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Fachwissen für die Branche

Forum zeigt die Möglichkeiten für die Qualitätssicherung in der Medizintechnik
Fachwissen für die Branche

Die Herausforderungen sind groß an das Qualitätswesen bei der Herstellung von Medizinprodukten, wie das Forum „Medtech meets Quality“ zeigte. Doch die Veranstaltung machte auch deutlich: Es gibt leistungsfähige technische Lösungen, welche die Unternehmen dabei unterstützen, sowie Normen, die Orientierung bieten.

Druck verspüren die Unternehmen der Medizinbranche gleich von mehreren Seiten. Zum einen müssen sie eine große Zahl gesetzlicher Regelungen und Normen erfüllen. Zum anderen müssen sie möglichst effizient produzieren, um sich im Wettbewerb behaupten zu können. Wie sie sich in Sachen Qualitätsmanagement und -sicherung optimal aufstellen sollten, um in diesem Spannungsfeld zu bestehen, zeigte das Forum Medtech meets Quality, das Quality Engineering gemeinsam mit der Fachzeitschrift medizin&technik im Dezember veranstaltete.

Wichtige Basis, um mehr Qualität zu produzieren, sind zunächst eine konsequente Fehlervermeidung sowie ein durchgängiges Qualitätsmanagement, wie Jörg Schneider verdeutlichte. Er ist beim CAQ-Anbieter iqs für den Vertrieb zuständig. Seiner Erfahrung nach arbeiten auch in der Medizinbranche viele Unternehmen im Qualitätsmanagement noch mit MS-Office-Anwendungen oder haben verschiedene Software-Systeme als Insellösungen im Einsatz. Diese würden die relevanten Prozesse nur unzureichend unterstützen, so Schneider.
Seiner Meinung nach brauchen Firmen eine umfassende CAQ-Software, welche alle wichtigen Bereiche des Qualitätsmanagements abdeckt. Wichtiges Element ist dabei die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA). Sie ist Dreh- und Angelpunkt zur effektiven Fehlervermeidung.
Ziel eines umfassenden CAQ-Systems ist es, einen Regelkreis der Qualität aufzubauen. Der sorgt zum Beispiel dafür, dass alle Reklamationen und Abweichungen, die im Laufe eines Produktlebenszyklus auftreten, automatisch auch zu einer Anpassung der entsprechenden FMEA führen. Sämtliche Erfahrungen aus der Produktion werden in der FMEA gesammelt und diese wird zum Wissensspeicher des Unternehmens. Jede neue zu erstellende FMEA kann auf das ganze Qualitäts-Know-how der Firma zugreifen.
Eine wichtige Funktion der FMEA ist laut Schneider die Risikobewertung. „Weil die FMEA ständig mit der Realität abgeglichen wird, sind die Risikobewertungen keine Spekulation, sondern durch empirische Daten früherer Produktionszyklen belegt“, erklärt Schneider. Das sei insofern wichtig, da in der Revision der ISO 9001:2015 ein höheres Augenmerk auf die Risikobewertung gelegt wird.
Fokus auf das Risikomanagement
Das Thema Risiko spielt aber auch in einer anderen Norm eine wichtigere Rolle – nämlich in der Novelle der ISO 13485, der Richtlinie für Medizinprodukte und Qualitätsmanagement-Systeme. So wies Werner Kexel darauf hin, dass die wesentliche Neuerung des Updatesim deutlich stärkeren Fokus auf das Risikomanagement liege.
„Schon bei der Definition des Anwendungsbereichs ergänzt die neue Version die Anwendungsbereiche Produktkonformität und Verbesserungsmaßnahmen durch den Begriff des Risikomanagements, der sowohl die Betrachtung und Evaluation von Produkt- als auch von Prozessrisiken umfasst“, so Kexel, der beim TÜV Hessen als stellvertretender Zertifizierungsstellenleiter tätig ist.
Das Risikomanagement, wie es in der Norm vorgesehen ist, soll sich laut Kexel auf alle relevanten Produkte und Prozesse beziehen. Damit nähere sich die von 2003 datierende ISO 13485 der 2008er Version der ISO 9001 an.
Neben der Management-Seite hat aber nach wie vor die Hardware eine wichtigen Anteil daran, die Qualität von Medizinprodukten sicherzustellen. So erklärte etwa Andreas Flechtmann, wie Multisensor-Koordinatenmessgeräte durch den Einsatz geeigneter Sensorik und entsprechender Software-Tools die heutigen Aufgaben in der Medizintechnik erfüllen. „Sie werden heute unter anderem zur Prüfung von Komponenten für Inhalatoren und Insulinpens, Injektionssystemen, Mikrozahnrädern, Stents und Implantaten eingesetzt“, so Flechtmann, der bei Werth den Vertrieb leitet.
Zum Einsatz kommen sowohl optische als auch taktile Sensoren. Vorteile bietet aber auch die Kombination der beiden Technologien. Sie vereint die Vorzüge aus optischer Auswertung und berührender Messung. Werth bietet dafür Fasertaster, die mit Kugeldurchmessern von 20 μm bis 500 μm einerseits kleinste Strukturen präzise messen und andererseits eine nahezu berührungslose Antastung erlauben.
Dies wird laut Fechtmann dadurch möglich, dass die Auslenkung des Fasertasters nicht mechanisch über den Schaft des Tasters erfasst wird, sondern optisch über die Bildverarbeitung. Der Schaft ist flexibel und erhöht die Bruchfestigkeit und somit die Anwenderfreundlichkeit des Fasertasters gegenüber konventionellen Mikrotastern.
Für medizintechnische Produkte mit sehr spezifischen Anforderungen eignet sich nach Meinung von Jimmy Tjandra sich die optische Wellenmesstechnik. Dazu zählt er unter anderem Dentalimplantate sowie rotierende, chirurgische Instrumente. Diese seien äußerst komplex und müssten zudem in vielen unterschiedlichen Größen angefertigt werden.
„Für die Qualitätssicherung stellt diese Art der flexiblen Fertigung eine große Herausforderung dar“, so Tjandra, Branchenmanager Medizintechnik bei Jenoptik. Hohe Zuverlässigkeiten, schnelle Messabläufe in fertigungsnaher Umgebung sowie Toleranzen im mm-Bereich gehörten zu den Grundanforderungen an die Messtechnik. Darüber hinaus müssten vielfältige Messaufgaben bewältigt und protokolliert werden.
Für solche Aufgaben entwickelt die Jenoptik-Sparte Industrielle Messtechnik hochpräzise, optisch-berührungslose Wellenmessgeräte. Mit den Systemen der Hommel-Etamic Opticline-Serie können laut Tjandra Dimensionen wie Durchmesser und Abstände genauso gemessen werden wie Winkel oder Radien.
Eine weitere Technologie, die in der Produktion medizinischer Geräte eine Rolle spielt, ist die Mikroskopie. Sie komme zum Einsatz, wenn es um die Reinheit der Produkte geht, wie Jati Kastanja, Produktmanagerin bei Zeiss Microscopy. Mithilfe der Technologie lässt sich die partikuläre Sauberkeit detailliert beschreiben.
Dabei werden die Licht- sowie die Rasterelektronenmikroskopie mit der energiedispersiven Röntgenspektroskopie kombiniert. Ziel ist es, einen vom Bauteil abgelösten Partikel im Lichtmikroskop darzustellen und die Materialzusammensetzung mit dem Elektronenmikroskop zu bestimmen.
In Sachen Sauberkeit gibt es nach Meinung von Markus Rochowicz jedoch ein Problem. Es fehle an allgemeingültigen, normativen Vorgaben, welche Reinheitsanforderungen in der Produktion einzuhalten sind. „Medizintechnikunternehmen müssen sich daher aktuell eigenverantwortlich mit dem Thema beschäftigen“, so Rochowicz, Leiter Reinst- und Mikroproduktion am Fraunhofer IPA (Institut für Produktionstechnik und Automatisierung). Im Umgang mit dem Thema Reinheit herrsche daher derzeit eine große Unsicherheit in der Branche.
Um dies zu ändern, wurde der Industrieverbund Mediclean gegründet. Ziel ist es, die wichtigsten Fragestellungen zur Reinheit zu diskutieren und die Standardisierung voranzutreiben. Mediclean wird vom Fraunhofer IPA fachlich und organisatorisch geleitet. Zur Zeit beteiligen sich 18 Unternehmen an dem Verbund.
An Industrie 4.0 führt kein Weg vorbei
Neben Fragen zur Sauberkeit treibt aber auch ein aktuelles Trendthema die Medizinbranche um: Industrie 4.0. „Getrieben von der durchgehenden Digitalisierung der Wirtschaft und der umfassenden Nutzung des Internets als Kooperationsplattform können sich Medizintechnikunternehmen dem Thema Industrie 4.0 kaum entziehen“, sagt dazu Thomas Wille, Geschäftsführer des Beratungshauses Argosconsult. Das Internet der Dinge, Losgröße 1 sowie die vernetzte kooperative Wertschöpfung seien dabei die bestimmenden Themen.
Sämtliche Entscheidungen in Zusammenhang mit Industrie 4.0 sollten sich laut Wille an den acht TQM-Grundsätzen der DIN:EN 9001:2008 orientieren. Dazu zählen unter anderem Kundenorientierung, Führung, Einbeziehung der Personen, prozessorientierter Ansatz und systemorientierter Managementansatz. Die Anwendung dieser Grundsätze könne nur durch das Qualitätsmanagement gesichert werden, indem dieses die Gestaltung der Industrie-4.0-Prozesse nicht nur begleitet sondern inhaltlich mitbestimmt. ■
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