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Änderungen managen

Auch exzellente Feuerwehraktionen sind nicht mehr nötig
Änderungen managen

Permanente Veränderung ist oft die einzige Konstante in der täglichen Praxis. Wenn ein Unternehmen darum seine Produktänderungsprozesse optimiert, steigert es die Qualität und schafft sich so auch im Hinblick auf Innovationen ein großes Zukunftspotenzial. Die Frage lautet darum: Wie können Änderungen effizienter gesteuert und so kostspielige Nacharbeiten reduziert und sogar vermieden werden?

Udo Mathee Fach- und Wissenschaftsjournalist Coesfeld

„Speeding up Product Changes“ – unter diesem Motto fand vom 29.9.-1.10.2008 in Stuttgart die diesjährige „Configuration Management Conference & CMII Europe 2008“ statt. Auf der Konferenz teilten Referenten von Firme n, wie z.B. EADS, Daimler, DELPHI oder ERCO Leuchten, in insgesamt 16 Fachvorträgen ihre Erfahrungen zum Konfigurationsmanagement mit – wie z.B. Änderungen in ihren Unternehmen gesteuert, Anforderungen zielgenau erfüllt oder Produkthierarchien optimal strukturiert werden können. Ein vorangegangenes eintägiges Tutorial bot den Teilnehmern die Möglichkeit, den Konfigurationsmanagement-Standard CMII kennen zu lernen. Zusätzlich hatten die beiden Veranstalter, die Gesellschaft für KonfigurationsManagement mbH (Gf KM) und die CIM PA GmbH, Berater und Dienstleister für Product Lifecycle Management (PLM), acht Systemanbieter als Aussteller eingeladen, um ihre Neuentwicklungen zu präsentieren.
Rund 150 Führungskräfte und Anwender aus der Entwicklung, Produktion und Konstruktion, speziell aus den Bereichen Qualitäts-, Anforderungs- oder Änderungsmanagement sowie dem IT- und Product Lifecycle Management, nutzten deshalb die Konferenz als Austausch-, Inspirations- und Informationsplattform. Sie stammen aus der Luft- und Raumfahrt, dem Schiffbau und der Automobilindustrie sowie den Bereichen Militär und Rüstung, Eisenbahn, Software und Consulting. „Dieses heterogene Branchenbild zeigt, dass das ursprünglich im militärischen bzw. Luft- und Raumfahrtumfeld entwickelte Konfigurationsmanagement die Grenzen des bisherigen Haupteinsatzgebietes längst überschritten hat und nun in andere Branchen vordringt. Nicht nur die großen Konzerne sondern auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen sehen immer mehr die Wettbewerbsvorteile, die durch reduzierte Durchlaufzeiten bei gleichzeitigen Qualitätsverbesserungen erzielt werden können“, berichtet Geschäftsführer Thomas Schwart z von der GfKM.
In der Pre-Conference hatten die Teilnehmer die Gelegenheit, sich über den international anerkannten und Software unabhängigen Standard CMII zu informieren. Dieser wird heute vom Institute of Configuration Management (ICM) in Phoenix/Arizona (www.icmhq.com) kontinuierlich weiterentwickelt. „Dokumente führen, Bauteile folgen“, heißt es dort. Nichts darf geändert, entwickelt oder gefertigt werden, was nicht vorher eindeutig dokumentiert worden ist. „Jede Änderung durchläuft einem geschlossenen Gesamtprozess. Diese und andere Vorgaben verhindern, dass mit einer einfachen Produktänderung, wie so oft in der Praxis, ein Rattenschwanz an unvorhergesehenen Problemen entsteht“, unterstrich ICM Moderator Ray Wo zny.
Transparenz durch Quality Gates
Am ersten Tag der Hauptkonferenz beschrieben die Konfigurationsmanager David Kraus und Frank Rethmann von Eurocopter die seit 2007 begonnene Harmonisierung des gesamten Entwicklungsprozesses mit Hilfe der CMII-Methode. Das Unternehmen war 1992 durch den Zusammenschluss von Aerospatiale (Frankreich) und MBB (Deutschland) entstanden, wodurch zwei unterschiedliche Produktwelten, Organisations- und Konfigurationsmanagementformen aufeinander trafen. Letztere waren durch lokale Erfahrungen und die jeweiligen Kunden geprägt, sodass unterschiedliche CM -Tools und -Datenbanken existierten.
Außerdem hatten die Entwicklungsprozesse oftmals den Charakter einer großen Blackbox, was jedoch den Anforderungen eines globalen und sich schnell ändernden Marktes widerspricht. Licht in das Dunkel brachte darum ein Kennzahlensystem (Key Performance Indikatoren) zur Messung der Prozessperformance, das z.B. die Zahl und die Dauer der Entwicklungszyklen bewertete. Die Prozessverbesserungen wurden dann nach definierten Prozessabschnitten mit Hilfe von Quality Gates (QG) erreicht. Diese entscheiden, ob der nachfolgende Prozessabschnitt gestartet werden kann oder ob Nachbesserungen notwendig sind. Mit diesen Maßnahmen konnten sowohl die Durchlaufzeiten verkürzt, wie auch der Status eines jeden Projektes transparent gemacht werden. Eurocopter erhielt deshalb einen Award als bester CMII-Newcomer des Jahres 2008.
Aber auch für mittelständische Firmen, wie die ERCO Leuchten GmbH in Lüdenscheid, ermöglicht das CMII-Modell Nacharbeit zu vermeiden. Sich schnell entwickelnde LED-Technologien und der Kundenwunsch, auch aktiv in die Farbgestaltung einzugreifen, erfordern dort immer komplexere Licht-Kontroll-Systeme. Darum begann Jens von der Brelie, stellvertretender Leiter der Forschung und Entwicklung bei ERCO, im November 2007 in einem ersten Schritt mit der Optimierung des Anforderungs-Managements. Dazu wurden mit Hilfe von Meetings und Interviews die einzelnen Prozesse analysiert, einfach „um erst einmal zu verstehen, was die einzelnen Mitarbeiter wirklich benötigen“. Nur so ist es seiner Meinung nach möglich, dass die Mitarbeiter dann mit Hilfe von standardisierten Prozessen ihren ureigenen Job erfüllen können.
Monatlich 1.000 Änderungsanträge
Ein effektives Änderungsmanagement ist jedoch nicht nur innerhalb des eigenen Unternehmens wichtig. Jürgen Scharpf, Leiter Engineering Change Management bei Daimler, zeigte mit Hilfe einer Analyse bei DELPHI Electronics & Safety, wo monatlich ca. 1.000 Änderungsaufträge mit den unterschiedlichen Automobilherstellern abzuwickeln sind, dass sowohl für einen OEM als auch für dessen Zulieferer eine Standardisierung der unternehmensübergreifenden Änderungsprozesse von großer Bedeutung ist. Deshalb stellte er unter anderem die Empfehlung VDA 4965 vor, die durch die Initiative des ProSTEP iViP Vereins, des VDA und 18 Unternehmen der deutschen Automobilindustrie entstanden war. Seit April 2008 steht diese als internationaler Standard SASIG ECM Recommendation der SASIG (Strategic Automotiv Product Data Standards Industry Group) zur Verfügung. Dieser Standard ermöglicht die Implementierung und Nutzung eines Engineering Change Management Collaborative Network, in dem jeweils zwischen zwei Partnern ein Referenzprozess etabliert wird, der dann die Einbindung weiterer Partner erheblich beschleunigt und vereinfacht. Dieser Referenzprozess dient dabei als neutrale Schicht, über die beide Parteien ihre Daten- und Prozessinformationen austauschen.
Auch für Airbus mit seinen wechselnden Lieferanten und Partnern ist die Etablierung eines funktionierenden, standardisierten KMs von großer Bedeutung. „Mit einer zunehmenden Diversifikation von Produktvarianten, komplexeren Produktstrukturen, der angestrebten Verkürzung von Entwicklungszeiten und einer globalisierten Entwicklung und Fertigung nimmt das Konfigurationsmanagement einen immer höheren Stellenwert ein“, berichtete Dieter Homp, CIMPA PLM Berater bei Airbus, am Beispiel des A350 Programms. So gewährleiste KM auch die erforderliche Qualität und Sicherheit bis zur Endabnahme eines Flugzeuges mit allen im Laufe des Entwicklungsprozesses durchgeführten Änderungen der Produktstruktur. „Diese Qualität des Konfigurationsmanagements spiegelt sich in dem von Airbus definierten Ziel ‚Setting the Standards for the 21st Century‘, um die Marktführerschaft in Bezug auf Transportkapazität und Reichweite zu festigen. Der Airbus Entwicklungsprozess wird durch Quality Gates überwacht, wobei die Arbeitsgruppe Audit and Measurement kontinuierlich die Verbesserungsbedarfe zur Erhöhung der Qualität von Produkt und Service ermittelt. Da Kunden, Zulieferer und Partner im Prozess involviert sind, können mögliche Maßnahmen direkt miteinander vereinbart werden.“
Wie sich bewährte best practices-Methoden wiederum in konzernweite Standards umwandeln lassen, beschrieb Norbert Griseti, CM Chairman des EADS-weiten PLM-Programms PHENIX. Bei diesem Harmonisierungsprojekt werden die genannten Arbeitsmethoden z.B. für komplexe Arbeitsschritte, Meilensteine und Projektpläne der verschiedenen Konzerntöchter mit einander abgeglichen und als allgemein verbindlich erklärt. Dies erfordert die Unterstützung vom Top-Managements bis hin zum jeweiligen Qualitätsmanagement. Zusammen mit Vertretern der Konzerntöchter von EADS haben CIMPAs Berater daran mitgewirkt, eine einheitliche Richtlinie für KM und für einen zukünftigen gemeinsamen Veränderungsprozess abzustimmen
DELPHI Electronics & Safety Europe selbst setzt die CMII-Methode schon seit dem Jahr 2000 ein – nicht nur zur Verbesserung der eigenen Produkte, sondern mittlerweile auch bei IT-Prozessen. Charles W assen, SAP und GES Program Manager bei Delphi Deutschland, beschrieb den Weg von der Ablösung eines ERP-Systems über die Einführung des bei Delphi weltweit eingesetzten Global Engineering Systems (GES) bis hin zur Migration der Daten nach SAP. „Dabei ist es wichtig, sich bei jeder Modifikation auf klar definierte Ausgangspunkte beziehen zu können“, berichtete er. Die CMII-Methode schaffe diese Baselines und bilde gleichzeitig die Grundlage für eine klar strukturierte Kommunikation bei allen Veränderungsprozessen, sodass heute bei Delphi keine Feuerwehraktionen mehr nötig seien – „…und seien sie auch noch so exzellent ausgeführt!“ Für diese weltweit fortgeschrittenste Implementierung wurde Delphi mit dem CMII Implementation Award 2008 ausgezeichnet.
Die Methode erfordere aber immer einen Paradigmenwechsel, gab nicht nur Charles Wassen zu beachten. Wie ändert man folglich die Denkweise eines Unternehmens und überzeugt dessen Organisation? Mit diesen Fragen beschäftigte sich Dr. Hermann Pätzold, Projektmanager bei Rieter Automotive Management. Er zeigte wie dieser Kulturwandel bei dem Automobilzulieferer schrittweise vollzogen werden konnte. Auch Peter Kuhlmeier und Angela Bayer von der Unternehmensberatung Faktor B verdeutlichten, welche Bedeutung die Motivation der Mitarbeiter in allen diesen Veränderungsprozessen hat.
Paul O’Neil , Geschäftsführer von Evolve Quality Systems, ging in seinem Vortrag sogar noch einen Schritt weiter. Seiner Erfahrung nach ist die Qualität eines Produktes sehr stark geprägt von der Lebensqualität der Menschen, die das Produkt entwickeln und herstellen. Daher könne ein Qualitätsmanagement-System noch so gut sein, wenn es nicht von geschulten und vor allem motivierten Mitarbeitern getragen wird. Daher sei es die Aufgabe des Managements, einen Führungsstiel zu praktizieren, der die Mitarbeiter fördert und damit die Innovationskultur sichert. Das Management einer Organisation sollte deshalb seine Führungsqualitäten auch im Bezug auf menschliches Einfühlungsvermögen, Integrität und Kommunikation leben und daraus die volle Verantwortung für die Qualität und deren Erfüllung sowohl selbst übernehmen wie auch von anderen einfordern.
Uwe Farkas, Geschäftsführer der CIMPA GmbH, zog darum am Ende der Konferenz folgendes Resümee: „Gut funktionierendes Konfigurationsmanagement wird oft kaum bemerkt, aber wehe, wenn es nicht gut läuft. KM sollte deshalb zum Kernprozess des Product Life Cycle und des Qualitäts-Managements werden und so die Konsistenz eines Produktes von der Beschreibung seiner Anforderungen bis zur Dokumentation sicherstellen.“
Weitere Informationen zur Konferenz sind unter www.cmconference.com abrufbar.
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CIMPA
Mit seinen Rund 1100 Mitarbeiter unterstützt das Beratungsunternehmen CIMPA seit mehr als zehn Jahren vor allem Kunden aus Luftfahrtindustrie in den Bereichen PLM, Konfigurations- und Changemanagement.
Die 100%ige Airbus-Tochter ist dabei sowohl an Standorten in Frankreich, Deutschland und England vertreten.
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GfKM
Die GfKM (Gesellschaft für KonfigurationsManagement) führt als europäischer Vertreter des Institute of Configuration Management (ICM) seit 1998 CMII-Schulungen und Zertifizierungen durch. Diese vom ICM entwickelte Standardausbildung für Konfigurationsmanagement schließt mit dem CMII Professional ab.
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