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Ganzheitlich prüfen

Akustische Prüfung
Ganzheitlich prüfen

Rationelle Prüfsysteme spielen bei modernen Fertigungsprozessen eine immer größere Rolle. Nicht zuletzt durch ISO 9000 ff. sowie Randbedingungen wie Just-in-Time-Vorgaben werden Hersteller zu immer höherer Qualität bis hin zur Null-Fehler-Produktion verpflichtet.

Dipl.-Ing. (FH) Dietrich Homburg und Dipl.-Ing. (FH) Volker Paroth, beide RBS, Stutensee

Bemerkenswert ist, daß bei zahlreichen gehobenen Gebrauchsgütern neben der eigentlichen Funktionalität die Geräuschcharakteristik ein wesentliches Qualitätsmerkmal ist. Dies sachgerecht und zuverlässig zu prüfen erfordert jedoch spe-zielles Know-how. Wie so oft spielt die Automobilbranche wieder einmal die technologische Vorreiterrolle. Die Sitze in unseren Autos bestehen schon lange nicht mehr nur aus einem mehr oder weniger aufwendig gepolsterten Stahlrohrrahmen. Qualität, Sicherheit, Ergonomie und Design stehen heute gleichermaßen im Mit-telpunkt, der moderne Mensch verbringt immerhin einen beträchtlichen Teil seines Lebens auf der Straße – Tendenz steigend. Waren elektrisch verstellbare Sitze vor Jahren nur in Wagen der Oberklasse zu finden, so erschließt sich inzwischen eine wesentlich breitere Anwendungsschicht. Kunden haben heute ein anderes Komfortbewußtsein und die Wettbewerbs-situation tut ihr übriges, um die Schraube weiter zu drehen. So haben sich Autositze zu hochkomplexen Produkten entwickelt. Häufig sind Sicherheitselemente wie Seitenairbag direkt im Sitz integriert. Belegungsmatten in Beifahrersitzen sorgen dafür, daß im Crashfall der Airbag dort nur auslöst, wenn der Sitz tatsächlich belegt ist. Die Lordose (Rückenwölbung) ist pneumatisch oder elektrisch verstellbar und eine Sitzheizung darf selbstverständlich auch nicht fehlen. Gleichzeitig müssen die Konstruktionen einerseits leicht sein und andererseits hohen Festigkeits- und Sicherheitsanforderungen gerecht werden.
Rechnung nicht ohne dieAkustik machen
Vordergründig liegt das Hauptaugenmerk beim modernen Autositz sicher auf komfortabler Sitzkultur, Funktionalität und optischem Design. Doch gerade bei elektrisch verstellbaren Sitzen, die teilweise über bis zu acht Verstellmotoren mit unterschiedlichsten Getrieben verfügen, darf man die Rechnung nicht ohne die Akustik machen: Automobil- und Sitzhersteller investieren einen erheb-lichen Aufwand in die Klangqualität der elektromagnetischen Verstellantriebe. Dies leuchtet schnell ein, wenn man sich in einen potentiellen Käufer hineinversetzt: Einer der ersten Eindrücke vom neuen Wagen bekommt er beim Einstellen der Sitze vor der Probefahrt. Was ein unangenehmer, billiger Klang in dieser Situation bewirkt, kann selbst durch andere Vorzüge nicht mehr wett- gemacht werden. Wir alle lassen uns – bewußt oder unbewußt – stark durch die wahrgenommenen Klänge und Geräusche in unserem Empfinden beeinflussen. Sympathie oder Ablehnung sind letztlich die Reaktionen. Dieser psychoakustischen Herausforderung müssen sich die Hersteller zahlreicher Gebrauchs- und Luxusgüter heute stellen. Um diesen Anforderungen im Herstellungsprozeß gerecht zu werden, bedarf es neben einer umfassenden Gesamtkonzeption, einer detaillierten Entwicklung und effizienter Fertigung auch zeitgemäßer und leistungsfähiger Prüftechnik. RTE (Real Time Engineering) liefert Prüfsysteme, die alle Belange der Funktions-, Geräusch- und subjektiven Prüfungen gleichermaßen abdecken. Die Lösungen basieren auf dem Prüfsystem Prodias, das nicht nur für die einzelnen Tests verantwortlich ist, sondern den kompletten Ablauf steuert. Philosophie der Spezialisten ist es, den gesamten Montagevorgang von der Einzelkomponente bis zum fertigen Produkt zu begleiten und gewissermaßen entlang der Wertschöpfungskette zu prüfen: zuerst die Motoren einzeln, dann Antriebe plus Getriebe zusammen, bis zum kompletten Sitz, nachdem die vorgefertigten Einzelteile wie Sitzkörper, Lehnenkörper und Unterbau in der Montage verheiratet worden sind. Fehler und Unregelmäßigkeiten offenbaren sich frühzeitig, man kann flexibel reagieren und die Kosten der Fehlerbeseitigung niedrig halten.
Dummy ersetzt Prüfer
Die Liste der typischen Prüfmerkmale eines elektrisch verstellbaren Sitzes ist umfangreich und reicht von Stromaufnahme, Drehzahl, Drehmoment und Kraft über Verfahrwege, -zeiten und -winkel bis hin zur Durchgangsprüfung der Sitzheizung sowie der elektronischen Simulation von Betätigungsschaltern. Sicherheitstechnisch bedeutsam ist weiterhin das Überprüfen der Memoryfunktion und der Sitzbelegungsschalter für die Airbagauslösung. Für verschiedene Fahrer gespeicherte Positionen müssen sicher wiederhergestellt und arretiert werden. Nicht auszudenken, wenn das System während der Fahrt außer Kontrolle gerät und im schlimmsten Fall gar das Bremspedal nicht mehr erreichbar ist. Die Zuverlässigkeit des Airbagsystems schließlich kann über Leben und Tod entscheiden. Bis auf die subjektive Prüfung, bei der der Prüfer die wichtigsten Teile auf Sicht checkt, laufen die meisten der Tests vollautomatisch ab.
Ein Dummy ahmt die Bewegungen und den Druck des menschlichen Körpers auf den Sitz nach. Gleichzeitig prüft die Anlage ohne menschlichen Eingriff die Funktionen aller Komponenten, wobei auch die Betätigung der Schalter simuliert wird. Vor nicht allzulanger Zeit mußten sich noch Mitarbeiter selbst in jeden Sitz setzen, alle Funktionen durchspielen und sogar die Geräuschentwicklung beurteilen. Es liegt auf der Hand, daß solch ein subjektives Vorgehen mit zahlreichen Nachteilen verbunden ist. Jetzt beschränkt sich der subjektive Teil auf wenige Sichtprüfungen. Ein Monitor zeigt ein Bild des Prüflings, während mit einem Pfeil die zu beurteilenden Stellen optisch hervorgehoben werden. Der Prüfer quittiert nun jeweils mit einem Schalter für In Ordnung oder Nicht in Ordnung.
Die „psychoakustischeHerausforderung“ meistern
Viel Untersuchungs- und Beratungsaufwand steckt in dem Spezialgebiet Geräuschprüfung, wenn man die Psychoakustik als Grenzdisziplin zwischen Akustik, Hörpsychologie und Gehörphysiologie gebührend berücksichtigt. Wesentlich für eine erfolgreiche akustische Prüftechnik ist, daß keine Montage- und Fertigungsfehler zu störenden Geräuschen aufgrund von Schwingungen in der Fahrzeugstruktur führen. Die Probleme sind weniger physikalischer oder meßtechnischer Natur, sondern betreffen vorwiegend Fragen rund um die Definition der Prüfvorgaben, denn als Referenz stehen nur die subjektiven Wahrnehmungen der Prüfer zur Verfügung. Das Prüfergebnis der Fertigung muß mit der Beurteilung der Prüfer des Automobilherstellers korrelieren. Hier macht sich das Know-how der Spezialisten bezahlt. Sie klären im Vorfeld beispielsweise, welche Merkmale einen Sitz zu einem schlechten Sitz machen, legen fest, welche Prüfverfahren sinnvoll sind und setzen die Untersuchungsergebnisse in konkrete Prüfvorgaben und -parameter um. Man braucht Klarheit, welche Herstellungsparameter für bestimmte Eigenschaften verantwortlich sind, um höchste Qualität im Dienst der Sicherheit, des Komforts und Geräuschempfindens zu produzieren. Die Prüfsysteme sind komplett in die Produktplanungs- und Fertigungsleit-systeme des Herstellers und gegebenenfalls auch des Kunden eingebunden, z.B. um Just-In-Time-Aufträge elektronisch zu empfangen. Alle Prüfergebnisse werden gespeichert und archiviert. Es kann z.B. vorkommen, daß aufgrund der relativ großen Toleranzen einer Autokarosserie Probleme nach dem Einbau beim Kunden auftreten. Durch genaue Dokumentation kann der Zulieferer in solchen Fällen nachweisen, daß sein Produkt 100 % fehlerfrei ausgeliefert wurde und Fehlerursachen woanders zu suchen sind.
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