zu bewirken.
Der Schwerpunkt gilt dabei dem Human Resources Management, denn Veränderungen stoßen auf Widerstände, bewirken Ängste und Lernblockaden. Aber ohne das Mitwirken der Mitarbeiter sind keine Veränderungen möglich.
Change-Management bietet sich in diesen oder ähnlichen Situationen an:
– Strategische Neupositionierung eines Unternehmens,
– Business Reengineering,
– Verschlankung oder Reorganisation des Unternehmens,
– Unternehmenskulturelle Entwicklung,
– Six Sigma oder
– Fusionen.
Der Autor dieses Artikels betreibt Change-Management in der konkreten Form als Six-Sigma-Programm, bei dem es um Laufzeitoptimierung und Montagezeitreduzierung geht. Das ist nur möglich, wenn gleichzeitig wirtschaftliche und menschliche Faktoren berücksichtigt werden.
Man darf dabei aber nicht die kleinen, täglichen Veränderungen im Unternehmen übersehen, zum Beispiel die Einstellung eines neuen Mitarbeiters, die Auflösung einer Abteilung oder die Veränderung einer Vorgehensweise.
Die täglichen Organisationsveränderungen sind ein kontinuierlicher Prozess. Die großen Veränderungsprogramme schwimmen auf einem Fluss dieser ständigen kleinen Veränderungen.
Ziele des Change Managements
Alle Ansätze des Veränderungsmanagements verfolgen ein gemeinsames Anliegen: sie sollen „Infrastrukturen“ für Veränderungen schaffen. Nicht die Veränderungen allein sind wichtig, sondern deren Umsetzung und die Bereitstellung eines die Realisation begünstigenden Klimas und einer entsprechenden Umgebung. Ein pro-aktives Veränderungsmanagements will vor allem ein veränderungsfreundliches Klima schaffen, in dem neue Ideen und Konzepte entstehen können. Aber es geht nicht nur um das Neue. Change Management bezweckt auch die kontinuierliche Unternehmensentwicklung. Neben Wachstum oder auch Schrumpfung zählen die Revitalisierung, Sanierung, Konsolidierung oder Wertsteigerung zu den gängigen Zielvorstellungen für das Change-Management. Das Ziel ist es, Strukturen zu schaffen, die selbst den Wandel gestalten und nicht mehr auf gleich bleibende Kontinuität fixiert sind. Letztlich soll das Unternehmen nicht nur die Fähigkeit erwerben, seine eigenen Regeln entsprechend dem Lernprozess zu verändern, sondern gleichzeitig Regeln für die Regeländerungen entwickeln.
Aspekte und Probleme des Change Managements
Modelle und Konzepte für den erfolgreichen Umgang mit Change-Vorhaben kann man aus zwei Blickwinkeln betrachten, nämlich
– Was soll verändert werden? Hier geht es um den Inhalt bzw. die Richtung.
– Wie soll diese Veränderung erreicht werden?
Die Antwort auf die Frage nach dem WAS hat inhaltlichen bzw. konzeptionellen Charakter. Ein Unternehmen optiert für eines der gängigen Modelle, welche die Change-Szene beherrschen, sei es Business Reengineering, Lean-Management, Total Quality Management oder Shareholder Value. Das Unternehmen muss sich bewusst sein, dass solche Veränderungen viel Zeit benötigen. Der Zeithorizont reicht von einem Jahr bis hin zu fünf bis sieben Jahren bei Prozessen, die auf die Veränderung der Unternehmenskultur hinauslaufen.
Bei der Frage nach dem WIE gibt es zwei Antworten, je nach der Betrachtungsweise bzw. dem Basismodell. Eine eher managementtechnische Herangehensweise interessiert sich für den typischen Ablauf eines Veränderungsprozesses, also für die Phasen der Diagnose, Zielbildung, Planung, Entscheidung, Realisation und Kontrolle.
Human Resources-Manager fokussieren eher die beteiligten Akteure der Veränderung und fragen nach den notwendigen motivationalen Ressourcen.
Die Umsetzung an der „Schnittstelle Mensch“ ist der schwierigste Teil des Veränderungsmanagements. Die „Angst vor dem Neuen“ ist eine Charaktereigenschaft des Menschen.
Diese Angst kann sogar in Widerstände umschlagen, entweder in
– verdeckte Widerstände (höhere Fehlzeiten, schlechte Arbeitsqualität, Kündigung u.ä.),
– offene Widerstände (Streiks, Betriebsbesetzung, Aggression u.ä.)
Die Praxis des Change-Managements
Normalerweise durchläuft ein Veränderungsprozess mehrere Phasen bis die psychologischen Veränderungen stabil in das Verhaltens- oder Einstellungsrepertoire übernommen werden. Viele Autoren gehen mit geringen Abweichungen von dem abgebildeten Sieben-Phasen-Modell aus.
1. Schock
Diskrepanz zwischen den Erwartungen und der eingetroffenen Realität
2. Ablehnung
die Situation wird als nicht wesentlich unterschiedlich von der alten bewertet
3. Einsicht
in die Notwendigkeit zur Veränderung
4. Akzeptanz
die Realität wird als veränderte Situation akzeptiert
5. Ausprobieren
neue Verhaltensweisen werden in verschiedenen Situationen ausprobiert
6. Erkenntnis
Gründe für Erfolge oder Misserfolge werden erkannt und reflektiert
7. Integration
die Übernahme erfolgreicher Verhaltensweisen ins aktive Verhaltensrepertoire.
Das Veränderungsmanagement funktioniert nur dann, wenn es gelingt, gleichzeitig die Emotionen der betroffenen Menschen zu erkennen, zu verstehen und zu steuern. Wer dieses nicht kann oder ignoriert, gefährdet den Erfolg des Veränderungsprojekts. Darum muss ein professioneller Veränderungsmanager über Empathie, Kommunikations- und Konfliktbewältigungsfähigkeiten verfügen. Er sollte geduldig vorgehen, sachlich richtig informieren, die Mitarbeiter schulen und unterstützen.
Für das Change-Management ist die unterstützende Beratung der betroffenen Mitarbeiter unabdingbar. Veränderungsmanager müssen die Menschen dort abholt, wo sie stehen. Darum ist im ersten Schritt zu erforschen, welchen Verlust der einzelne Mitarbeiter durch die Veränderung erlebt und wie seine Vorstellungen aussehen. Denn nur wenn man weiß, welche Gedanken und Gefühle den anderen bewegen, kann man beginnen, diese zu ändern.
Der zweite Schritt dient dann der Aufklärung über die Ziele und den Nutzen. Im dritten Schritt erfolgt das konkrete Veränderungsmanagement in vielen praktischen Aktionen.
Fazit
Die Evolutionstheorie lehrt, dass die Anpassungsgeschwindigkeit von Unternehmen mindestens so groß sein muss wie das Veränderungstempo des Umfeldes. Die High-Speed-Gesellschaft zwingt Organisationen zum permanenten Wandel und somit zum Change-Management.
Ohne eine Art begleitender „Sozialarbeit“ ist der geplante Wandel nur mit vielen Hindernissen machbar. Als Folge hiervon besinnen sich Unternehmen wieder auf die „betriebliche Sozialpsychologie“, die von der Human Relation-Schule schon in den zwanziger und dreißiger Jahren begründet wurde.
Das heutige Programm trägt die Überschrift „soft facts“. Hier aber haben hardfactverliebte Manager Nachholbedarf. Fehlt der sachverständige Change-Manager in der eigenen Organisation, dann kommt der externe Change-Coach zum Einsatz.
Obwohl sich inzwischen viele Berater „Coach“ nennen, sollten Unternehmen genau hinsehen, wer mit welcher Qualifikation ihren Veränderungsprozess begleitet. Die zertifizierten Experten haben sich im „Q-Pool 100 – Die Offizielle Qualitätsgemeinschaft internationaler Wirtschaftstrainer und -berater e.V.“ zusammengeschlossen. Auf der Homepage (Q-Pool-100.de) können sich Unternehmen informieren.
www.ipw-btu.com
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