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Einsatz von Lochplatten

Genauigkeitsoptimierung von Koordinatenmeßgeräten
Einsatz von Lochplatten

Das etablierte Verfahren zur Ermittlung von Führungsabweichungen mit Laserinterferometern wird seit vielen Jahren in der Industriellen Meßtechnik angewendet. Carl Zeiss hat bereits vor ca. 12 Jahren diese Methode in der Serie eingeführt und immer wieder verbessert.

Friedrich Kitzsteiner, Leiter des zentralen Zeiss -Zeitsprung und der IMTZeitsprung-Aktivitäten

Es sind zwar diverse Ansätze gemacht worden, diese relativ aufwendige Prozedur durch einfachere und wirtschaftlichere Verfahren zu ersetzen; diese brachten es aber, aus verschiedenen Gründen nicht zur Serienreife.
Hier wird ein System beschrieben, welches gute Chancen hat, das Laserverfahren zu ergänzen. Erstmalig wurde aufbauend auf einem von der Physikalischen Technischen Bundesanstalt (PTB) entwickelten Verfahren ein durchgängiges Werkzeug geschaffen, das den Anforderungen des weltweiten Praxis-einsatzes gerecht wird.
Entwicklung
1980 wurde bei Carl Zeiss begonnen, ein Verfahren zu entwickeln, das in umfangreicher Weise die Korrektur systematischer Abweichungen in der Position, den Führungs-abläufen und der Rechtwinkligkeit an einem Portalmeßgerät erlaubt. Ziel dieser Korrektur ist es, Nacharbeiten an Führungen zu reduzieren und die Genauigkeit zu steigern.
Die Entwicklung erfolgte in enger Abstimmung mit einer entsprechenden Forschungsarbeit an der PTB. 1985 wurden die ersten Portalmeßgeräte mit dieser umfangreichen Korrekturmethode auf dem Markt angeboten; das Verfahren erhielt den Namen Computer Aided Accuracy (CAA). Seit 1986 werden Geräte mit CAA in Serie hergestellt. In der Zwischenzeit wurde das Verfahren erweitert, so daß alle statisch elastischen Verformungen von Führungen (Horizontalarm-KMG) berücksichtigt werden.
Hierfür müssen mit höchster Genauigkeit 21 Führungsabweichungen gemessen werden. (Abb. 2) Neben teurem Meßequipment wie Laserinterferometer und elektr. Wasserwaagen (Abb. 3) sind außerdem erhebliche Investitionen in Klimatechnik, Automatisierung, Software und Ausbildung getätigt worden.
Anforderungsprofil der Serienfertigung und des Service
An ein Verfahren, das ein etabliertes System im Tagesgeschäft ablösen soll, wurden folgende Anforderungen in Bezug auf Praxis-tauglichkeit gestellt.
Hardware:
l Referenz-Meßplatte muß langzeitstabil und reproduzierbar sein
l Handling im Praxisbetrieb durch Mitarbeiter der Serie darf Platte nicht schädigen
l weltweiter unkritischer Transport muß möglich sein (Schock, Temperatur, Feuchte, Druck etc.)
l Kalibrierung muß im Hause bei ausreichender Genauigkeit durchführbar sein
l Bedienung und Handling der Platte muß durch 1 Person möglich sein
l Rüst- und Umbauzeit muß auf ein Minimum gebracht werden
l Aufspannvorrichtung muß ausreichend temperatur- und biegestabil sein
l möglichst wenige Plattenvarianten.
l große Flexibilität
Software:
l Bedienung muß ohne spezielle DOS, Windows oder UX-Kenntnisse möglich sein
l Einfaches Anstarten der Meßabläufe
l Bei Meßproblemen (z.B. Drift, Streuungen) muß Warnmeldung erfolgen
l Einfaches Datenhandling zwischen den Rechnern realisieren
l Automatisches Erzeugen der Führungsprotokolle und des CAA-Datensatzes.
Lösung
Beim neuen Verfahren wird eine Referenz-Meßplatte aus besonders temperaturstabiler Glaskeramik eingesetzt. Sie verfügt über kreisrunde Bohrungen mit Antastelementen, die mit dem Tastkopf des Koordinatenmeßgerätes abgefahren werden. Die Mittelpunkte der Antastelemente sind mikrometergenau kalibriert. Diese Referenz-Meßplatte wird in mindestens vier Stellungen im Meßvolumen des KMG gemessen. Das Verfahren erfordert kein besonderes Know-how mehr, lediglich die Bedienung des KMG mit einem fertigen CNC-Meßablauf. Die Messungen finden nicht mehr berührungsfrei wie beim Laser statt, sondern mit dem Tastkopf am Objekt, genauso wie später der Kunde messen wird. Sie spiegelt somit auch in idealer Weise die Geometrieabweichungen wieder, wie sie bei normalen Messungen wirksam wären. Um möglichst kostengünstig arbeiten zu können, wird nicht für jeden Meßgerätetyp eine eigene Lochplatte angefertigt. Wenige Varianten decken das Zeiss KMG-Spektrum ab.
Die Lochplatten bestehen typischerweise aus zwei etwa 5 mm dicken Quarzglasscheiben . Zwischen diesen Scheiben befinden sich Antastformelemente in Form von Ringen mit sphärischen Innenflächen (Abb. 4). Diese Sandwichplatte ist mit einem steifen Profilrahmen elastisch verbunden. Er garantiert während der Messungen eine ausreichende Lagestabilität und übt gleichzeitig keine Zwänge aus. Der Rahmen dient auch zum Schutz vor Beschädigung und ermöglicht in Verbindung mit Fixierelementen die Aufstellung der Platte im Meßvolumen des KMG.
Einführung in der Serie
Um den o.a. Anforderungsprofilen gerecht werden zu können, wurde ein Projektteam, bestehend aus Mitarbeitern von Qualitätssicherung, Entwicklung und Produktion gegründet.
Die Arbeitspakete waren :
l Untersuchung, Kalibrierung und Weiterentwicklung der Meßplatten
l Realisierung von Meßaufbauten und wirtschaftlichen Meßabläufen
l Realisierung einer ergonomischen Softwarebedienung und Datenkommunikation
l Übergabe an Serienmitarbeiter und Optimierungen
Für den stabilen Meßaufbau der großen Meßplatten (650 mm) wurde im Hinblick auf den wirtschaftlichen Einsatz in der Serie folgende Lösung gefunden:
Ein stabiler, zerlegbarer und universeller Aufbau aus Profilen ermöglicht es, die Platten in der unteren Stellung (Abb. 5) , in der oberen Stellung (Abb. 6) und in den vertikalen Stellungen (vgl. Abb. 1) sicher zu fixieren. Außerdem ist ein Umbau durch 1 Person möglich (Abb. 7).
Wirtschaftlichkeit
Neben deutlich geringeren Investitionskosten gegenüber Laserinterferometern sind die verkürzten Meßzeiten die Hauptrationalisierungfaktoren. Das relativ geringe Gewicht und der niedrige thermische Ausdehnungskoeffizient tragen zum einen dazu bei, die Wartezeiten bis zum thermischen Gleichgewicht zu reduzieren, und zum anderen, die Auswirkungen der Temperaturmeßunsicherheit zu eliminieren. Eine vollständige Analyse der 21 Abweichungskomponenten ist somit bei gleicher Genauigkeit einfacher und schneller durchführbar als mit Laserinterferometern etc. Man benötigte bisher für die vollständige geometrische Untersuchung eine KMG auf alle 21 Abweichungskomponenten hin mit den gängigen Verfahren mehrere Tage. Demgegenüber ist der Aufwand mit dem Plattenverfahren (mit an das Meßvolumen angepaßten Kugelplatten) deutlich geringer.
Der Einsatz von Lochplatten bei Carl Zeiss zur Bestimmung von Führungsabeichungen hat in der Zwischenzeit einen Reifegrad erreicht, der weit über das Prototypstadium hinausgeht.
Im Hinblick auf Plattenstabilität, Handling und Bedienung kann man von einer Serienreife sprechen. Bei der Flexibilität und dem Einsatz an großen KMG ist der Laser auch heute noch das universelle, ‘dimensionslose“ Meßmittel, das es erlaubt, alle Meßvolumina umfassend abzudecken. Es ist zwar durch eine vielfache Überlappungsmessung von Lochplatten ebenfalls möglich, auch große Meßvolumen zu überbrücken, jedoch sprechen heute die Einbußen an Genauigkeit und Wirtschaftlichkeit noch dagegen. Man hat sich derzeit entschieden, einzelne KMG-Varianten mit dem Plattenverfahren abzudecken, während genauere und große KMG-Typen über das Laserverfahren gemessen werden.
Kugelplatten erlauben darüber hinaus – wesentlich besser als andere Normale – die detaillierte Analyse der 21 Geometrie-Abweichungskomponenten der Geräte entsprechend VDINDE 2617. Die auf Plattenmessungen aufbauende Analyse ist genügend umfassend und aussagekräftig, so daß mit ihren Ergebnissen auch die Prüfungen mit fast allen anderen Arten von Normalen rechnerisch simuliert werden können . Jedoch müssen die Normgremien einem Einsatz dieser Platten als rechtsgültiges Abnahmemedium z.B. als Endmaß -Ersatz noch zustimmen. Als künftiger universeller Einsatz dieser Platten ist denkbar:
l in der Serienfertigung zur Geräteoptimierung,
l beim Service zur Abnahme und
l beim Kunden zur Geräteüberwachung
Literatur :
1. Breyer K.H. Wann nutzt die rechnerische Korrektur dem Anwender von Koordinatenmeßgeräten
Kontakt und Studium – Band 172 –
Expert Verlag
2. Bösser F. / Trenk M.
Referenz-Kugelplatten mit hoher Stützstellendichte
QZ 42 /1997 – Carl Hanser Verlag
  • 3. Kugelplatten der zweiten Generation – Kontrolle 7-8/96
  • 4. Kitzsteiner F. Löcher statt Laser – Zeiss im Bild 10/97 (interne Publikation)
Trapet E., Wäldele F. A reference object based method to determine the parametric error components of coordinate measuring machines and machine tools
– Measurement, Vol 9 No 1, Jan-Mar 1991
CONTROL Halle 1 / D 250 – 252
Weitere Informationen A QE 409
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