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Trends in der Mikroskopie

Wie viel Digital brauchen Sie wirklich?
Trends in der Mikroskopie

Es gibt digitale Kameras, digitales Fernsehen, digitale Bilderrahmen, im Internet gibt es digitale Schulen, Kryptologen entwickeln digitale Signaturen, Kommunikationsforscher reden von digitaler Identität. Digital – ein häufig strapaziertes Modewort, doch es ist unübersehbar, dass die digitale Technik seit der Erfindung des Computers unsere Welt tiefgreifend verändert hat und weiter verändern wird.

Das gilt auch für die Mikroskopie. Anfangs waren es digitale Mikroskopkameras, die Anwendern in allen Bereichen der Mikroskopie mehr und bessere Möglichkeiten für Dokumentationen und Auswertungen eröffneten. Heute sind bereits Digitalmikroskope auf dem Markt, die sich von der klassischen Art zu mikroskopieren verabschiedet haben. Neue Technologien erhalten immer viel Aufmerksamkeit. Und Digitalmikroskope bieten ja auch viele Vorteile. Doch sie sind kein Patentrezept, das klassische Mikroskope überall ersetzen kann. Deshalb lohnt es sich, genauer hinzuschauen und sowohl die Vorteile als auch die Grenzen der Digitalmikroskopie zu kennen.

Für eine Vielzahl von industriellen Qualitätsprüfungen bietet die Digitalmikroskopie eindeutige Vorteile, insbesondere für Oberflächenanalysen. Bruchanalysen, Analysen von geneigten oder vertikalen Oberflächen oder Vor-Ort-Inspektionen von großen Bauteilen wie Turbinenrotoren sind nur Beispiele dafür, wo Digitalmikroskope ihre Stärken voll ausspielen. Doch es gibt auch Anwendungen, wo eine traditionelle Lösung mit Stereo- oder Lichtmikroskopen sinnvoller und kostengünstiger ist. Was sind die Schlüsselkriterien für einen erfolgreichen Einsatz von Digitalmikroskopen, und wie unterscheidet sich die digitale Mikroskopie von klassischen Ansätzen?
Was ist ein digitales Mikroskop?
In erster Linie verzichtet ein digitales Mikroskop vollständig auf das Betrachten durch ein Okular. Die Probe wird direkt auf dem Bildschirm dargestellt. Der Anwender kann so die Probe in einem Arbeitsgang über die Software betrachten und auswerten – und das bei einer angenehmen, entspannten Sitzposition. Die einzelnen Komponenten eines Digitalmikroskops richten sich nach der jeweiligen Anwendung: Zoom-Optiken für niedrige bis sehr hohe Vergrößerungen, Stative, Verschiebetische etc.
Ein digitales Mikroskopsystem sollte modular aufgebaut sein, damit es optimal auf seinen Einsatzbereich abgestimmt werden kann und sich an veränderte Rahmenbedingungen flexibel und schnell anpassen lässt. Um Anwendern einen echten Mehrwert gegenüber klassischen Aufbauten zu bieten, muss ein Digitalmikroskop folgende fünf technologische Anforderungen erfüllen:
  • 1. Optimierte digitale Bildgebung
  • 2. Dynamische Betrachtung von Prozessen oder Objekten
  • 3. Qualitative und quantitative Auswertungen der Probe
  • 4. Darstellung und Auswertung von Proben mit hohem Dynamikbereich
  • 5. Schlanke Optiken zur flexiblen Ausrichtung auf die Probe und für den mobilen Einsatz
Optimierte digitale Bildgebung
Typische Digitalmikroskope sind mit einer 2,11-Megapixel-CCD -Kamera ausgestattet, die perfekt auf die hochauflösenden Optiken abgestimmt ist. Die Kamera liefert die bestmögliche Informationsausbeute, ohne dass die Datenmenge einzelner Bilder zu groß wird. Digitalkameras werden jedoch gerne anhand ihrer Megapixelzahl beurteilt. Viele glauben, je mehr Pixel, desto besser. Doch in der Mikroskopie ist die Kamera mit den meisten Megapixeln nicht unbedingt die beste. Hier bestimmen Anwendung und optische Leistung des Mikroskops, welche Kamera die geeignete ist, um optimale Ergebnisse bei der Bildaufnahme zu erzielen.
Der US-amerikanische Forscher Harry Nyquist hat bereits lange vor dem Siegeszug der digitalen Fotografie nachgewiesen, dass Kameras im zweistelligen Megapixelbereich nicht mehr Bildinformationen liefern. Als Maß für die Auflösung im digitalisierten Bild dient die maximale Anzahl von schwarz-weißen Linienpaaren, die noch scharf abgebildet werden. Die Faustformel zur Berechnung der Linienpaare pro Millimeter bei Mikroskopen lautet:
3 000 x NA (numerische Apertur)
Diese Zahl wird durch den Abbildungsmaßstab des Objekts auf den Kamerasensor geteilt. Dies ergibt, wie viele Linienpaare pro Millimeter der Kamerasensor tatsächlich erfasst. Daraus ergibt sich, dass bei hohen Vergrößerungen eine Kamera mit beispielsweise 12 Megapixel keinen Mehrwert bringt. Das Auflösungsvermögen einer solchen Kamera liegt dann höher als die Auflösung des optischen Systems. Es würde zwar ein größeres, aber kein besseres Bild entstehen.
Da ein Digitalmikroskop auf Okulare verzichtet, muss es in der Lage sein, das Live-Bild mit einer möglichst hohen Bildwiederholrate auf dem Monitor darzustellen. Ideal ist eine Wiederholrate von mindestens 15 Bildern pro Sekunde, die auch dann ein angenehmes Betrachten der Probe gewährleistet, wenn der Objekttisch in xy-Richtung verschoben wird. Die schnellere Bildverarbeitung bietet gleichzeitig einen weiteren Vorteil während eines Experiments: Der Bildeinzug wird beschleunigt, was die Bearbeitungszeit der Probe insgesamt verkürzt.
Auch der Beleuchtung kommt eine besondere Bedeutung zu, wenn auf die Betrachtung durch ein Okular verzichtet wird. Die Lichtquelle sollte möglichst energiereich und langlebig sein. Sie sollte eine tageslichtähnliche Farbtemperatur haben, um eine möglichst realistische Aufnahme der Probe zu gewährleisten. Metalldampflampen erfüllen diese Anforderung auf ideale Weise. Neuerdings werden auch LED-basierte Systeme angeboten, die vor allem durch ihre Langlebigkeit und Wartungsfreiheit überzeugen.
Dynamische Betrachtung von Prozessen oder Objekten
Zoom-Systeme haben im Vergleich zu herkömmlichen Stereomikroskopen den Nachteil, dass die räumliche Darstellung verloren geht. Dies kann bei einem Digitalmikroskop durch ein pfiffiges Zubehör mehr als kompensiert werden. Mit einem 360°-Drehkopf kann der Anwender seine Probe rundum betrachten und diese Panorama-Ansicht auch als Video aufnehmen. Dadurch eröffnen sich im wahrsten Sinne des Wortes ganz neue Perspektiven und Betrachtungsmöglichkeiten. Die 360°-Drehung verdeutlicht auch die Dreidimensionalität der Probe. Zur Dokumentation von dynamischen Prozessen sollte das Standardsoftware-Paket auch Zeitreihen-Aufnahmen umfassen.
Qualitative und quantitative Auswertung der Probe
Eine der wichtigsten Stärken der Digitalmikroskopie ist die schnelle Erstellung und Auswertung von 3D-Oberflächenmodellen. Mit Hilfe des motorisierten Fokustriebs wird in z-Richtung in jeder Fokusebene ein Bild aufgenommen, anschließend in jedem einzelnen Bild und für jeden Bildpunkt die Schärfe bestimmt. Der Punkt mit der besten Schärfe bestimmt die scharf abgebildete Textur. Daraus wird ein optimiertes 3D-Modell errechnet. Zusätzlich lässt sich aus den Informationen, aus welcher Entfernung die scharfen Punkte aufgenommen wurden, ein Höhenprofil erstellen.
Dieses Verfahren ist vielseitig und kann sowohl bei niedrigen Vergrößerungen (Makro-Objektiv) als auch bei hohen Vergrößerungen (Hochleistungsobjektiv mit 7 000 x) eingesetzt werden. Die Topografie einer Oberfläche lässt sich damit präzise messen. Neben 3D-Profilen können Rauigkeiten, Geometrien und Volumina bestimmt werden.
Um nicht nur genaue, sondern auch zuverlässige Ergebnisse zu erzielen, sollten Digitalmikroskope mit einem elektronisch codierten Zoom ausgestattet sein. Damit wird dem digitalen Bild während der Aufnahme automatisch die richtige Kalibrierung zugewiesen.
Fehlerhafte Bildwerte sind eine häufige Fehlerquelle bei herkömmlichen Systemen.
Darstellung und Auswertung einer Probe mit hohem Dynamikbereich
Die meisten digitalen Mikroskopkameras nutzen die 16-Bit-Einzelfarberfassung (entspricht 65.536 Farben) um den gesamten Dynamikbereich des Bilder auszuschöpfen. Die meisten Computermonitore und Drucker können allerdings nur 8 Bit pro Kanal darstellen, was 256 Helligkeitsstufen entspricht. Damit werden nicht immer alle natürlichen Helligkeitsunterschiede wiedergegeben, die unser Auge unterscheiden kann. Sollen Bilder mit hohem Dynamikumfang erfasst werden, wird das so genannte High-Dynamic-Range-Verfahren (HDR) angewendet. Diese Hochkontrastbilder erfassen die natürlichen Helligkeitsunterschiede in ihrer Gesamtheit. Die Pixelwerte sind dabei proportional zur tatsächlichen Leuchtdichte. Auch wenn HDR-Bilder an den nach wie vor geringeren Helligkeitsumfang fast aller Bildschirme wieder angepasst werden müssen, bieten HDR-Bilder dennoch Vorteile. Gerade in sehr dunklen und hellen Bereichen bleiben die Details auf dem Monitor sichtbar.
Schlanke Optiken für den flexiblen und mobilen Einsatz
Wenn es darum geht, kleinste Strukturen ausschließlich an geneigten oder vertikalen Probenoberflächen zu untersuchen, stoßen konventionelle Mikroskope an ihre Grenzen. Nur mit abenteuerlichen Konstruktionen wird beispielsweise die seitliche Betrachtung einer Lötstelle auf einer großen Leiterplatte möglich. Für die Digitalmikroskope sind bisher unmöglich erreichbare Probenbereiche kein Problem. Ein flexibles Kippstativ kombiniert mit dem drehbaren xy-Tisch erlauben hier eine zuverlässige Inspektion und Analyse in nahezu jeder Position. Doch es gibt Produkte, die können weder transportiert werden, noch eine Probenentnahme zulassen. Für moderne, tragbare Digitalmikroskope ist eine zerstörungsfreie Inspektion auch an ortsgebundenen Objekten kein Problem.
Fazit
Digitalmikroskope bieten vor allem dann eine Alternative zur klassischen Mikroskopie, wenn häufig schwierig zu dokumentierende Proben untersucht werden müssen oder schnelle 3D-Oberflächenquantifizierung gefragt ist. Stehen jedoch optische Brillanz und die Vielfalt der Kontrastierungsverfahren im Vordergrund, sind Stereo- oder Lichtmikroskope überlegen. Der Investition in ein neues Gerät sollte deshalb immer eine sorgfältige Evaluation und eine umfassende und objektive Beratung über die Alternativen vorausgehen.
Leica Microsystems, Wetzlar www.leica-microsystems.com
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