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Hauptziel: Leben retten

TQM beim ADAC-Luftrettungswesen
Hauptziel: Leben retten

Nicht nur professionelle Qualitätsmanager können nachvollziehen, welche Bedeutung Qualität im Luftrettungswesen hat. Jörg Adomeit, Sprecher der Geschäftsführung des ADAC, hatte von Anbeginn das Ohr seiner Zuhörer durch Hinweis auf den ungeliebten „Papierkrieg“ im Zusammenhang mit zeitaufwendig zu erstellenden Einsatzprotokollen erreicht.

Dipl.-Ing. Hubertus Felmy, Consultant, Soest

Der Aufwand im Berichtswesen entsteht durch akribisch zu vollziehende Einträge in Bordbücher, medizinische Dokumentation, bis hin zu Flugzeit-, Ruheberichten und Dienstplänen. Anstöße zur Prozessverbesserung kamen von mehreren Seiten.
Hilfeleistung für jedermann
Im ADAC vorhandene Pläne im Sinne von Total Quality Management (TQM) waren Auslöser zur Neuausrichtung der Organisation. Sie galten auch dem Luftrettungsdienst. Die Anstrengungen wurden vom Wunsch der Prozessbeteiligten zur Vereinfachung und der Notwendigkeit begleitet, die Kosten des Luftrettungsdienstes durch Einsparungen in der Verwaltung zu senken, da die Einsatztarife der Krankenkassen für die gemeinnützige Gesellschaft nicht kostendeckend sind. Denn: Hilfe erhält jeder, ohne Ansehen der Person oder Zugehörigkeit zum ADAC. Die Verbesserungen sollten den Kernbereichen im Luftrettungswesen – Flugbetrieb, Technik, Medizin und Organisation — gelten. Dazu gehören gesetzliche oder vertragliche Vorgaben, die Ausrichtung am Kunden, sprich dem Patienten, einschließlich der über Standards hinausgehenden ADAC-Vorstellungen von Qualität.
Einsatzdokumentation
Bis vor knapp sechs Jahren musste die Crew vor ihrem Einsatz, während der Flüge oder danach diverse beleglesbare Formulare ausfüllen. Das war so beliebt wie Schularbeiten, aber unumgänglich. Prozess und Dokumentation der Rettungseinsätze nahmen circa 10 bis 20 Tage in Anspruch. Hinzu kam Zeit für die maschinelle Auswertung, so dass meist ein voller Monat bis zur Rechnungserstellung gegenüber den Vertragspartnern verging. Dadurch litten die Information über das Einsatzgeschehen und die Ertragsfähigkeit.
An erster Stelle, nicht aber als alleiniges Hauptziel der Qualitätssteigerung, galt es neben der täglichen Lebensrettung, mehr Sicherheit für Patienten und Flugpersonal zu schaffen. Dies sollte durch Beschleunigung, Vereinfachung, Vermeidung von Doppelarbeiten und Fehlern erreicht werden. Daraus wurden Vorgaben für ein neu zu erstellendes Management-Informationssystem entwickelt, mit den Elementen Datensicherheit, Schnelligkeit, Flexibilität, Anwenderfreundlichkeit und tagesaktuelle Auswertung. So entstand das Informations- und Kommunikationssystem für die Luftrettung (LIKS). Es findet seit 1994 auf allen Luftrettungsstationen des ADAC Einsatz. Außer dem Piloten sind der Rettungsassistent und der Hubschraubernotarzt an der Eingabe beteiligt. Sie ergänzen das Einsatzprotokoll um die abrechnungsrelevanten Patienten- und die medizinischen Daten. Inzwischen können bis zu 80 verschiedene Auswertungen tagesaktuell abgerufen werden. Voraus lief ein umfangreiches Schulungsprogramm, bei dem der Prototyp des Modells getestet wurde. Ein Multiplikatorenkonzept trug dazu bei, das Tagesgeschäft so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Handbücher gibt es nur noch als Datenbanken. Sie unterstützen den Einführungsprozess ebenfalls.
Ergebnisse und Nutzen
Alle Ziele wurden erreicht oder übertroffen. Obwohl in den letzten fünf Jahren die Anzahl der Rettungseinsätze von 12.000 auf 26.000 gestiegen ist, dauert der Prozess der Dokumentation dieser Einsätze heute nur noch drei bis vier Tage, Statistik und Abrechnung eingerechnet. Die Ausrichtung erfolgt intern wie extern kundenorientiert und hat dadurch eine hohe Akzeptanz erfahren. Kostensteigerungen in Verwaltung und im Flugbetrieb konnten aufgefangen werden. Inzwischen ist die Dokumentation von Einsätzen längst nicht mehr alles. Zum System gehören eine Dienstplandatenbank, eine Tankdatenbank sowie eine medizinische Datenbank, die erstmals den Zustand der Patienten vor und nach der Behandlung durch den Notarzt überprüfbar macht. Im Sinne von TQM werden zunehmend Qualität und Leistungsfähigkeit durch Messgrößen unter Beweis gestellt. Die ganzheitliche Betrachtung von Flugbetrieb, Technik, Medizin und Organisation in der ADAC Luftrettung erfolgt zum Nutzen aller. Als Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Rettungsdienstes wird die ADAC-Luftrettung jetzt an 22 Standorten in Deutschland von örtlichen Rettungsleitstellen eingesetzt. Experten für LIKS gibt es auf jeder Luftrettungsstation.
Weiterentwicklung
Ein Qualitätszirkel leitender Ärzte arbeitet an der Weiterentwicklung im Sinne einer übergreifenden Standardisierung der Daten und entwickelt Fragestellungen, die einer wissenschaftlichen Analyse unterzogen werden sollen. Es geht künftig um das Zusammenführen noch isolierter QM-Systeme zu einer Einheit und das Abstimmen der Soll-Prozesse, um höhere Ergebnisqualität zu erzielen. Die Bemühungen werden den Nachweis erbringen helfen, dass der höhere Nutzen alle am Gesamtprozess der Luftrettung Beteiligten erreicht. Aus dem Informations- und Kommunikationssystem LIKS ist ein Dokumentationssystem für ein umfassendes Qualitätsmanagement entstanden. Es gilt Pläne, Pilotentraining und Materialbeschaffung länderübergreifend zu gestalten. Ebenfalls soll der Einsatz von Hubschraubern in Zusammenarbeit mit den Nachbarländern Schweiz, Niederlande und Großbritannien ausgebaut werden. So schließt sich der Kreis, die Verbesserung der Prozesse wird zum Nutzen aller Beteiligten kontinuierlich fortgeführt.
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