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Zu viel Raum für Interpretationen

Magnetismus in Zulieferteilen ist ein Qualitätskriterium
Zu viel Raum für Interpretationen

Die Entmagnetisierung gehört in vielen Fertigungsbetrieben zum Standardprozedere. Doch bei der Wareneingangskontrolle stellen Unternehmen oft fest, dass Teile magnetisch sind – obwohl der Lieferant sie vor dem Transport entmagnetisiert hat. Das Problem: Für das Vorgehen gibt es keine Normen. Das angewendete Verfahren entscheidet heute über das Ergebnis.

Statt Normen haben sich in vielen Bereichen der Industrie Grenzwerte für den Restmagnetismus etabliert, die den Produktions- und Qualitätsverantwortlichen eine gewisse Orientierung geben. Beim Lichtbogenschweißen werden beispielsweise 10–20 A/cm, beim Elektronenstrahlschweißen nur maximal 1.5 A/cm toleriert. Damit kleine Stanzteile nicht am Werkzeug „kleben“, akzeptieren die Hersteller von Stanz- und Abkantpressen höchstens 20 A/cm an den Werkzeugen. Bei der Teilereinigung oder beim Galvanisieren ist man generell anspruchsvoller. Hier dürfen die Teile maximal 2–8 A/cm aufweisen.

Entmagnetisiermaschinen gibt es am Markt und Messgeräte ebenfalls. Warum aber stolpern immer wieder die Betriebe über unerwartet auftretenden Magnetismus, obwohl man doch vermeintlich alles richtig gemacht hat? Das Problem liegt offenbar tiefer. Bei der Entmagnetisierung ist das Verfahren entscheidend. Was viele nicht wissen: Herkömmliche Verfahren können oft im Material feinpolige Magnetfelder hinterlassen. Viele nutzen für ihre Messungen auch Hallsonden mit so genannten „Flusssammlern“. Diese haben die Eigenschaft, dass sie den Streufluss bei feinpoligem Restmagnetismus glätten und melden niedrige oder gar keine Werte. Der Anwender ist zufrieden und nichtsahnend, dass sich diese Stellen während des Transports oder bei der Weiterbearbeitung als „magnetische Zombies“ entpuppen und zum Ausgangspunkt einer Re-Magnetisierung werden können.
Der Schweizer Magnetspezialist Albert Maurer hat deshalb ein eigenes Entmagnetisierverfahren entwickelt. Es neutralisiert das ferromagnetische Material mit ähnlichem Resultat, wie ein geschmiedetes Teil, das keinem Magnetismus durch Magnetheber oder Ähnliches ausgesetzt war. Weil die Ergebnisse denen des Glühens über die Curie-Temperatur hinaus durchaus ähnlich sind, nennt Maurer das Verfahren „Curiesieren“. „Durch das Curisieren ist es möglich, alle Komponenten einer gesamten Baugruppe, fast unabhängig von Größe und Material zu entmagnetisieren“, sagt Maurer. „Messungen und die Erfahrungen vieler Anwender belegen die entmagnetisierenden Phänomene wie höhere Permeabilität und sogar einen magnetischen Selbstheilungseffekt.“
Das Tückische am Restmagnetismus ist laut Maurer, dass verbleibende hartmagnetische Stellen und verzerrte magnetische Domänen oftmals das gesamte Bauteil remagnetisieren: „Entmagnetisieren ist Pflicht für jeden verantwortungsbewussten Produzenten.“
Magnetismus sorgt unter anderem dafür, dass Getriebeketten zerstört werden, Sinterteile nicht maßhaltig sind, oder die Oberflächengüte von Beschichtungen leidet. Wirbelströme in bewegten Teilen wie Turbinen oder Wälzlagern führen zu Lichtbogenüberschlägen und Lochfraß. Navigationseinrichtungen oder empfindliche Messgeräte werden durch Magnetismus in ihrer Funktion beeinträchtigt. Das Schweißen von Großbauteilen wie Pipelines wird unmöglich, wenn der Schweißstrahl magnetisch abgelenkt wird.
Maurer sieht im Restmagnetismus einen wichtigen Qualitätspunkt. Werden die Spezifikationen auch in magnetischen Belangen konsequent auf- und umgesetzt, sei die Wahrscheinlichkeit eines Qualitätsmangels an den Bauteilen viel geringer. Die Unsicherheiten im Umgang seien zu beseitigen und auf eine klare Basis zu stellen.
„Wenn es um das Entmagnetisieren von Zulieferteilen geht, reden die Partner in der Supply-Chain glatt aneinander vorbei. Die Angaben der Auftraggeber zum Restmagnetismus lassen bei den Zulieferern zu viel Raum für Interpretationen“, erklärt Maurer. „Es fängt damit an, dass keine Angaben zu Art und Qualität des Verfahrens gemacht werden. Hinzu kommt, dass weder die Eigenschaften des Messaufnehmers definiert, noch der Abstand der Sonde zur Materialoberfläche vorgeschrieben wird. Auch wird nicht definiert, ob die Messung in einer vom Erdfeld abgeschirmten Umgebung stattfinden soll. Und je nach Ausprägung des Magnetfeldes müsste zusätzlich eine Suchmethodik für verbliebenen Restmagnetismus vorgegeben werden.“
Fachleute empfehlen das flächige Abscannen der Materialoberfläche. Dazu sollte ein Messgerät mit Höchstwertspeicherung verwendet werden. Entscheidend jedoch ist, wie es im Inneren der Bauteile aussieht. Ist ein Zerlegen nicht möglich, müssen die Teile aufgeschnitten werden. Verfügt man über ein reproduzierbares, prozesssicheres Entmagnetisierverfahren, kann man sich anschließend auf diese Messungen als Referenz stützen. Der Entmagnetisierpuls des Maurer De-gaussing Verfahrens ist durch eine elektronische Steuerung vollständig reproduzierbar, dadurch wird das Verfahren absolut prozesssicher.
Die Vorgaben auf den Teilezeichnungen zeigen die Bemühungen der Konstrukteure, auch in magnetischer Hinsicht Spezifikationen zu definieren. Diese Angaben sollen Sicherheit bringen für weitere Bearbeitungen oder Endzustände, bedürfen jedoch noch Präzisierungen betreffs des Messverfahrens und der Umgebung. ■

Der Autor
Joachim Tatje
Viatico
im Auftrag von Maurer Magnetic
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