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Genauigkeit bei der Kraftmessung

Kleinerer Messfehler erhöht die Produktivität
Genauigkeit bei der Kraftmessung

Eine Messung kann nie exakt den wirklichen physikalischen Wert bestimmen. Ein Messfehler, der gemäß DIN-Norm genau genommen Messabweichung genannt werden muss, ist immer vorhanden. Moderne Messtechnik ist je nach Anwendungsfall immer darauf bedacht, diesen Messfehler so gering wie möglich zu halten. Welche Einflüsse hierbei zu berücksichtigen sind und wie der Messfehler minimiert werden kann, lässt sich am Beispiel von Kraftmessungen auf der Basis von Dehnungsmessstreifen (DMS) demonstrieren.

Wenn man die Genauigkeit bei einer Messung steigern kann, also den Messfehler minimiert, ist dies nicht nur rein von akademischem Interesse. Als Beispiel soll hier eine Messung zur Qualitätskontrolle dienen, wie sie in Bild 1 dargestellt ist. Auf der x-Achse ist eine zu messende Kraft aufgetragen, die als Maß dafür dient, ob ein produziertes Teil in Ordnung bzw. fehlerhaft ist. Auf der y-Achse ist die Anzahl der produzierten Bauteile gezeigt. Die Streuung der produzierten Teile verteilt sich nach den Gesetzmäßigkeiten der gaußschen Glockenkurve. Auf den Diagrammen sind jeweils grüne Linien eingetragen, die die erlaubten Toleranzen zeigen, rechts und links dieser Grenzen ist in rot die Messunsicherheit der Kraftmessung abzulesen. Um eine Beurteilung der produzierten Teile durchzuführen, dürfen nur die Bauteile als „in Ordnung“ gewertet werden, die innerhalb des Sollbereiches abzüglich der Messunsicherheit liegen. In den Diagrammen ist dies durch die blau schraffierte Linie symbolisiert. Man erkennt, das die Anzahl der als „in Ordnung“ gewerteten Teile steigt, wenn die Messung genauer ist. Ein kleinerer Messfehler trägt also zu einer Steigerung der Produktivität bei.

Kraftaufnehmer auf Basis von Dehnungsmessstreifen
Am Beispiel von Kraftaufnehmern, die mit Dehnungsmessstreifen (DMS) arbeiten, lässt sich zeigen, welche Effekte den Messfehler beeinflussen. Kraftaufnehmer auf Basis von Dehnungsmessstreifen haben einen so genannten Federkörper oder Verformungskörper, in den die zu messenden Kräfte eingeleitet werden. Wenn sich der Federkörper verformt, entstehen dadurch an der Oberfläche Dehnungen, die mit den DMS gemessen werden. Die Aufgabe des Federkörpers ist es also, die zu messende Kräfte in Dehnungen umzuwandeln. Besonders wichtig sind dabei zwei Faktoren: Einerseits soll die entstehende Dehnung reproduzierbar sein. Wenn also mehrmals hintereinander die gleiche Kraft wirkt, soll daraus auch die gleiche Dehnung an der Oberfläche resultieren. Der zweite wichtige Faktor ist die Linearität, dass heißt die gemessene Dehnung soll proportional zur eingeleiteten Kraft sein. Mit Auswahl von Material und Design eines Federkörpers legt man solche und andere Eigenschaften eines Kraftaufnehmers fest.
Das eigentliche Sensorelement ist der Dehnungsmessstreifen. Diese Elemente bestehen aus einer Isolierschicht, dem so genannten Träger, auf dem ein Messgitter aufgebracht ist. Solche Dehnungsmessstreifen werden an geeigneter Stelle auf den Federkörper geklebt. Dabei werden in der Regel vier DMS verwendet, von denen zwei so installiert werden, dass sie unter Einwirkung einer Kraft gedehnt werden. Die beiden anderen DMS werden gestaucht. Die vier DMS werden als Wheatstone-Brücke verschaltet, die mit einer Speisespannung versorgt wird. Alternativ sind auch Kraftaufnehmer möglich die mehr als vier (acht, 12 usw.) DMS enthalten. Eine Ausgangsspannung entsteht immer dann, wenn die vier Widerstände unterschiedlich sind: zum Beispiel wenn sich der Widerstand der DMS durch eine durch eine Kraft verursachten Dehnung ändert. Das Ausgangssignal hängt von der Widerstandsänderung der DMS ab, die vom Betrag der Dehnung und damit direkt von der eingeleiteten Kraft abhängt. Die Nennkraft des Aufnehmers wird nur durch die Steifigkeit des Federköpers bestimmt. Mit diesem Prinzip lassen sich kostengünstig Kraftaufnehmer herstellen, die gleichzeitig sehr genau sind.
Das Prinzip ist millionenfach bewährt und bietet zahlreiche Vorzüge. Die Brückenschaltung verhindert, dass ein Signal entsteht, wenn sich die Widerstände der einzelnen DMS in die gleiche Richtung und mit dem gleichen Betrag ändern. Damit werden viele Fehlerquellen wirkungsvoll kompensiert. Insbesondere der Einfluss der Temperatur auf den Nullpunkt (TK0) kann damit minimiert werden. Jeder DMS zeigt bei Temperaturänderung ein Ausgangssignal – die so genannte scheinbare Dehnung. Die Kompensationswirkung der Wheatstone-Brücke ergibt sich aus der Tatsache, dass alle vier DMS bei Temperaturänderung hinsichtlich der Richtung und des Betrages der Widerstandsänderung gleich verhalten. Da zwei DMS in der Gleichung positiv und zwei negativ eingehen, ergibt sich bei Temperaturänderung insgesamt nahezu kein Ausgangssignal. Spezielle Nickelelemente, die in die Wheatstone-Brücke geschaltet werden, korrigieren den verbleibenden, kleinen Restfehler. Die Technologie erlaubt darüber hinaus auch die Kompensation von mechanischen Einflüssen, wie Biegemomenten oder Querkräften, die nicht erfasst werden sollen.
Temperaturänderungen haben aber noch weiter gehende Einflüsse auf die Messung. So ändert sich beispielsweise der Elastizitätsmodul der Werkstoffe, wodurch bei gleicher Krafteinwirkung mehr Dehnung entsteht. Zusätzlich ist die Empfindlichkeit der DMS von der Temperatur abhängig. Durch Zuschalten von temperaturabhängigen Widerständen (ebenfalls Nickelelemente) in die Speiseleitung lässt sich die daraus resultierende Temperaturabhängigkeit des Kennwertes abgleichen. Die Widerstände in der Speiseleitung kompensieren dies, in dem die Widerstandserhöhung bei höherer Temperatur zu einem größeren Spannungsabfall führt. Hierdurch verringert sich die Spannung an der Wheatstone-Brücke, in der Folge sinkt das Ausgangssignal.
Linearitätsfehler, die dadurch entstehen, dass sich die geometrische Verhältnisse unter Last ändern, lassen sich durch geschickte Auswahl des Designs des Federkörpers und durch exaktes Positionieren der DMS reduzieren. Bild 2 zeigt eine Zusammenfassung der Kompensationsmöglichkeiten. Neben den oben detaillierter beschriebenen Kompensationsmöglichkeiten von Temperatureinflüssen ist es ohne weiteres möglich, die Linearität abzugleichen sowie einen gewünschten Kennwert durch Abgleich zu erreichen.
Relative und absolute Fehler
Bei Messung mit Kraftaufnehmern auf Basis von DMS unterscheidet man zwei Fehlergruppen: Fehler, die unabhängig von der anliegenden Kraft ein bestimmtes Ausgangssignal erzeugen (lastunabhängige Fehler), und Fehler, deren Größe der im Moment der Betrachtung anliegenden Kraft proportional sind. Der Temperatureinfluss auf den Nullpunkt ist ein Beispiel für einen lastunabhängigen Fehler. Diese Messungenauigkeit weist einen bestimmten Betrag auf, der unabhängig von der gemessenen Kraft ist. Betrachtet man einen solchen Fehler relativ zum Ausgangsignal, so zeigt sich, dass der Einfluss immer dann besonders groß ist, wenn nur ein kleiner Teil der Nennkraft benutzt wird. Der Betrag ist immer gleich, jedoch steigt auf Grund des kleinen Nutzsignals in dieser Situation der relative Anteil. Fehler, die sich mit der Größe des gemessenen Wertes verändern (Istwertbezogene Fehler), werden relativ zum aktuell anliegenden Signal berechnet. Hierunter fällt zum Beispiel die Temperaturabhängigkeit des Kennwertes, das Kriechen oder auch die Toleranz einer eventuell durchgeführten Justage des Kennwertes. Bei einer Betrachtung des Gesamtfehlers werden die Einzelfehler quadratisch addiert. Eine signifikante Verbesserung der Messgenauigkeit lässt sich nur erreichen, wenn die größten Einzelfehler verbessert werden. In vielen Fällen sind TK0 und die Linearität von entscheidender Bedeutung. Da diese Fehler auf den Endwert, d.h. auf das Ausgangssignal bei voller Ausnutzung der Nennkraft bezogen werden, ist eine Verbesserung dieser Paramter besonders effektiv.
Der Kraftaufnehmer S9M von HBM bietet zum Beispiel sehr kleine Fehler durch TK0 und Linearität von nur 200 ppm relativ zum Endwert. Wird ein solcher Kraftaufnehmer bei 20 % der Nennkraft eingesetzt, so liegt der Fehler relativ zur anliegenden Kraft nur bei 0,1%. Der Kraftaufnehmer U10M hat acht DMS pro Wheatstone-Brücke, die so angeordnet sind, dass bei Belastung mit Biegemoment oder auch Temperaturgradienten eine sehr gute Kompensation möglich ist. Ähnlich wie beim TK0 wird bei diesem Kraftaufnehmer das Biegemoment durch einen elektrischen Abgleich minimiert. So steht auch unter Bedingung mit hohen parasitären Lasten ein Aufnehmer zur Verfügung, der die Wheatstone-Brücke zur Kompensation nutzt. Natürlich ist auch hierbei ein Feinabgleich des TK0 realisiert, so dass insgesamt eine Genauigkeitsklasse ab 0,03 angegeben werden kann. Die Eigenschaften solcher Kraftaufnehmer eröffnen neue Anwendungen, bei denen die Genauigkeit weniger im Mittelpunkt steht, als vielmehr die Wirtschaftlichkeit und die Zuverlässigkeit einer Kraftmessung. So kann beispielsweise die Kraftmessung für hohe Überlasten ausgelegt werden, um eine Beschädigung der Kraftaufnehmer zu vermeiden.
Außerdem kann das Anwendungsspektrum der Aufnehmer erweitert werden. Beispielsweise lassen sich verschiedene Messaufgaben bewältigen, ohne den Aufnehmer wechseln zu müssen.
Fazit
Moderne Kraftaufnehmer wie der S9M von HBM erreichen vor allem bei den endwertbezogenen Einflussgrößen auf die Messunsicherheit Genauigkeiten über den Klassenstandard hinaus. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, die Aufnehmer auch im Teillastbereich einzusetzen. Der Messfehler ist dann immer noch sehr klein und gleichzeitig sind die Aufnehmer wirkungsvoll gegen Überlasten geschützt. Dadurch kann eine verbesserte Zuverlässigkeit erreicht werden.
Hottinger Baldwin Messtechnik, www.hbm.com/de
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