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Bei der Geburt getrennt

Die ursprünglich separaten Bereiche MES und CAQ finden zueinander
Bei der Geburt getrennt

Zwischen MES und CAQ gibt es große Überschneidungen. Darum plädieren Experten dafür, die Systeme eng miteinander zu verknüpfen. Unternehmen ersparen sich eine doppelte Datenhaltung und erhalten einen besseren Überblick über den Zustand ihrer Produktion. Die Software-Anbieter gehen das Thema aber auf unterschiedliche Weise an.

„Die Disziplinen MES und CAQ sind zwei Seiten der gleichen Medaille“, sagt Uwe Lüers, MES-Experte beim CAQ-Anbieter Böhme & Weihs. Beide dienten im Kern der Aufrechterhaltung und Optimierung der Unternehmensabläufe sowie der Sicherung und Verbesserung der Qualität.

„Sowohl MES als auch CAQ interessieren sich für IO/NIO-Stückzahlen, um daraus Kennzahlen berechnen zu können“, erklärt Lüers. Während MES mit diesen Zahlen mehr die Effizienz des Produzierens bewerte, konzentriere sich CAQ auf die Qualitätssicherung des Produkts. „Aber die Basis für die Kennzahlen sind für beide Bereiche dieselben Daten, die der Werker vor Ort erfasst.“
Nach Meinung von Nadja Neubig ist die Trennung von MES und CAQ vor allem historisch bedingt. Im Laufe der stärkeren Durchdringung von Informationstechnik haben sich in den vergangenen Jahrzehnten demnach Insellösungen für abgegrenzte Themengebiete entwickelt. Neubig ist Marketing-Managerin beim MES-Anbieter MPDV.
MES und CAQ sind quasi wie Geschwister, die direkt nach der Geburt getrennt wurden. Und die nun wieder zueinander finden müssen, wenn man vielen Experten glaubt. „Wir sehen einen Trend zu einer stärkeren Verknüpfung von CAQ und MES“, sagt zum Beispiel Florian Schwarz, Vorstand der CAQ AG.
Fehler müssen zwei Mal erfasst werden
Zwischen beiden Systemen gibt es so große Überschneidungen, dass eine Zusammenführung für deutliche Effizienzgewinne sorgen kann. „Wer seine CAQ-Software mit dem MES verknüpft, erspart sich vor allem eine unnötige doppelte Datenhaltung“, meint Schwarz. So lägen zum Beispiel viele Qualitätsdaten auch im MES vor. „Wenn beide Systeme logisch miteinander verbunden sind, müssen solche Informationen nicht doppelt gepflegt werden“, so Schwarz.
Neubig von MPDV verdeutlicht die Problematik: „Möchte ein Werker Fehler und damit verbundenen Ausschuss erfassen, so muss dies oftmals sowohl in der Betriebsdatenerfassung als auch in der CAQ-Anwendung geschehen.“ Dies stelle unnötigen Mehraufwand dar.
Die Korrelation von Produktions- und Qualitätsdaten bringt Vorteile an mehreren Stellen. Zum Beispiel bei der Prüfplanung. Denn Prüfungen werden nach Erreichen einer vorgegebenen Stückzahl – also intervallgesteuert – oder nach einem festgelegten Zeithorizont – also zeitgesteuert – ausgelöst. „Betriebsstundenbezogene Prüfintervalle sind durch die Kenntnisse des Maschinenstatus realistischer, da sie unter Berücksichtigung von Stillstandzeiten berechnet werden, was bei getrennter Behandlung der Auftrags-, Maschinen- und Qualitätsdaten nicht möglich wäre“, erklärt Neubig.
Auch bei der intervallgesteuerten Prüfung hilft der Datenzusammenschluss. Dem Werker stehen laut Neubig alle Auftragsdaten inklusive der aktuellen Stückzahlen zur Verfügung. Nach Erreichen der definierten Stichprobe wird ein Prüfpunkt erzeugt. Die sonst übliche Stückzählung entfällt.
Insgesamt erhält der Anwender laut Schwarz einen besseren Überblick über den Zustand seiner Produktion – mithilfe eines Dashboards zum Beispiel, das alle relevanten Daten der involvierten Systeme übersichtlich aufbereitet. So könne er beispielsweise erkennen, an welchen Stellen Probleme auftauchen, und schnell reagieren.
Bisher greifen aber nur wenige Firmen auf solche Möglichkeiten zurück. Lüers berichtet zwar, dass sich bereits seit vielen Jahren zunehmend Überschneidungen der organisatorischen Abläufe von Fertigungs- und QS-Abteilungen erkennen lassen. Die Mehrzahl der Unternehmen verfüge aber heute noch über keine integrierten MES-CAQ-Systeme. „Die zunehmende Ablösung dieser Strukturen durch moderne, integrative Systeme ist die zentrale Aufgabe der kommenden Jahre“, so Lüers.
Die Software-Anbieter gehen diese Aufgabe mit unterschiedlichen Strategien an. So gibt es CAQ-Anbieter, die MES in ihr Portfolio aufgenommen haben, um quasi alles aus einer Hand bieten zu können. Dazu zählt zum Beispiel Böhme & Weihs. „Die Schaffung einer eigenen MES-Produktlinie ermöglicht die notwendig enge Verzahnung mit den bewährten CAQ-Modulen ZP und SPC aus unserem Haus“, erklärt Lüers. „Damit werden Daten nur an einer Stelle erfasst und von beiden Systemen zur Kennzahlermittlung verwendet.“ Lüers betont aber, dass es dank der eigenen offenen Systemstruktur auch möglich sei, Systeme anderer Hersteller zu integrieren.
Diese Variante steht bei Anbietern wie Babtec und CAQ AG im Vordergrund. Babtec sieht die Konzentration auf CAQ als Alleinstellungsmerkmal. Die Vorgabe lautet, sich nicht zu verzetteln und sich stattdessen auf die eigenen Kernkompetenzen zu fokussieren. Die Verknüpfung mit anderen Systemen wird über die entsprechenden Schnittstellen umgesetzt.
Auch die CAQ AG setzt vor allem auf diese Strategie. „Wenn wir etwas anbieten, dann machen wir das richtig“, sagt Vorstandsmitglied Schwarz. „Daher konzentrieren wir uns primär auf unsere Kernkompetenzen im Bereich CAQ und bieten Schnittstellen zu den Herstellern, die in ihrem Feld die Spezialisten sind.“
Wenn ein CAQ-Hersteller ein eigenes MES-Modul an seine CAQ-Software hänge, sei das oft ein Kompromiss, meint Schwarz. „Das kann einem Profi-MES in der Regel nicht das Wasser reichen.“
Trotzdem hat die CAQ AG zumindest einige MES-Komponenten in das Leistungsspektrum ihres eigenen CAQ-Systems integriert. Dazu gehören laut Schwarz unter anderem das Modul CAQ-Compact.net, das sehr viele Funktionen für die Maschinendatenerfassung enthält, sowie die Change-Management-Komponente, die sich in Richtung PLM bewegt.
System-Hopping entfällt, alle Daten werden an einer Stelle gepflegt
MPDV geht das Thema aus der MES-Perspektive an. Neubig verweist auf die VDI-Richtlinie 5600, welche die Aufgaben eines MES beschreibe. Demnach sei das Qualitätsmanagement als eine der Kernaufgaben des MES-Systems zu sehen.
MPDV hat daher Funktionen für das Qualitätsmanagement in sein Produktflaggschiff Hydra integriert. „Eine integrierte MES-Lösung konsolidiert alle Daten aus der Fertigung in einer Anwendung“, erklärt Neubig die Vorteile eines solchen Konzepts. Dies steigere die Akzeptanz und vereinheitliche die Datenhaltung. „Alle Informationen werden an einer Stelle gepflegt und übersichtlich in einer einheitlichen Anwendung dargestellt, was einen schnelleren Überblick zur aktuellen Situation mit sich bringt: Produktionsleiter und Qualitätsbeauftragter verfolgen im gleichen System den Auftragsfortschritt und auch die Auftragsqualität.“
Die Nutzer müssen nicht zwischen verschiedenen Anwendungen hin und her springen, was nach Meinung von Neubig die Akzeptanz der Lösung steigert.
Eine Integration über Schnittstellen zu erreichen, sieht sie nicht als gleichwertige Alternative. Die Schnittstellen müssten „meist aufwendig programmiert werden“ und brächten trotzdem „das Risiko von Dateninkonsistenzen“ mit sich. ■
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