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Fertigungsbegleitende Qualitätssicherung

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Fertigungsbegleitende Qualitätssicherung

Fertigungsbegleitende Qualitätssicherung
Bild 1: Bauteilprüfung im Robotergreifer
Die Qualität von tiefgezogenen Blechbauteilen lässt sich mit einem neu entwickelten Prüfverfahren fertigungsbegleitend innerhalb weniger Millisekunden zerstörungsfrei ermitteln. Das Verfahren basiert auf der Auswertung eines mechanischen Impulses, mit dem die Struktur angeregt wird. Aufgrund des robusten Aufbaus des Systems und der guten Automatisierbarkeit des schnellen Prüfvorganges eignet sich das Verfahren gut für eine Vollprüfung in der Serienfertigung.

Dipl.-Ing. Konrad Dengler, Fachjournalist und Fachübersetzer, Großenseebach/Erlangen

Das Prüfprinzip
Der Ablauf des Prüfvorgangs ist vergleichbar mit der Warenkontrolle einer Verkäuferin im Porzellanladen. Sie schlägt die Porzellantasse mit dem Fingerknöchel oder mit einem Ring an, um deren Qualität zu prüfen. An der Klangfarbe erkennt die geschulte Verkäuferin eine defekte Tasse. Der zu prüfende Gegenstand wird mit einem mechanischen Impuls angeregt, das Antwortsignal mit dem Ohr aufgenommen und bewertet.
Das hier vorgestellte Prüfverfahren bewertet bereits den Anregungsimpuls. Dadurch kann auf das „Ohr“ verzichtet und somit störende Umwelteinflüsse wie Lärm oder Erschütterungen auf das Meßergebnis ausgeschlossen werden. Die anschließende Beurteilung des zu prüfenden Gegenstands basiert auf der Auswertung signifikanter Signalanteile des Impulskraftverlaufs der Bauteilanregung.
Diese Prüfung dauert nur so lange wie der Anregungsimpuls, der bei harten Gegenständen wie der erwähnten Tasse oder Blechbauteilen etwa 1 bis 10 Millisekunden andauert. Bei den in Bild 3 dargestellten Signalverläufen für tiefgezogene Blechbauteile liegt die Impulsdauer der Gutteile bei 2,7 ms. Die ermittelte Impulszeit eines gerissenen Bauteils ist mit ca. 4,8 ms fast doppelt so lang.
Aufbau des Systems
Das Prüfsystem besteht aus einem elektromagnetischen Impulshammer (Aktuator-Sensorsystem) [1] zur automatisierten Anregung des Bauteils und der Ansteuereinheit, welche die Energieversorgung und Ansteuerung des Aktuator-Sensorsystems übernimmt [2a] sowie die Meßdatenerfassung und Weiterverarbeitung [2b] des Impulskraftsignals enthält, Bild 2. Das stand-alone System kann die Prüfergebnisse optisch, akustisch oder auf einem PC darstellen. Zur Einbindung in Netzwerke steht eine Ethernet-Schnittstelle zur Verfügung.
Für die definierte Anregung der Struktur können mehrere Anregungsprinzipien eingesetzt werden. In Abhängigkeit von der benötigten Impulsenergie werden zur Anregung sowohl elektromagnetisch arbeitende als auch piezoelektrische Aktuator-Sensorsysteme eingesetzt. Diese Anregungseinheiten zeichnen sich durch die Kombination eines Aktuators mit einem modifizierten Stößel aus, der über eine integrierte Sensorik zur Erfassung des Impulskraftverlaufs verfügt.
Das eingesetzte Meßsystem digitalisiert den erfaßten Signalverlauf des in die Struktur eingebrachten Kraftimpulses und ermöglicht eine schnelle Verarbeitung der aufgenommenen Daten.
Für die Umsetzung komplexer Auswertealgorithmen ist das System mit einem digitalen Signalprozessor ausgerüstet. Je nach Anwendungsfall kann das Prüfergebnis durch optische oder akustische Signale dem Maschinenbediener mitgeteilt werden. Die Netzwerkfähigkeit des Systems ermöglicht neben der direkten Kommunikation mit der Steuerung einer automatisierten Fertigungsanlage auch die Einbindung des Prüfsystems in bestehende übergeordnete Qualitätssicherungssysteme.
Die Auswertung
Die Dauer der Anregungsimpulse ist abhängig von der dynamischen Bauteilsteifigkeit. Bei gerissenen Bauteilen weist das Anregungssignal in der Regel eine längere Impulsdauer auf und unterscheidet sich, wie in Bild 3 dargestellt, auch qualitativ eindeutig von den an Gutteilen ermittelten Impulskraftsignalen.
Bei der Systemkonfiguration werden im Rahmen von Vorversuchen geeignete Bewertungskriterien ermittelt und auf den speziellen Anwendungsfall angepaßt. Bei der Bestimmung der vorhandenen Bauteilqualität werden die gemessenen Impulskraftsignale anhand der entwickelten Auswertealgorithmen bewertet. Die dabei erzielte Bewertungskennzahl erlaubt eine eindeutige Aussage über die vorliegende Bauteilqualität.
Diese Bewertung erfolgt bei der Prüfung innerhalb weniger Millisekunden und führt beispielsweise bei tiefgezogenen Blechbauteilen zu einer Aussage über die vorliegende Qualität in dem überprüften riß- und einschnürungsgefährdeten Bereich.
Für die Auswertung komplexer Signalverläufe steht eine Vielzahl von Auswertealgorithmen zur Verfügung, die den Erfordernissen angepaßt und so kombiniert werden können, daß ein robustes Prüfsystem zur Verfügung steht.
Die Anwendung
Die Prüfung von tiefgezogenen Blechbauteilen auf Einschnürungen und Risse mit Hilfe von Kraftimpulsen kann prozeßbegleitend im Anschluß an kritische Prozeßschritte wie beim Tiefziehen erfolgen. Für eine Vollprüfung in der Serie lässt sich der automatisierte Impulshammer (Aktuator-Sensorsystem) in die vorhandenen Handhabungssysteme zwischen den einzelnen Prozeßstufen integrieren. Die Prüfung der Bauteilqualität erfolgt dann während der Bauteilhandhabung zwischen zwei Pressenstufen. Durch diese Maßnahme werden Robotergreifer oder Feeder zu einer handhabenden Prüfstation ausgebaut, Bild 1. Für eine Bauteilprüfung stehen an konventionellen Pressenstraßen bei Taktzeiten von bis zu 10 Hüben pro Minute ca. drei Sekunden zur Verfügung. Bei einer Impulsdauer von ca. 1-10 ms kann die Prüfung theoretisch mehrere hundert Mal während eines Handhabungsvorgangs durchgeführt werden ohne die Prozeßzeiten zu verlängern.
Die zerstörungsfreie Bauteilprüfung ermöglicht eine Aussage über die Bauteilqualität, bevor das Ziehteil die Pressenstraße verläßt. Gerissene Blechbauteile können sofort aussortiert werden, Werkzeugschäden und ein erhöhter Verschleiß in den Folgewerkzeugen werden vermieden. Durch die Möglichkeit Prozeßparameter zu korrigieren, kann die Ausschußmenge reduziert werden. Insbesondere wird durch die Prüfung jedes Teils der Durchschlupf defekter Tiefziehteile verhindert. Dadurch werden die hohen Folgekosten vermieden, die beim weiteren Verbauen eines defekten Tiefziehteils entstehen.
Eigenschaften des Verfahrens
Die schnelle Signalauswertung erfasst Steifigkeitsänderungen im geprüften Bereich aller geprüften Bauteile. Da neben Rissen und Dünnzug auch Blechdickenschwankungen des Halbzeugs und Geometrieabweichungen das Prüfergebnis beeinflussen, kann die statistische Verteilung der einzelnen Prüfergebnisse zur Beurteilung des gesamten Fertigungsprozesses herangezogen werden. Auf diesem Wege erhält man neben der konkreten Aussage über den Zustand des Einzelteils Informationen über den Gesamtprozeß, Trends oder sprunghafte Veränderungen des Fertigungssystems, siehe Bild 4. Es zeigt die Verteilung der Werte einer ermittelten Bewertungskennzahl, die für das geprüfte tiefgezogene Blechbauteil aus zwei Merkmalen des Impulskraftverlaufs berechnet wurde. Die Bewertungsgrenze kann in der Regel nach 20 – 50, mit großer Sicherheit jedoch nach 300 bis 400 Prüfungen festgesetzt werden, so daß der Einrichtprozeß für das Prüfsystem bei einem Pressentakt von 10 Hüben/Minute nach spätestens einer Stunde abgeschlossen ist.
Das Verfahren arbeitet werkstoffunabhängig. Somit existieren neben der Blechumformung zahlreiche weitere Anwendungsfelder. Insbesondere Kombinationen unterschiedlicher Werkstoffe und Fügeverbindungen sind hier zu nennen. Auch montierte oder bereits lackierte Baugruppen können beispielsweise auf Vollständigkeit geprüft werden, denn die Oberfläche erfährt bei der Prüfung keine Beschädigung.
Die Grenzen des Verfahrens werden erreicht, wenn sich die auftretenden Fehler oder Veränderungen des zu prüfenden Teiles nicht auf die Bauteilsteifigkeit auswirken.
In den Fällen, in denen die Bauteilsteifigkeit das entscheidende Qualitätskriterium darstellt, ist das beschriebene Verfahren das einzige direkt messende zerstörungsfreie Prüfverfahren, das zur Zeit verfügbar ist.
Ausblick
Von den vielen Einsatzmöglichkeiten des Verfahrens wurden erst wenige erprobt.
In der Serienfertigung von Blechteilen im Automobilbau wird das Prüfverfahren bereits erfolgreich eingesetzt. Neben der zerstörungsfreien Prüfung von Fügeverbindungen wie MAG-Schweißnähten, Schweißpunkten, Nieten und durchsetzgefügten Teilen wurde das Verfahren auch schon bei der Vollständigkeitskontrolle endmontierter Baugruppen erfolgreich erprobt. Auch Zustände wie die Füllstandskontrolle lassen sich mit diesen Systemen schnell ermitteln.
Bei Anwendungen im Bereich der Kunststoffverarbeitung wurde mit dem Verfahren der Fasergehalt und die mittlere Faserlänge in Bauteilen aus faserverstärkten Thermoplasten zerstörungsfrei ermittelt.
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