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Automatisierte Airbag-Tests

Kamerapositioniersysteme
Automatisierte Airbag-Tests

Durch den Einsatz von automatischen Positioniervorrichtungen in der mit hochwertigen Kamerasystemen ausgestatteten Prüftechnik lässt sich die Verfügbarkeit der Aufnahmetechnik erhöhen. Die geschickte Anordnung von Prüfplätzen im Versuchsraum und Nutzung der vorprogrammierten Aufnahmepositionen gewährleisten einen fortlaufenden Prüfbetrieb. Ein weiterer Aspekt sind zeitkritische Positioniervorgänge. Der Artikel beschreibt eine Reihe von Positioniersystemen zur flexiblen Handhabung von Video- und Scheinwerfertechnik.

Dipl.-Ing. Bodo Streich, Vertriebsleiter, HuDe Datenmesstechnik GmbH, Erkelenz

In Zeiten ständiger Prozessoptimierung stellt sich besonders die Frage, wie sich auch aufwendige Prüfverfahren kostensparend in der täglichen Praxis umsetzen lassen. Ein komplexer Vorgang im Bereich Qualitätssicherung und Entwicklungsmusterprüfung von Baugruppen der passiven Fahrzeugsicherheit ist der Airbag-Aufblastest (Static Deployment Test). Unter High-Speed Video Beobachtung ist dieser Test für ein breites Spektrum verschiedener Fahrzeugkomponenten reproduzierbar durchzuführen. Der Airbag wird heute neben anderen Komponenten in vielen Varianten von den Zulieferern in Produkte wie Lenkräder, Instrumententafeln, Seitenverkleidungen und Sitze integriert. Dies erfordert seitens der Automotive Systemlieferanten im Bereich der Qualitätssicherung völlig neue Prüfmittel und -strategien. Der dabei auftretende Engpass wird offensichtlich: Einerseits werden notwendige Prüfungen und die dazu erforderlichen Vorrichtungen für jedes einzelne Produkt immer komplexer, andererseits ist eine steigende Anzahl von Produkten und Varianten zu überwachen.
Die Zahl der mit einzelnen Versuchsanlagen durchzuführenden Arbeiten vervielfältigt sich noch, wenn Qualitätssicherung und Entwicklungsabteilung dieselben Ressourcen zur Lösung ihrer Prüfaufgaben nutzen. „Mal schnell dazwischengeschobene Entwicklungsversuche“ sollten den Prozess der Serienüberwachung logistisch und parametrisch so wenig wie möglich beeinflussen.
Eine weitere wesentliche Anforderung an den Prüfprozess ist die Reproduzierbarkeit der Einstellbedingungen, um vergleichbare Ergebnisse erzielen zu können. Im Automotive Sektor ist der sogenannte Realtemperaturbereich von – 40 bis + 90°C eine dieser wichtigen Randbedingungen. Die zu untersuchenden Komponenten sind so zu handhaben, dass die Zeit zwischen Entnahme der Baugruppe aus der Temperiervorrichtung und der eigentlichen Prüfung so kurz wie möglich ist. Teilweise wird aus diesem Grund direkt in der Temperatur- oder Klimakammer getestet.
Reproduzierbarkeit trotz Variantenreichtum
Ein typisches Beispiel für die Herausforderung der Prüftechnik: Aus einzelnen Fertigungslosen unterschiedlicher Fahrzeugbaugruppen werden Stichproben entnommen, die bei verschiedenen Temperaturen zu prüfen sind. Hauptaugenmerk der Prüfung liegt auf der Wirkung des Airbags. Dazu werden Hochgeschwindigkeitskameras zur Videoaufzeichnung der Airbag Entfaltung eingesetzt. Einen kleinen typischen Ausschnitt aus dem täglichen Pensum an Prüfungen zeigt die folgende Liste:
– Serienprüfung Typ A – Seitenairbag links bei –35 °C, Kammer 1,
– Serienprüfung Typ B – Beifahrer Airbag/Instrumententafel Rechtslenker bei + 85 °C, Kammer 2,
– Serienprüfung Typ C – Seitenairbag rechts bei –35 °C, Kammer 1,
– Prototyp A – Entwicklungsmuster Prüfung bei Raumtemperatur, individuelle Einstellungen,
– Serienprüfung Typ A – Seitenairbag links bei +85 °C, Kammer 2,
– Serienprüfung Typ C – Beifahrer Airbag/ Instrumententafel Linkslenker bei –35 °C, Kammer 1.
Um diese Vielfalt von Prüfungen reproduzierbar durchführen zu können, sind neben der Temperierung und definierten Airbag-Zündung die Aufnahmeposition der Videokameras und Scheinwerfer je Prüflingstyp immer gleich zu gestalten. In der gezeigten Prüffolge kommt erschwerend hinzu, dass zwei Temperatur- oder Klimakammern für die Realtemperatureinstellung von –35 und +85 °C verwendet werden. Ein permanentes Umstellen der hochwertigen Kamera- und Beleuchtungstechnik ist eine Möglichkeit, aber allein schon das Realisieren von gleichen Aufnahmeeinstellungen erfordert viel Zeit. Bis zum fertigen Einrichten der Kameras sind die geforderten Versuchsbedingungen oft nicht mehr gegeben oder die Technik ist über Stunden durch eine vorfixierte Positionierung nicht für andere Aufgaben verfügbar. Anders dagegen beim Einsatz von automatischen Positioniersystemen, hier werden alle erforderlichen Einstellungen per manuellem Teach-In einmalig programmiert. Sie sind anschließend beliebig oft auf Knopfdruck abrufbar.
Automatische Positionierung
Ein Weg für die flexible und reproduzierbare Positionierung von Video Aufnahme- und Lichttechnik ist die Nutzung automatischer Kamerapositioniersysteme. Mit diesen Systemen sind einmalig manuell definierte Einstellungen beliebig oft auf Knopfdruck abrufbar. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Aufnahme- und Lichtsysteme im Prüfumfeld in einem Bereich geparkt werden, wo sie nicht stören.
So unterschiedlich wie die baulichen Gegebenheiten der Prüfräume sind auch die Lösungen für die erforderlichen automatischen Positioniersysteme. Neben den verschiedenen Abmaßen kann eine grobe Differenzierung vorgenommen werden in: Systeme für Montage an vorhandenen Bauwerksteilen, wie Wänden oder Geschossdecken und freistehende Systeme, zum Beispiel in Portalform.
Beide Bauarten lassen sich als Einzel- und Mehrkamerasysteme in einer oder zwei Ebenen ausführen. Die Abmessungen der Tragwerkskonstruktionen reichen dabei von 1,5 u 1,5 x 1,5 m bis 15 x 9 x 3,5 m. Positionierbewegungen erfolgen mit einer Verfahrgeschwindigkeit zwischen 50 und 400 mm/s bis auf 2,5 mm genau. Bei typischen Winkelgeschwindigkeiten von 10 °/s liegt die Reproduzierbarkeit der Drehbewegungen zwischen 0,5 und 1°.
Da alle eingesetzten Mechanik- und Steuerungskomponenten auf einem Modulkonzept basieren, ist eine effiziente Anpassung an die konkreten Bedingungen des Prüfraums gewährleistet.
Die wesentlichen mechanischen Komponenten sind Tragwerk, Lineareinheiten und Rollenführung, Antriebstechnik mit Sicherheitsbremsen und Positionssensorik, Teleskope für Vertikaleinstellungen, Schwenk-/Neigeeinheiten für vertikale und horizontale Winkeleinstellung, Motor-Zoom-Objektive sowie Steuerschrank und Bedienpult.
Tragwerksvarianten je nach Erfordernis
Um den unterschiedlichen Anforderungen der Geometrie von Prüfräumen gerecht zu werden, ist die Differenzierung der Tragwerke in Varianten notwendig:
1. Tragwerk mit einer Ebene (X/Y)
lvertikale Anordnung der Verstellmechanik, Montage an einer Prüfraumwand,
lhorizontale Anordnung der Verstellmechanik, Montage hängend an der Geschossdecke.
2. Tragwerk mit zwei Ebenen (X/Y/Z)
lzwei T-förmig angeordnete X/Y-Einzelebenen mit je einer Kamera,
lPortalkonstruktionen mit einer oder mehreren fahrbaren Brücken.
Bei der einfachen X/Y-Bauart wird die dritte Raumachse (Z) durch Verstellung eines Zoom-Objektivs realisiert. Ein Beispiel ist die Anordnung eines horizontalen X/Y-Positioniersystems direkt über der Bahn einer Crash Simulationsanlage.
Die Portalkonstruktion findet Anwendung, wenn die einzelnen Aufnahmepositionen für Prüfobjekte weit auseinander liegen. Die X/Y/Z-Bauart ist auch notwendig, wenn Prüfobjekte wie Fahrzeugkarosserien bei verschiedenen Versuchen von mehreren Seiten beobachtet werden müssen.
Alle Tragwerksvarianten werden zur Aufnahme der Kamera und Lichttechnik mit Schwenk-/Neigeeinheiten versehen, die eine Winkeleinstellung in zwei Drehebenen gestatten.
Antriebstechnik als modulares System
Als Antriebe für die Linearbewegungen der Positioniereinrichtungen stehen je nach zu bewegenden Massen DC-Getriebemotore und Drehstrommotore mit Wechselrichteransteuerung zur Verfügung. Alle Achsen sind mit Sicherheitsbremsen ausgerüstet. Sie verhindern zum Beispiel bei den vertikalen Verfahreinheiten ein ungewolltes Herabfahren durch das Eigengewicht auch im Falle eines Stromausfalls oder der Not-Aus-Betätigung.
Die mechanische Kopplung der Antriebe erfolgt in Abhängigkeit der zu verfahrenden Wege und Lasten entweder mit Zahnriemen oder Zahnstangen. Endschalter begrenzen jeweils die möglichen Weglängen und ein optionaler Kollisionsschutz gewährleistet die Sicherheit von Bedienpersonal und Technik.
Skalierbare Steuerungen
Alle Einheiten der Anlagensteuerung sind ebenso modular ausgeführt wie die mechanischen Komponenten des Tragwerks. So ist die Kombination verschiedener Linearantriebe, Teleskope und Schwenk-/Neigeeinheiten kundengerecht unter Beibehaltung eines einheitlichen steuerungstechnischen Konzepts möglich. Die einzelnen Steuerungskomponenten sind in Form eines 19“-Schaltschranks zusammengefasst. Dieser enthält auch das Frontend-System Interfacer 4, das mit seinen analogen und digitalen Baugruppen das Herzstück der Anlagenelektrik bildet. Weiterhin ist ein Industrie-PC integriert, der neben der Steuerung des Positioniersystems auch weitere Aufgaben bei der Airbagprüfung übernehmen kann, so zum Beispiel die komplette Versuchsdurchführung im Rahmen eines Static Deployment Tests oder Aufschlagversuchs.
In die Anlagensteuerung lassen sich sämtliche elektrischen und Softwareschnittstellen für eigenständige Baugruppen integrieren.
Systemsoftware mit Erweiterungsmöglichkeiten
Die Windows-NT Software für die Steuerung der Kamerapositioniersysteme enthält alle notwendigen Funktionen für manuelle Bewegung in allen Freiheitsgraden, Teach-In-Betrieb zur Programmierung von Kamerapositionen, Automatikbetrieb zur vollautomatischen Bewegung der Anlage sowie Servicefunktionen und Hardwareanalyse.
Die Speicherung der im Teach-In Verfahren programmierten Linear-, Winkel- und Objektiveinstellungen erfolgt gemeinsam in einer Datenbank unter den Ordnungskriterien Fahrzeughersteller, -typ und -variante. Somit ist die für den Serienbetrieb erforderliche Gesamteinstellung leicht wiederaufzufinden. Bei einer Prüflingsidentifikation mit Bar Code Lesern kann die eingelesene Information automatisch für die Auswahl der notwendigen Einstellung verwendet werden.
Die Bandbreite der verschiedenen realisierten Softwarevarianten zeigt, dass eine reine Steuerung von Kamerapositioniersystemen eher die Ausnahme ist. Zumeist wird die Positioniersystem-Steuerung mit weiteren komplexen Anwendungen verbunden wie beispielsweise dem Statischen Airbag Aufblasversuch (Static Deployment Test).
Typische integrierte Funktionen der Gesamtanlage sind ein- und mehrkanalige Airbagzündung, Bewegungssteuerung der Prüflingshalterung, Steuerung der Automatiktüren von Temperatur- und Klimakammern, direkte Steuerung von Hochgeschwindigkeits-Videotechnik, On Screen Video Display für Online Überwachung des Kamerabildes sowie CD-ROM oder MO-Drive Speicherung von Versuchsdaten. Gerade das integrierte Videodisplay ist eng mit der Positionier-Software verknüpft. Durch die Darstellung des Kamerabildes direkt auf dem Bildschirm der Positionssteuerung wird das manuelle Einrichten erleichtert und der Blick auf einen separaten Video-Monitor überflüssig. Die eingebaute Video-Capture- und Replay-Funktion gestattet es weiterhin, die von der Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommenen Bildsequenzen direkt in den Steuercontroller einzulesen und von dort permanent, zum Beispiel auf einen Netzwerkserver, zu sichern. Ebenso gehört das Abspielen gespeicherter Prüfsequenzen inzwischen zum Standardumfang der Software.
Ein Fallbeispiel
Der typische Ablauf für eine Airbag Prüfung unter Verwendung der automatischen Kamerapositionierung sieht folgendermaßen aus:
  • 1. Prüflingsdaten sind vor Temperiervorgang eingegeben worden.
  • 2. Temperiervorgang ist abgeschlossen.
  • 3. Der Bediener lädt aus der Datenbank die vor dem Temperieren eingegebenen Daten, Prüflingstyp und Variantenangabe.
  • 4. Die Türen zum Versuchsraum werden gegen Zugang von außen elektrisch verriegelt.
  • 5. Auf Tastendruck wird das Kamerapositioniersystem aktiviert und fährt die notwendige Aufnahmeposition an.
  • 6. Der Klima- oder Temperaturkammer-SPS wird das Signal zum Herausfahren des Prüflings erteilt.
  • 7. Nach Rückmeldung der SPS wird die automatische Lageüberprüfung mittels Initiatoren durchgeführt.
  • 8. Die Zünderwiderstände werden gemessen und auf Toleranz geprüft.
  • 9. Die Kameratechnik wird in Bereitschaftszustand versetzt.
  • 10. Die für den Versuch notwendige Beleuchtung wird eingeschaltet.
  • 11. Die Zündung des Airbags erfolgt synchron mit dem Trigger für die Kameras.
  • 12. Die Beleuchtung wird abgeschaltet und die Raumluftabsaugung aktiviert. Die Türen bleiben verschlossen, bis die vordefinierte Entlüftungszeit abgelaufen ist.
  • 13. Inzwischen werden die Versuchsergebnisse gespeichert. Die Videosequenz wird aus der Hochgeschwindigkeitskamera ausgelesen und archiviert. Verbale Versuchsattribute werden vom Bediener zusätzlich eingegeben.
  • 14. Die Kameras werden durch das Positioniersystem wieder in die Parkstellung bewegt.
  • 15. Nach Ablauf der Entlüftungszeit werden die Zugangstüren freigegeben. Durch die automatisierte Vorgehensweise bei der gesamten Versuchsvorbereitung und -durchführung werden die Fehlermöglichkeiten minimiert. Mit der Übergabe des Prüflingstyps und der -variante an das Kamerapositioniersystem erfolgt jederzeit eine schnelle und genaue Einstellung der Kamerapositionen. Die hochwertigen Kameras stehen somit bis kurz vor Prüfbeginn für andere Aufgaben zur Verfügung.
Weitere Einsatzfälle
Durch den Einsatz von automatischen Positioniervorrichtungen in der mit hochwertigen Kamerasystemen ausgestatteten Prüftechnik lässt sich die Verfügbarkeit der Aufnahmetechnik erhöhen. Ein weiterer Aspekt sind zeitkritische Positioniervorgänge. Sollen mehrere gemeinsam temperierte Prüflinge wie Fahrer- und Beifahrer-Airbag direkt in Folge geprüft werden, ermöglichen automatische Kamerapositioniersysteme einen sehr schnellen und trotzdem präzisen Wechsel der Aufnahmeposition zwischen den Einzeltests. Weitere Einsatzmöglichkeiten der beschriebenen Technik findet man bei der Realisierung schwer zugänglicher Videoaufnahmepositionen. Durch die modulare Gestaltung des Gesamtsystems ist eine hohe Anpassungsfähigkeit an die räumlichen und logistischen Erfordernisse des jeweiligen Anwenders gegeben.
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